Schweinemast

Ein jämmerliches Leben auf einem Quadratmeter

Schweinemast in Deutschland: Dieses Tier leidet unter seinem eigenen Körpergewicht und kann sich nur mit Mühe aufrichten.
Turbo-Mästung innerhalb von sechs Monaten: Diese Schwein kann sein eigenes Körpergewicht nicht tragen. © dpa
Von Yoko Rahmun  · 01.02.2015
Mastschweine sehen nur ein einziges Mal in ihrem Leben Tageslicht: Wenn sie auf dem Weg zum Schlachthof sind. Zuvor leben sie in ihrem eigenen Kot und werden ohne Betäubung operiert. Schlachthöfe sind effiziente Tötungsfabriken, die Herstellung von Schweinefleisch ein Geschäft im Akkord. Yoko Rahmun war dabei - von der Empfängnis bis zur Vergasung der Tiere.
Bernd: "Wir sind hier im Deckzentrum, hier werden die Sauen per Hand besamt, wenn sie rauschen."
Reporterin: "Das ist sozusagen der allererste Schritt hin zum Ferkel. Rauschen heißt sie sind heiß?"
Bernd: "Ja."
Ich stehe mit Schweinezüchter Bernd in seinem Stall in Goch im Nordwesten von NRW. Bernd möchte nicht, dass ich seinen Nachnamen nenne. Schweinezüchter haben kein gutes Image. Bernd hat Angst, dass radikale Tierschützer in seinen Stall einbrechen oder Drohbriefe schreiben.
Im Deckzentrum des Stalls stehen fünfzig Sauen in schmalen Boxen dicht nebeneinander. In so genannten Kastenständen warten sie darauf, dass Eber Hubert an ihnen vorbei läuft.
Reporterin: "Ich habe ja schon gelernt, das ist nicht mehr so, dass dann ein Eber kommt und die Damen beglückt. Wie findet das statt?"
Bernd: "Ich habe wohl noch einen Eber, aber der wird halt nicht für den eigentlichen Besamungsvorgang gebraucht, sondern der Eber wird vor den Sauen positioniert. Dann kann ich mit Hilfe von einem Bügel, der auf die Sau gesteckt wird überprüfen, ob die Rausche vorhanden ist oder nicht. Das imitiert den Eber, der auf die Sau springt quasi. Und dann würde ich mit einer Pipette vaginal quasi diese Pipette in den Gebärmutterhals schieben, wo dann meine gekaufte Spermatube drauf kommt."
Bernd kauft sein Eber-Sperma bei so genannten Besamungsstationen. Und zwar von Ebern, die - Achtung Fachsprache - "zuchtwerttechnisch" überprüft wurden, also quasi Hochleistungseber mit Top-Genen sind. Es gibt Kataloge, fast eine Art Pin-up-Kalender für Schweinezüchter, in denen diese Premium-Zuchteber präsentiert werden.
Die Sauen sind in einem Käfig eingezwängt
Im Schnitt 3 Monate, 3 Wochen und 3 Tage dauert es, bis die trächtige Sau ihre Ferkel zur Welt bringt. Am Ende wiegt sie um die 200 Kilo. In der Abferkelbucht findet die Geburt statt.
Bernd: "Die Sau hat jetzt bereits drei Ferkel."
Reporterin: "Wie viel wiegt denn so ein Ferkel, wenn es auf die Welt kommt?"
Bernd: "Circa anderthalb Kilo."
Bernd ist 31. Er hat den Familienbetrieb übernommen, arbeitet hier mit seinen Eltern und einem Azubi. Gemeinsam kümmern sie sich um insgesamt 3500 Schweine, ein typisch mittelständischer Schweinebetrieb, wie es ihn hunderte Male in Deutschland gibt. Die meisten Schweine gibt's übrigens in den Landkreisen Cloppenburg und Vechta. Dort leben sogar achtmal mehr Schweine als Menschen.
Reporterin: "Darf ich mal eins anfassen?"
Bernd: "Ja, natürlich. Fast haarlos, nur Augenbrauen hat's schon. Riecht auch total gut, riecht gar nicht eigentlich."
Bernd: "Normalerweise ist der übliche Gang so, dass die Ferkel mit der Nase an der Sau entlang tapsen und so irgendwann zum Gesäuge kommen automatisch."
Könnte sie sich frei bewegen, würde eine Sau ihre Ferkel jetzt abschnüffeln und ihnen Nester bauen. Die Sau, die hier gerade gebärt, liegt in einem Eisengitter hauteng eingezwängt. Bernd erklärt, warum das so ist:
Bernd: "Damit die halt den Ferkeln in dieser Bucht Platz lässt, um sich frei zu bewegen und wenn die Sau sich hinstellt oder wieder hinlegt, dass die Sau sich nicht auf die Ferkel legt."
Sau Nummer 1342 ist eine Hochleistungssau. Den Großteil ihres Lebens ist die Sau trächtig und sitzt oder liegt fixiert im so genannten Abferkelgitter. Mit drei Jahren hat sie bereits 130 Ferkel geboren.
Bernd: "Ja, scheint ne gute Sau zu sein. Die würde ich durchaus noch mal besamen. Solange die Sau entsprechende Leistungen bringt, darf die auch bei mir im Bestand bleiben."
Eine Wildsau bringt es im Schnitt auf sechs, sieben Ferkel. In der so genannten Intensivzucht wurden die Sauen über die Jahre so gezüchtet, dass sie immer mehr Ferkel bekommen. Unsere Sau bringt heute 17 Ferkel zur Welt, ihr Spitzenwurf liegt bei 23.
Den männlichen Ferkeln werden die Hoden abgeknipst
In der Natur bleibt die Wildsau nach der Geburt anderthalb Jahre bei ihrem Frischling, in der Intensivzucht werden Mutter und Ferkel nach 25 Tagen getrennt. Man müsse die Sau vor ihren Ferkeln schützen, sagt Bernd. Denn die bekommt mehr Ferkel als sie Zitzen hat. Damit sich das Gesäuge der Mutter nicht entzündet, werden den Ferkeln die Spitzen der Eckzähne abgeschliffen.Den männlichen Ferkeln werden die Hoden abgeknipst und allen Ferkeln wird der Ringelschwanz coupiert, also abgeschnitten.
Bernd: "Die Ferkel haben in dem letzten Drittel der Schwänze keine Nervenenden, also die fühlen da nichts drin. Und im Laufe ihres Lebens knabbern die sich gerne an den Schwänzen und wenn das dann irgendwann anfängt zu bluten, die Schweine sind Allesfresser und Blut hat anscheinend einen sehr anregenden Geschmack, dann ist es so, dass die dann nicht mehr aufhören, sondern erst richtig anfangen. Und um das zu vermeiden, coupiert man das letzte Drittel ab. Dann hat man nämlich den Effekt, wenn die sich an den Schwänzen knabbern, dass die es merken und dann können die sich umdrehen oder sonstiges."
Tierschützer kritisieren, die Tiere würden aggressiv werden, weil sie auf viel zu engem Raum gehalten werden und weil ihnen Beschäftigung fehlt. Erst seit zweieinhalb Jahren ist vorgeschrieben, dass Schweinezüchter ihren Ferkeln nach diesen Prozeduren ein Schmerzmittel geben müssen. Betäubung ist nur auf Bio-Höfen Pflicht. Kaum ein konventioneller Bauer entscheidet sich dafür. Das Ganze sei zu teuer, sagt Bernd.
Reporterin: "Und wie ist das mit dem Kastrieren von Ebern? Warum wird das gemacht?"
Bernd: "Wenn man Eber mästet, kann es im Laufe der Mastperiode zur Geschlechtsreife der Eber kommen und in dem Zug auch zu einer Ausschüttung von Hormonen, die dazu führen können, dass das Fleisch, wenn es dann beim Verbraucher im Topf ist, einen eigenartigen Geruch hat und auch komisch schmeckt. Passiert am dritten Tag hier im Betrieb."
In den nächsten Monaten soll das Ferkel vor allem eins: an Gewicht zunehmen. Im Schnitt 800 Gramm am Tag, solange bis es 120 Kilo wiegt. Nach sechs Monaten ist es schlachtreif. Bernd zeigt mir den Ferkelaufzuchtstall, gerade werden die Tiere gefüttert. Immer eine Gruppe von 25 Ferkeln teilt sich eine Gruppenbox.
Reporterin: "Hat man da als Schweinezüchter, wenn man so viele Schweine hat, hast Du zu manchen Schweinen auch einen Bezug?"
Bernd: "Allgemein versuche ich zu allen Tieren hier einen gewissen Bezug auch aufzubauen."
Reporterin: "Was haben Schweine eigentlich für einen Charakter?"
Bernd: "Neugierig, interessiert, gutmütig, sogar schlauer als Hunde und Katzen."
2,39 Euro für fünf Steaks bei Edeka
Schweine in der Natur verbringen 75 Prozent ihrer Zeit damit zu wühlen, zu grasen und ihren Lebensraum zu erkunden. Sie sind saubere Tiere, ihr Geschäft würden sie nie dort verrichten, wo sie auch fressen und schlafen.
In der konventionellen Schweinezucht ist vorgeschrieben, dass das Schwein 1 Quadratmeter Platz braucht, wenn es über 110 Kilo wiegt. Das bedeutet: Die Tiere können zwei, drei Meter vor und zurück laufen. Aber sie stehen tagein, tagaus auf Beton- und Spaltenboden. Ohne Stroh, ohne Tageslicht, ohne Beschäftigungsmöglichkeiten. Warum dürfen die Schweine nicht raus?
Bernd: "Wenn die Auslauf hätten, kommen die mit anderen Schweinen vielleicht in Kontakt oder sonstiges und dann hätten wir wieder mehr kranke Schweine oder sonstiges. Wir versuchen ja alles, das Tier so zu halten, dass es möglichst gesund aufwächst. Ich verdiene ja damit auch mein Geld mit den Schweinen und ich kann nur Geld mit den Schweinen verdienen, wenn ich sehr gute Leistungen habe, weil der Markt das nun mal erfordert, weil der Kostendruck sehr hoch ist. Und die erziele ich aber nur über sich wohlfühlende Tiere."
In der Fleischindustrie gilt: Wer nicht wächst, muss weichen. Es gibt immer weniger Kleinbauern und immer mehr Schweinefabriken. Denn ein Schweinezüchter verdient immer weniger pro Schwein. Unser Fleisch ist einfach zu billig!
2 Euro 39 für fünf Steaks bei Edeka. Überall Lockangebote. Das ärgert Bernd, er hat schließlich immer die gleichen Herstellungskosten, den gleichen 12 Stunden Tag. Pro Schwein bekommt er gerade mal 164 Euro vom Schlachter. Bernd verdient an einem Schwein im Schnitt 10 bis 15 Euro. Die großen Gewinne, da sind sich die Schweinemäster einig, machen die Schlachthöfe und Supermarktketten.
"Ich kann verstehen, dass sich Bernd darüber ärgert, sehe, wie hart er arbeitet, um den Familienbetrieb am Laufen zu halten. Aber mir geht hier es um das Schwein und um die Frage, ob Massentierhaltung artgerecht sein kann."
"Das ist Folter"
Tierschützer bestreiten das schon lange. Einer davon ist Friedrich Mülln. Ich treffe mich mit dem Tieraktivisten in Ulm.

Friedrich: "Jeder, der ein Schwein in freier Natur oder auf einem Gnadenhof erlebt hat, eigentlich jeder der Schweinefleisch isst, sollte das mal einen Tag lang machen. Mit nem Schwein die Zeit verbringen. Da sieht er, was das für fantastische Tiere sind, wie schlau die sind, wie die sich verhalten, wie gerne die baden gehen, wie gerne die wühlen, wie gerne die mit allem möglichen Zeug spielen. Und wir sperren diese hochsensiblen und hochintelligenten Tiere in Hallen ein, wo ein erbärmlicher Gestank ist, auf Spaltenboden. Die Tiere leben über ihren Fäkalien, über Tonnen von diesen Fäkalien. Allein das ist Folter, da brauchen wir gar nicht über ein paar Quadratmeter mehr Platz plus oder minus sprechen."
Wir sitzen im Auto, es ist kurz vor zwölf Uhr nachts. Tierschützer Friedrich will mir zeigen, wie ein typisch deutscher Schweinestall aussieht, wenn sich kein Journalist vorher angemeldet hat. Er behauptet, dass Schweineställe von den Bauern gesäubert werden, wenn sich Journalisten anmelden, dass zum Beispiel kranke und verletzte Tiere aussortiert werden.

Friedrich: "Also, wir sind jetzt hier in Baden-Württemberg in einer der intensivsten Schweinehaltungsgegenden Deutschlands. Hier steht eine Farm neben der anderen."
Reporterin: "Du hast drei Helfer dabei. Das wievielte Mal ist das jetzt, dass ihr so einen Einsatz macht?"
Helfer: "Also, ich bin schon sehr oft dabei gewesen. Jedes Mal ist es anders, jedes Mal muss man gleich gut aufpassen. Kann man einfach auf Holz klopfen, dass bis jetzt noch nie was passiert ist."
Friedrich ist 34. Seit 20 Jahren ist er als Tierschützer aktiv. Als Teenager hat er die Fallen der Jäger im Wald eingesammelt. Mittlerweile zählt Friedrich Mülln zu den aktivsten Tierschützern Europas. Sein Geld verdient er als Journalist zum Beispiel mit Undercover-Reportagen aus der Fleisch- oder Pelzindustrie. Er hat massenweise Film- und Fotomaterial aus Ställen, Pelzfarmen, Tierlabors oder Schlachthöfen gesammelt. Wer mit Friedrich spricht, erfährt, dass er immer da hingeht wo Hinschauen besonders weh tut.
Reporterin: "Friedrich, Du hast mir ja erzählt, dass Du eigentlich, was Anzeigen betrifft wegen Hausfriedensbruch noch nie wirklich Probleme hattest, oder, in Deutschland?"
Friedrich: "Also, ich bin noch nie verurteilt worden, ich habe auch keine Vorstrafen oder sonst was. Und das liegt daran, dass wir zwar gewisse Dinge machen müssen, die von manchen Leuten vielleicht als Rechtsbruch angesehen werden. Ich sehe es nicht so. Hohe Gerichte in Deutschland, also endinstanzliche Entscheidungen sehen es auch nicht so. Weil Gerichte in Deutschland haben entschieden, dass der Verbraucher ein Recht darauf hat, zu erfahren, wie Lebensmittel produziert werden, dass das ein überragendes öffentliches Interesse ist, was gewisse Möglichkeiten uns gibt, sowas aufzudecken und in diesen Graubereich bewegen wir uns."
Reporterin: "Was passiert denn in so einem Fall, wenn ihr da entdeckt werdet?"
Friedrich: "In Deutschland ist uns das zum Glück noch nicht passiert, aber in Ungarn gab's wüste Verfolgungsjagden und da ist Schnelligkeit und ein guter Plan, dass man da wieder raus kommt, sehr nützlich, weil sonst kann das im wahrsten Sinne des Wortes ins Auge gehen."
"Ich bin jedes Mal wieder entsetzt"
Friedrichs oberstes Gebot bei seinen Aktionen: Nie etwas kaputt machen, zum Beispiel Türen aufbrechen. Die Ställe, in denen er filmt und fotografiert, müssen leicht begehbar sein. Der Betrieb, den er mir gleich zeigen will, soll mit 1500 Schweinen ein typischer Stall sein wie er tausendfach in Deutschland steht. Zweimal war Friedrich bereits für Aufnahmen dort, es sei kein Ausnahmestall, wo es den Tieren besonderes schlecht gehe, sagt er. Alles, was ich sehen werde, sei der Normalzustand. Die Gruppe hat einen versteckten Platz auf einem Acker gefunden. Hier ziehen sich die Tierschützer erst mal um.
Friedrich: "Also erst mal Kälteschutz. Weil es ist schon inzwischen recht frostig."
Reporterin: "Es ist arschkalt!"
Friedrich: "Also, ich habe jetzt ein gesundes Drei-Schicht-System. Erst mal meine Zivilkleidung sozusagen, was auch immer ganz praktisch ist, falls man sich mal doch absetzen soll, sollte man nicht unbedingt wie ein Yeti durchs nächste Dorf gehen. Ansonsten habe ich noch drüber Schutzkleidung in einer Tarnfarbe und es ist halt wichtig, Schutz gegen Unfälle, sprich Kniepolster."
Reporterin: "Ihr teilt Euch jetzt auch auf in dem Stall, in verschiedene Bereiche, ne?"
Friedrich: "Nein. Im Stall bleibt man immer zusammen, weil sonst wäre das Risiko viel zu groß, auch Verletzungsrisiko. Wir hatten das mehrmals, dass da plötzlich einfach irgendwo ein Loch im Boden war, und wenn da einer verschwindet und in die Gülle fällt, dann ist es aus. Es gibt ein Team draußen und ein Team drinnen. Die draußen sind halt zur Absicherung des Geländes da und die Leute drinnen sind hauptsächlich zum Schleppen der Ausrüstung und halt dann zur Bilddokumentation."
Die Tierschützer sind gut ausgerüstet mit Nachtsichtgeräten, Wärmebildkameras und Headsets, damit sie sich untereinander verständigen können. Anhand einer Skizze erklärt Friedrich seiner Gruppe, wie sie im Stall vorgehen. Dann geht's los. Ich warte mit etwas Abstand am Auto. Denn ich will mich auf keinen Fall strafbar machen. Nach einer Stunde kommen die Männer wieder über den Acker gelaufen.
Friedrich: "Ich mache das jetzt seit zwanzig Jahren und ich bin jedes Mal wieder entsetzt, weil ich hab ne Muttersau gefilmt in so einer eisernen Jungfrau, wie man das ja auch nennt, oder Ferkelschutzkorb, und ich hab irgendwie gedacht, ich knie irgendwo drauf und dann habe ich geguckt und da lagen eben die ganzen abgeschnittenen Hoden und abgeschnittenen Schwänze am Boden."
Reporterin: "Du hast da drauf gekniet?"
Friedrich: "Ja, einen Hoden habe ich ein bisschen zermatscht. Und daneben steht halt dieser Karren, wo da das Skalpell liegt und man sieht halt da die Ferkel mit den blutigen Schwänzen. Die wurden heute abgeschnitten wahrscheinlich und man hat auch die Schnitte gesehen, wo die Hoden rausgerissen worden sind. Und dazwischen überall Medikamentenpackungen am Boden, alles voller Kot. Ich kann mir eigentlich nur einen Begriff dazu ausdenken, und das ist Hölle."
Ich möchte das Ganze mit eigenen Augen sehen und lasse mir von Friedrich das Video zeigen, das er gerade im Stall gedreht hat.

Friedrich: "Es war unglaublich dreckig, also hier war so eine Stelle, da war alles mit Kot bedeckt, sicher fünf Zentimeter hoch. Überall Fliegen, unglaublicher Gestank. Ansonsten hatten wir auch ein Tier mit einem Mastdarmvorfall, also wo halt ein Teil vom Darm rauskommt, das ist häufig bei den Zuchttieren, weil die halt so überbeansprucht werden, dass das der Körper nicht mehr halten kann... Unglaublich viele Ferkel für ein Schwein. Also, es ist absurd."
Reporterin: "Oh, ist das mager."
Friedrich: "Das ist ein Kümmerling. Ich denke mal, so ein Tier, wenn das nicht innerhalb der nächsten zwei Tage kräftiger wird, dann wird er das erschlagen. Ist eine übliche Praxis, die haut man gegen die Wand. Ist auch jüngst erst von einer Partnerorganisation von uns dokumentiert worden, wo halt die Tiere einfach ohne Betäubung gegen die Wand, gegen ne Kante gehauen werden."
"Die Tiere schreien erbärmlich vor Schmerzen"
Tatsächlich haben mittlerweile mehrere Filme für einen Skandal gesorgt, in denen versteckt gefilmt wurde, wie ein Bauer Ferkel erschlägt. Würde Friedrich einen Bauern dabei erwischen, könnte er ihn anzeigen. Ferkel erschlagen ist illegal. Muttersauen zu fixieren oder Ferkel ohne Betäubung zu kastrieren und zu coupieren ist dagegen EU-weit erlaubt. Der Landwirt macht sich damit also nicht strafbar. Friedrich kann das nicht verstehen:

"Ich habe Ferkel, also diesen Umgang mit den Tieren gesehen, wenn die Schwänze abgekniffen werden. Die Tiere schreien erbärmlich vor Schmerzen, sind danach zusammengekauert in der Ecke und leiden wirklich Höllenqualen. Da muss man kein Tierarzt sein, um zu merken, dass das Unrecht ist. Und das deutsche Gesetzbuch sagt, dass das Verstümmeln von Tieren illegal ist. Aber kurioserweise wird in der Tierhaltung dann einfach gesagt, es ist eine Ausnahme, die zwingend notwendig ist, weil es geht nicht anders, sonst würden sich die Tiere totbeißen."

Ich fahre zurück nach Goch und spreche mit Schweinemäster Bernd über die Vorwürfe der Tierschützer, Ställe würden vor Journalistenbesuch gereinigt werden. Er streitet das ab, außerdem werde er regelmäßig vom Veterinärsamt kontrolliert. Tierschützer halten dagegen: Veterinärs-Tierärzte würden sich Tage vor ihrem Besuch bei den Schweinebauern anmelden. Mit einem klappernden Plastikkanister in der Hand treibt Bernd gerade sechzig Schweine in einen Hänger. 120 Kilo wiegen die Ferkel jetzt, sechs Monate sind sie alt. Schlachtreif.
Bernd: "So, jetzt sind sie schon mal aus der Bucht raus und jetzt bringen wir sie noch auf den LKW. Raus hier, weiter da."
Reporterin: "Hast Du das schon mal mit denen geprobt, die wissen ja sofort wo sie... Na, man solls nicht verschreien."
Bernd: "Weiter da vorne. Los!"
Auf dem Weg zum Schlachter sieht das Schwein zum ersten und einzigen Mal in seinem Leben Tageslicht. Eine halbe Stunde dauert die Fahrt zum Schlachthof.
Reporterin: "Bist Du froh, dass Du nicht bei der Schlachtung dabei sein musst?"
Bernd: "Ich bin Landwirt und kein Schlachthofmitarbeiter. Darum bin ich froh, dass ich die Schweine jetzt hier abladen kann, ja."
300 Schweine werden im Schlachthof pro Stunde getötet
Wir sind auf dem Schlachthof von Heiner Manten. Der liegt in Geldern am Niederrhein. 17.000 Schweine werden hier in der Woche geschlachtet. 300 Schweine pro Stunde. Das klingt viel, gegen Tönnies, Deutschlands größtem Fleischunternehmen, ist das aber nichts. Mehr als 16 Millionen Schweine im Jahr werden in den Hightech-Schlachthöfen von Tönnies getötet. Allein die Anlage in Rheda-Wiedenbrück schafft 28.000 am Tag, über 1700 in der Stunde.
Der Schlachthof von Heiner Manten ist von einer meterhohen Betonmauer eingezäunt, von außen sieht das Ganze aus wie eine riesige, schlichte Lagerhalle. Der Chef begrüßt mich an der Verladerampe.
Heiner Manten: "Hier kommen die Schweine an, hier steht ein Mitarbeiter von uns, der die Tiere zählt. Zusammen mit dem Amtsveterinär, der hier eine Lebendtierbeschau macht. Es wird kein Tier entladen, ohne dass er dabei ist."
Reporterin: "Worauf achten Sie, wenn die Tiere hier ankommen?"
Amtsveterinär: "Dass die LKWs gut beladen sind, das heißt, keine Verletzungsgefahr für die Schweine. Auf Auffälligkeiten, also auf den Gesundheitszustand, ob ich vermehrt Schwanzbeißen sehe, und wenn mir ein Schwein auffällig ist, dann habe ich die Möglichkeit es zu separieren, Temperatur zu messen."
Reporterin: "Macht Ihnen ihr Beruf Spaß? Sie sind ja eigentlich den ganzen Tag umgeben davon, dass noch lebende Schweine gleich sterben."
Amtsveterinär: "Ich denke mal, Sie würden vielleicht auch nicht auf ihr Kotelett oder Schnitzel verzichten wollen und dafür hält man sie ja auch. Sind ja keine Streicheltiere."
Von der Verladerampe aus laufen die Schweine in eine Halle. Von diesem Warteraum aus geht es für die Tiere direkt in eine Gasgondel. Die Gasgondel ist eine Art Aufzug, der - mit immer drei Tieren beladen - in die Tiefe fährt. Heiner Manten erklärt mir, wie die Schweine hier betäubt werden:
Heiner Manten: "Wir haben erstens eine Gruppenbetäubung, das heißt, die Schweine werden in kleinen Gruppen immer mit drei und drei in eine solche Gondel hineingeführt. Sie können jetzt noch einen schönen Blick da rein werfen. Dann fahren die Gondeln runter ins Gas. Sie sehen ja, dass das ein Käfig ist. Dann ist da unten außer CO2 nichts mehr. Dementsprechend werden die betäubt. Die haben eine ganz fest vorgegebene Verweilzeit von 140 oder 150 Sekunden im Gas. Dementsprechend weiß man auch ganz sicher, dass die Tiere wirklich betäubt sind."
Der Schlachter hat fünf Sekunden Zeit pro Tier
Ich sehe nicht, was dort in neun Metern Tiefe, in der Gas-Gondel, tatsächlich passiert, wie sich die Schweine verhalten. Fakt ist: Sie atmen dort unten ein CO2-Gasgemisch ein. Dadurch verlieren die Tiere das Bewusstsein. Die Methode ist umstritten, Tests haben gezeigt, dass die Schweine noch circa 15 Sekunden mit Atemnot und Erstickungsangst nach Luft schnappen, bevor sie das Bewusstsein verlieren.
Wenn die Schweine wieder hochfahren, fällt jedes einzeln in ein Auffangbecken. Von dort wird es von einem Schlachthofmitarbeiter an den Hinterläufen gepackt, der es kopfüber an zwei Haken befestigt.
Reporterin: "Was ist das für eine Maschine?"
Heiner Manten: "Da sehen Sie den Stechapparat. Der wird von zwei Leuten bedient. Einer sticht mit dem Messer in das Schwein hinein. Und der andere zieht das Messer wieder heraus. Es könnte ja sein, dass der Erste vergisst reinzustechen. Aber ein Schwein ohne Messer würde dem Zweiten sicher auffallen."
Die betäubten Schweine hängen jetzt an einer Art Fließband kopfüber vor den Schlachtern. Am Stechappart, einem Podest auf dem zwei Schlachter stehen, durchsticht einer der Schlachter mit einem Messer die Halsschlagader des Schweins, der andere zieht das Messer wieder heraus. Der sogenannte Halsbruststich sorgt dafür, dass die Tiere entbluten und sterben. Das Blut läuft dabei in ein großes Auffangbecken.
Im Schnitt hat ein Schlachter maximal fünf Sekunden Zeit pro Tier. 300 Schweine töten die beiden Männer hier in der Stunde. Heiner Manten zeigt mir den Lidreflextest mit dem man testen kann, ob das Schwein jetzt auch wirklich tot ist. Dabei legt er dem Schwein einen Finger aufs Auge, um zu sehen, ob es zwinkert. Einen Tierarzt, der das hier kontrollieren würde, sehe ich nicht.
Nach dem Ausbluten und dem Brühkessel wird das Schwein durch eine Art offenen Flammofen gefahren. Das Ding erinnert vom Aussehen ein bisschen an einen Metalldetektor am Flughafen, nur viel, viel größer. Danach ist das Schwein haarlos, glänzend und sieht aus wie aus Plastik. Es hängt kopfüber, fährt an den Arbeitern vorbei und wird ausgenommen. Nach einem Bauchschnitt werden dem Schwein die Organe entnommen.
Sein Sohn Sebastian nimmt mich mit und zeigt mir die unterschiedlichen Zerlegungsräume. Das Schwein wird ab jetzt peu à peu immer kleiner. Anfangs hängen die Schweine in Hälften in riesigen Kühlräumen. In so einem stehe ich gerade mit Sebastian, zwischen 3000 Schweinehälften.
Sebastian: "Hier befinden wir uns jetzt in den sogenannten Hälftenkühlräumen, wo jedes Schwein eben sortiert wird nach seinen Charaktereigenschaften, sag ich immer so schön."
Reporterin: "Nach seinen Charaktereigenschaften?"
Sebastian: "Nein, nicht Charakter. Das Tier, sag ich mal, hat für uns sicherlich keine menschlichen Züge in dem Sinne. Als Charakter meine ich einfach mal, wie ist das Schwein an sich? Ist es fett, ist es groß, ist es klein? Halt eben für seine Verwendung her."
Sogar Zigarettenfilter enthalten Hämoglobin aus Schweineblut
60 Prozent des Tiers wird zu Fleisch und Wurst verarbeitet, also zu Schinken, Koteletts, Bratwurst, Schnitzel. Die restlichen 40 Prozent werden zu Hunde- und Katzenfutter verarbeitet. Aber auch zu Gelatine, zum Beispiel für Gummibärchen. Dann zu Lederwaren, sogar in Cremes, Zahnpasta und in Seifen kann Schweinefett stecken. Und sogar Zigarettenfilter enthalten oft Hämoglobin aus Schweineblut. Am Ende wird das Fleisch verpackt und gewogen. Jetzt ist es fertig für den Versand.
Reporterin: "Wohin wird das jetzt überhaupt gebracht?"
Sebastian: "Also wir haben natürlich eine sehr hohe Konzentration auf dem deutschen Markt. Den Lebensmitteleinzelhandel, den Discounter, die verarbeitende Industrie, Gastronomiegroßhändler und natürlich auch Metzgereien. Und auf der anderen Seite – hier wird jetzt beispielweise gerade ein LKW in Richtung Griechenland abgefertigt, haben wir natürlich auch Frischfleisch was in den Export geht. Nach Südeuropa oder Osteuropa."
Reporterin: "Das heißt, wenn ich beim Rewe stehe oder beim Lidl kann's gut sein, dass ich Kotelett von ihnen erwische?"
Sebastian: "Wenn Sie Glück haben schon."
Das nächste Mal bei Lidl an der Fleischtheke fällt mir der Amtsveterinär vom Schlachthof ein: Ich denke mal, Sie würden vielleicht auch nicht auf ihr Kotelett oder Schnitzel verzichten, hat er zu mir gesagt. Jetzt liegt es an mir.
"Auf viele Fragen habe ich trotz der intensiven Recherche immer noch keine Antwort gefunden. Zum Beispiel: Wie würden wir reagieren, wenn unsere Hunde und Katzen so leben müssten wie die Tiere, die bei uns auf dem Teller landen? Warum gehen Schulklassen immer nur in Zoos und nie in Mastbetriebe oder Schlachthöfe? Wie konnte es passieren, dass die Fleischindustrie zu einer Art hochoptimierter Parallelwelt wurde, von der wir gar nichts mitbekommen?" - Yoko Rahmun
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