Schwierige Situation für die Künste im Iran

08.06.2005
Die aus dem Iran stammende Galeristin Vesta Mauch zeigt derzeit in Berlin Werke dreier iranischer Künstlerinnen. Sie sagt, dass es sehr schwierig sei, im Iran als Künstler zu überleben, weil es kaum staatliche Förderung gibt. Dennoch glaubt sie, dass die iranische Kunst international mithalten kann.
Wuttke: Im Iran fiebert man dem heutigen Abend entgegen. Nur ein Punkt im Qualifikationsmatch gegen Bahrain und die Nationalelf hätte ihr Flugticket für die Fußballweltmeisterschaft im nächsten Jahr in der Tasche. Ein echtes Zuckerbrot, neun Tage vor den Präsidentschaftswahlen im Iran.

Der scheidende Präsident Chatami hat vor dem mächtigen religiösen Wächterrat und Ayatollah Chamenei längst kapituliert. Der voraussichtlich neue Präsident ist ein alter Bekannter, Akbar Rafsandschani, Präsident zwischen 1989 und 1997 und reichster Mann des Landes. Vesta Mauch, 1969 in Teheran geboren, in Frankreich und der Schweiz aufgewachsen, ist Galeristin und Spezialistin für zeitgenössische iranische Kunst. Frau Mauch, sähe der Iran ohne Chatami heute anders aus?

Mauch: Ja.

Wuttke: Wie?

Mauch: Innerlich sieht es heute schon viel anders aus. Mann kann es vergleichen mit dem Iran vor zehn Jahren. Es hat sich schon ganz viel gelockert, würde ich sagen. Frauen müssen immer noch das Tuch tragen, aber sonst tragen sie jetzt schon Kleider, die ganz nahe am Körper sind, habe ich viel gesehen, oder auch Sandalen mit gemalten Fußnägeln oder Schmuck an den Füßen. Solche Kleinigkeiten erscheinen hier vielleicht ganz klein, aber es macht schon einen großen Unterschied, wie die Frau sich dort bewegt und auch wie sie ihre Weiblichkeit herausbringt. Da hat sich schon sehr viel entwickelt.

Wuttke: Wofür steht das, was Sie gerade geschildert haben, wenn man das ein bisschen breiter fasst, diese recht liberale Form, mit der Frauen sich im Iran bewegen können?

Mauch: Ich meine, Chatami hat sehr viel dafür getan, dass die innerliche Situation des Landes sich befreit, dass man einfacher wohnt im Iran, dass es gemütlicher wird. Man kann nicht sagen, dass die Frauen wie hier frei sind. Man muss noch dieses Tuch über dem Gesicht tragen, also es gibt Regeln, die schon anstrengend sind. Aber man kann sagen, dass sich die Sachen mit Chatami aufgelöst haben. Jetzt gibt es vielleicht ein bisschen Spannungen, weil jetzt die religiöse rechte Seite kommt. Man muss sehen, was passiert, aber man erzählt, dass es im Land nicht strikter werden wird, was das Sozialbild betrifft. Die Freiheiten, die man bis jetzt gewonnen hat, werden nicht rückgängig gemacht werden.

Wuttke: Aber Rafsandschani war ja - das kann man ganz salopp sagen - die rechte Hand von Ayatollah Chomeini. Befürchten Sie von daher nicht, dass das Land ein Stück weiter zurückrutscht?

Mauch: Ich habe ganz viel darüber geredet bei meinem letzten Aufenthalt im Iran, und alle haben behauptet, er könnte nicht wieder zurückrutschen, weil die Leute es einfach nicht aushalten würden. Sie werden diese gewisse Freiheit oder gemütliche Situation, die jetzt existiert, so lassen und vielleicht auf der Ebene der internationalen und Außenpolitik strikter sein. Aber innerlich nicht, das ist, was man sagt.

Wuttke: Gibt es denn diese gemütliche Situation, von der Sie gesprochen haben, auch für die Kunst im Iran?

Mauch: Was die Künstler zeigen dürfen und wie sie sich ausdrücken dürfen, da hat sich auch ganz viel entwickelt. Das ist auch, was ich zeigen wollte durch die Künstlerinnen, die ich jetzt ausstellen werde. Es hat sich schon wirklich mehr Ausdrucksfreiheit herausgebildet.

Wuttke: Welchen Status haben die Künstler im Iran selbst? Was bilden sie ab, was spiegeln sie, was brechen sie und wer reagiert auf ihre Kunst?

Mauch: Also im Iran ist es schon sehr lustig. Die Künstler sind respektiert, weil wir in unserer Kultur viele Künstler, Schriftsteller, Dichter, Theaterleute immer viel gefördert haben. Es ist etwas, das anerkannt ist. Wir leben in Iran aber schon in einem kapitalistischen Land, würde ich sagen, wo Geld die Priorität ist. Das ist sehr stark im Iran. Man konsumiert viel, man gibt viel Geld aus, es fließt. Für viele ist wichtig, wie viel man verdient.

Der Künstler, der anfängt, ist nicht immer sehr geliebt vom Rest der Leute, weil er erst kein Geld verdient. Für ihn eine Frau zu bekommen, wenn es nicht eine Künstlerin ist, ist es schwierig, weil man im Iran zum Beispiel schon ein bisschen Geld haben muss, wenn man eine Frau nimmt. Es ist nicht einfach, ein Künstler zu sein, aber das ist in der ganzen Welt so.

Wuttke: Das heißt, welche Wirkung können die Künstler dann überhaupt haben? Welche Schichten im Iran sprechen sie an?

Mauch: Sie sprechen verschiedene Schichten an, und es gibt verschiedene Typen von Künstlern. Es gibt Künstler, die etwas machen, das radikal oder ideal ist, die versuchen, etwas zu zeigen, das nicht unbedingt etwas Gemütliches oder Dekoratives ist. Daneben haben Sie auch Künstler, die wirklich hübsche Sachen machen, nur um hübsche Sachen zu machen. Es kommt darauf an, woran man sich beschäftigt.

Was ich sagen möchte, ist, dass es schon schwierig ist, Künstler im Iran zu sein. Es gibt keine staatliche Förderung in dem Sinne, wie wir sie hier haben könnten. Es gibt einige Förderungen, aber es sind wenige. Auch die Arbeit der Galerien dort ist überhaupt nicht mit unserer Arbeit hier zu vergleichen. Es ist schon für sie ganz wichtig, rauskommen zu können, und es ist auch wichtig, dass wir dorthin eine andere Kunst bringen. Das ist auch etwas, woran ich arbeiten möchte.

Wuttke: Die drei Künstlerinnen, die Sie ab morgen in Berlin ausstellen, das sind Künstlerinnen, die direkt aus dem Iran kommen?

Mauch: Ja, also das war ein strikter Punkt, als ich diese Ausstellung im Kopf hatte. Ich wollte nur mit Künstlern, die im Iran leben und ausstellen. Wir sprechen auch von gegenwärtiger Kunst und von der Situation eines Landes, und es ist mir sehr wichtig, dass die Leute auch dort leben und ausstellen. Man kann persischer Künstler in New York oder in Berlin sein, aber ich glaube, man fühlt nicht Sache, man erlebt sie nicht, wie wenn man dort ist und dort wohnt und arbeitet.

Wuttke: Wie geht es Ihnen den selber? Denn Sie leben nicht im Iran.

Mauch: Nein, ich lebe seit vielen Jahren nicht im Iran. Aber es geht mir gut. Ich wohne in Berlin. Das ist auch eine spannende Stadt mit ihren Komplikationen, aber es geht mir gut. Ich bin auch froh, hier zu sein.

Wuttke: Was waren die Kriterien, nach denen Sie diese drei Künstlerinnen ausgewählt haben für die Ausstellung, die "Amazonen" heißt? Was hat Sie inspiriert? Was können diese Künstlerinnen mit welchen Mitteln zeigen?

Mauch: Also ich habe versucht, Leute auszusuchen, die sich voneinander möglichst viel unterscheiden, die über ein Thema sprechen. Das Thema von "Amazonen" ist die Situation der Frau im Iran, aber von drei ganz verschiedenen Künstlerinnen gezeigt. Die erste fotografiert Frauen, die zweite, das sind Gedichte von Frauen über Frauen mit Fotografien von Frauen, das Ganze wieder gemalt, und darum ist es ein bisschen kompliziert, aber es ist wieder das Mittel der Fotografie anders genützt, und die dritte ist die älteste, sie ist 42, und es ist interessant, weil man sieht, sie spricht von ihrem Thema in einer indirekten Weise.

Wuttke: Können diese drei Künstlerinnen auch im Iran zu sehen sein?

Mauch: Natürlich, die drei sind im Iran zu sehen, stellen im Iran aus. Die dritte, die eingeladen wird, repräsentiert Iran in der Biennale von Venedig.

Wuttke: Ab September stellen Sie dann die Arbeiten von drei Männern, von drei Iranern aus. Hat es ein ähnliches Themenfeld?

Mauch: Ein ähnliches vielleicht, weil es auch auf die politische Situation von Iran zielt, was heißt es, ein persischer Künstler zu sein, im Iran zu leben und zu wissen, was in der Welt passiert und wie man damit zurechtkommt.

Wuttke: Wie international kann denn der Künstler im Iran agieren? Sie haben es jetzt geschafft, eine Ausstellung zu organisieren, aber gibt es den Mikrokosmos Iran oder sind die Verbindungen sehr viel offener, als man sich das vielleicht vorstellt?

Mauch: Ich muss sagen, es gibt sehr viele Verbindungen. Erstens empfangen die Leute durch das Internet sehr viele Informationen. Es gibt gerade im Moment ein richtiges Interesse an den orientalischen Ländern. Der Ostblock ist kaputtgegangen, und jetzt haben wir diese Dualität zwischen islamischer und christlicher Welt.

Wuttke: Glauben Sie, dass nach dem Präsidentschaftswahlen am 17. Juni diese Wechselwirkung unter Rafsandschani bestehen bleiben wird?

Mauch: Ich denke, dass die Sachen, wenn sie sich ändern, sich langsam ändern werden. Wir hoffen alle, dass sich die innerliche und soziale Situation des Landes sich nicht ändert. Ich glaube, wenn das sich ändert, würde es etwas Schlechtes für das Volk sein. Das Volk würde schlecht reagieren, weil sie natürlich mehr Freiheit wollen. Das wollen sie selbst schaffen, und man soll es fördern, dass sie es selbst schaffen.