Diese unbeschreiblichen Missbrauchsfälle, die sich hier in einer Vereinsstruktur abgespielt haben - Worte kann man dafür nicht finden angesichts des Ausmaßes. Power for Kids ist gemeint - ein Verein, der sehr eigenverantwortlich gearbeitet hat, auch ohne dass Behörden mal draufgucken. Einer der krassesten Fälle, mit dem man in der Praxis zu tun haben kann und der unglaubliches Leid für viele, viele Kinder bedeutet hat.
Wie eine Stadt aus einem Missbrauchsskandal lernt

Alle reden auf die große, schlanke Frau in schwarzen Sportsachen und schwarzer Strickmütze ein: Eleni Evangelidou.
Kinder treffen sich in Turnhalle ds Boxvereins
Schwerin als Hauptstadt der Segregation
Vom Missbrauch wollte keiner etwas gehört haben
Warum das Jugendamt nicht nachhakte
„Diese Missbrauchsfälle haben auch dazu geführt, dass der Verein als Ansprechpartner nicht mehr zur Verfügung stand. Nun leben wir aber hier in einem Sozialraum, in dem viele Kinder und Jugendliche unterwegs sind. Das heißt, uns war schnell klar: Wir brauchen einen Anlaufpunkt, wir brauchen ausgebildete Sozialpädagogen vor Ort. Und da ist es gelungen, innerhalb von 14 Monaten von der Idee bis zur Eröffnung einen ganz neuen Jugendklub auf die grüne Wiese zu setzen. Mit viel Unterstützung auch von Landtagsabgeordneten - aber das hat es auch gebraucht!“
Oft Bewegungsarmut in sozialen Brennpunkten
„Es gibt auch eine Menge Studien dazu, dass gerade in sozialen Brennpunkten Bewegungsarmut herrscht, dass die Kinder teilweise keinen Sportunterricht mehr kriegen - oder nur sehr unzureichend. Und Bewegung in Kombination mit sozialpädagogischen Angeboten ist ein Mittel, um bestimmten Tendenzen entgegenzuwirken. Und mit diesem Ost 63 und ganz engagierten Leuten im Verein haben wir es geschafft, einen solchen Anlaufpunkt zu schaffen.“
Eleni Evangelidou ist für das Sportangebot bei Ost 63 verantwortlich. Die ehemalige Profi-Handballerin spielte viele Jahre für den SV Grün-Weiß in Schwerin und kommt aus Griechenland.
„Ich habe Sportwissenschaft und Erziehung in Griechenland studiert. Und es war immer mein Traum, mit Kindern zusammenzuarbeiten und meine Leidenschaft und meine Liebe zum Sport auch weiterzugeben. Und die Kinder einfach zu begeistern, ein bisschen mehr Sport zu machen. Sport ist ein sehr gutes Mittel zur Integration. Da gibt es kein Herkunftsland, es sind alle gleich und alle haben zusammen Spaß. Deswegen sind wir ganz offen, dass alle da sein dürfen.“

Eleni Evangelidou als Sportpädagogin arbeitet hier gemeinsam mit Sozialpädagogen - das ist eine Besonderheit von Ost 63.
Von Wuppertaler Konzept inspiriert
„Die hatten in einer alten Sparkassenfiliale eine Jugendeinrichtung mit Kraftsportgeräten aufgebaut. Da waren das aber nicht Kraftsportler, die das überwacht haben, sondern Sozialarbeiter. Und das fand ich grandios, weil die Jugendlichen sich da angemeldet haben, um mit dabei zu sein. Und nach dem Sport kommt man dann ins Gespräch - und das ist die Chance eben.“
Die Kinder in der Halle sind inzwischen bei dem Laufspiel mit den Uno-Karten richtig ins Schwitzen gekommen.
Schließlich darf ein Kind, das gerade Geburtstag hatte, das nächste Spiel aussuchen. Es heißt „Ein Zebra geht auf Wanderschaft“, ein Fangspiel, bei dem die Zebras geschickt vor den Löwen ausweichen müssen.
Erfolgserlebnis ist das eine - was ganz viele Kinder, die hier mitmachen, nicht so oft haben. Aber natürlich lernen sie, wie sie mit einer Niederlage umgehen können. Man kann nicht immer erfolgreich sein, das lernen sie so Stück für Stück. Da ist Sport natürlich eine Supermethode. Auch Teamfähigkeit zu entwickeln. Letztendlich: Wir gewinnen als Team und wir verlieren als Team, das gehört dazu. Für manche Kinder ist das was Neues.
Ein Sozialpädagoge als Familienhelfer
„Das ist eben auch wichtig, dass er das lernt. Sport ist ausgleichend, er sorgt dafür, dass der Stresspunkt gleich viel tiefer ist. Dass sie ruhiger damit umgehen können. Es ist auch etwas sehr Soziales, sportlich zu interagieren.“
„Das ist so ein Anlaufpunkt, dass sie mal rauskommen aus den Familienverhältnissen, die oft sehr angespannt sind. Meistens deswegen, weil sie oft aufeinander hängen und hocken.“
Ein Mädchentag im Ost 63
„Die sind sehr begeistert über Zumba, Aerobic und Tanzen. Ich habe auch Unterstützung von anderen Kollegen, wir machen ganz verschiedene Sachen und zeigen auch die Möglichkeiten, die sie hier in Deutschland haben, sich weiterzuentwickeln. Für mich ist es sehr wichtig, dass diese Mädchen auch irgendwo Sport machen können.“
„Ich bin eigentlich jeden Montag hier, außer wenn ich eine Klassenarbeit habe und zuhause lernen muss. Wir haben auch schon draußen Volleyball gespielt. Das ist auch mal schön, unter Mädchen zu sein!“
In der Schule hat sich Leonie gerade verbessert, stolz berichtet sie von zwei Zweien, die sie in dieser Woche bekommen hat.
Sporttreff organisiert gemeinsame Ausflüge
Und gerade die gemeinsamen Ausflüge haben es Jason angetan. Der letzte galt einem Handballspiel der Frauen, das die Kinder mit Eleni Evangelidou, der ehemaligen Profi-Handballerin in Schwerin besuchten.
Im vergangenen Sommer war es ein einwöchiger Segeltörn auf der Ostsee, der Jason und Leonie begeisterte. An Bord hatte neben Küchendienst und Kojen sauber halten jeder auch beim Segeln seine Aufgaben.
„Es gab drei verschiedene Gruppen, Vorsegel, Hauptsegel und Basansegel. Jeder hatte dann natürlich verschiedene Aufgaben, wenn es hieß: Segel setzen oder Segel abnehmen. Und am Klüvernetz, da mussten ich und Ela - wir haben noch Gurte angelegt, so eine Extra-Absicherung, damit man nicht ins Wasser fällt. Und dann mussten wir die Seile lösen.“
Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal
Dass sich in einer offenen Gesellschaft, in der wir leben, immer wieder Gruppen bilden können, wo keiner genau hingucken kann - also, es gibt immer irgendwelche Ecken, wo was passieren kann. Und wer was anderes sagt, der lügt. Aber manchmal ist es ja tatsächlich so, dass durch schlimme Dinge, die passieren, Leute ein bisschen wachgerüttelt werden. Von Seiten der Stadt wird jetzt verlangt, dass alle Vereine, oder alle, die mit Kindern arbeiten, ein Kinderschutzkonzept vorlegen müssen.
Schaffung neuer Stellen in Jugendklubs
„In der Praxis, ich kann das auch selber sagen als Übungsleiter, ist man immer auch ein bisschen Ersatzvater oder Ersatzmutter, je nachdem. Es kommen auch viele Kinder zu uns, die auch über ihr Zuhause reden möchten, über ihre Situation, über Schule reden möchten. Und dann ist es wichtig, wenn einfach jemand da ist, der das auch auffangen kann. Immer auf Arbeitsebene, auch ganz, ganz wichtig.“
Warum das Fenster im Nebenraum wichtig ist
„Also, wenn ein Mitarbeiter mit einem Kind ein Gespräch führt, ist es wichtig, dass es einsehbar ist. Dass er keine Heimlichkeit machen kann da. Also wir setzen uns hin und überlegen, wie so ein Alltag ist für uns und wo es möglicherweise dazu kommen kann, dass missbräuchliche Strukturen entstehen. Das ist der erste Schritt. Und der zweite ist: Wie können wir das verhindern? Weil so etwas muss man sich immer wieder ins Bewusstsein holen und den Fokus draufsetzen."

Der Unterschied zu einem Sportverein
„Im Sportverein wird meistens gesagt: Okay, wir haben dann und dann ein Spiel und müssen das und das Ziel erreichen. Hier ist es einfach nur auspowern, bisschen Spaß haben, bisschen Bewegung. Darum geht es. Man nimmt auch ein bisschen Spannung raus, die Kinder sind auch deutlich entspannter und wissen: Okay, wir daddeln jetzt hier eine Stunde rum - und dann ist wieder das normale Leben. Man kann abschalten - von der Realität, von der Schule, von Zuhause. Je nachdem, was einen gerade stresst oder besorgt.“