Schweine im Eichelwald

Von Vanja Budde · 25.12.2011
Die Eichelmast ist eine Jahrtausende alte Methode der Weidewirtschaft. In unsere Breiten musste die so genannte Huteweide vor rund 100 Jahren weichen. In Spanien aber hat diese Tradition überlebt. Dabei entsteht eine Köstlichkeit, die in Spanien auf keinem Weihnachtstisch fehlt: Der Jamón Ibérico Bellota, gerühmt als bester Schinken der Welt.
Winter in der Extremadura im Südwesten Spaniens: Die milde Sonne scheint auf die gewölbten, dunklen Rücken einer Horde iberischer Schweine in einem Steineichenhain. Zufrieden grunzend ziehen die hochbeinigen Rüsseltiere gemächlich von Baum zu Baum und fressen deren Früchte.

Doch als sich Herminio Gomez Fuentes, der Besitzer der Finca, den Schweinen nähert, flüchten sie scheu. Iberische Eichelschweine leben das ganze Jahr im Herdenverband im Freien und sind halb wild.

"Iberische Schweine können nur so gehalten werden. Man kann sie nicht in Ställe sperren, sie müssen frei sein. Wer guten Schinken will, kann nicht besser wirtschaften. Das iberische Schwein ist das Tier, das Eicheln am besten verwertet. Jedes Tier frisst gerne Eicheln, aber nur das iberische Schwein verwandelt sie auf diese Weise und liefert dabei ein Produkt, das einzigartig ist auf der Welt, sozusagen der Kaviar der Extremadura. Nicht wegen der Schweinerasse, die kann man überall hin exportieren, sondern wegen der Ernährung. Dieses Habitat hat auf der ganzen Welt nur das iberische Schwein."

Die Rasse war schon zu Zeiten der Römer bekannt, während sich die modernen Hausschweinarten erst im 19. und 20. Jahrhundert heraus bildeten. Das schwarze iberische Schwein entstand aus Kreuzungen mit dem nordafrikanischen Wildschwein. Es ist relativ klein, nicht so fett, robust und wenig anfällig für Krankheiten. Und es verwandelt seine Eichelkost in köstlichen Jamón Ibérico: Spanischen Schinken.

Herminio Gomez Fuentes tritt an einen Baum heran, reckt sich hoch, rüttelt an den Zweigen: Reife, hellbraune Eicheln prasseln zu Boden, voller Vitamine und Proteine, so gehaltvoll, dass die Schweine während der Eichelmast von November bis Januar bis zu 60 Kilo zunehmen.

Früher war ganz Spanien bedeckt von Eichenwäldern, erzählt Fuentes. Alle gerodet, bis auf die letzten Reste in Portugal, Andalusien und hier in der Extremadura. Dehesa werden sie genannt, die lichten, parkähnlichen Haine, die heute immerhin noch ein Viertel der Provinz bedecken, eine Million Hektar.

"Das ist das Besondere des spanischen Südens. Diese Eichen machen die Extremadura aus. Sie sind Hunderte von Jahren alt. Dieses Ökosystem ist weltweit einzigartig."

In weiten Abständen wachsen die Stein- und Korkeichen die Hügel der Finca hinauf, bis zum Horizont. Die letzten Huteweiden sind ein wichtiger Lebensraum nicht nur für Schweine.

Dutzende Vogelarten nisten in den Eichen; Nordeuropas Kraniche überwintern hier; der vom Aussterben bedrohte iberische Luchs findet in den Hainen seine letzten Rückzugsräume, erklärt Nils Köster, Biologe am Botanischen Garten der Freien Universität Berlin:

"Unter den Bäumen haben Sie Schatten, da ist es feuchter, da können ganz andere Pflanzen wachsen als in diesen offenen Bereichen, wo die Sonne richtig intensiv scheint. Wo intensiv Weide betrieben wird, da wachsen vor allem einjährige Kräuter und Gräser, in anderen die zumindest zum Teil nicht mehr so stark bewirtschaftet werden, da finden sich dann Zwergsträucher wie Thymian, Lavendel und andere typisch mediterrane Arten. Und dadurch finden Sie in relativ kleinen Bereichen schon eine ganz große Artenvielfalt."

Die Schweine fressen neben den Eicheln auch diese Gräser und Kräuter. Das verleiht dem Jamón Ibérico nicht nur seinen berühmten Geschmack:

"Diese hohen Gerbstoffgehalte in den Eicheln bringen es anscheinend mit sich, dass der spanische Schinken, sofern er tatsächlich fast nur aus der Mast in diesen Dehesas hervor geht, sehr gesund ist, sehr reich an Polyphenolen. Etwas, das man ja nicht denken sollte: Dass so ein fettiger Schinken durchaus auch sehr gesund sein kann."

Nicht ahnend, dass man für einen ihrer Schinken nach drei Jahren Lufttrocknung bis zu 1000 Euro wird berappen müssen, hat sich die Schweinhorde gemütlich unter einigen Bäumen verteilt in Suhlekuhlen gelegt und macht Mittagspause. Beneidenswert, meint Herminio Gomez Fuentes: Sie haben den ganzen Tag Ferien. Bis im Januar die Schlachtsaison beginnt.