Schweigend steht man vor dem Horizont

Mann am Strand
Es ist mehr als nur der Ort ungestörten Relaxens © picture alliance / dpa / Maurizio Gambarini
Von Holmar Attila Mück · 21.06.2014
Dorthin, wo der Kosmos sich mit glutrotem Atem unserem Planeten zu nähern scheint, gehen unsere Träume, dort siedeln wir bei aufkommender Dunkelheit unsere Hoffnungen an, hier hat die Sehnsucht ihren Ort. Das Meer. Vor seiner unermesslichen Weite stehen wir und werden still.
Es ist mehr als nur der Ort ungestörten Relaxens, sondern auch der Kontemplation; uns wird bewusst, an unserer Wiege zu stehen; das Meer ist das "Buch der Ewigkeit", das seine Geheimnisse nur zögernd zu offenbaren bereit ist. Es ist Anfang und Ende, Brücke und Grenze zugleich. Für Menschen, die auf Inseln, an den Küsten, am und vom Meer leben, ist es einfach nur Lebensraum, für die anderen mehr: ein Mythos, ein Geheimnis, eine Herausforderung.
Wer mit dem Meer lebt, erzählt darüber seine ganz persönlichen Geschichten: der Leuchtturmwärter auf Helgoland, der Meeresbiologe in Hamburg, der Maler, der Komponist, der Dichter, der Sammler maritimer Kostbarkeiten, der Fischer, der Seemann ... Ihre Biografien sind vom Meer auf sehr eigene, unterschiedliche Weise mitgeschrieben worden. Alle belegen: Jeder Versuch, das Meer zu "erfassen", misslingt. Es ist und bleibt ein wunderbar gestaltendes und zugleich zerstörendes Phänomen.

Auszug aus dem Manuskript:
"La mer" : Das sind alte in mir gespeicherten Bilder von Paris-Montmartre, die Stille an Heines letztem Haus, die einsamen Läufe an den Stränden der Normandie bei St-Laurent-sur -mer und Varreville, in Kriegskarten mit "Omaha Beach" und "Utah Beach" bezeichnet, sind noch immer nicht frei gewaschen vom Blut der jungen Marinesoldaten; am 6. Juni 1944 sind sie hier zu Tausenden gefallen; - das ist der herbstliche, stille Abendhimmel auf den Orkney-Inseln, das Gespräch auf der Mole von Stromness mit dem weisen Erzähler George Mackay Brown; der Sonnenaufgang auf der morschen Landungsbrücke von Swakopmund - wo einmal von deutsche Schiffen Waffen gegen die Hereros entladen wurden; das ist die Stunde am Pazifik, am Grab Nerudas, dem demütigen Anbeter des Meeres und der Liebe; und da ist der Abschied von Ithaka, der letzte Blick vom Heck auf das steinerne Antlitz Lord Byrons und dann der einzigartige Blick vom Tafelberg auf die wilde Umarmung beider Ozeane, die unruhige Suche nach den windzerfressenen Segeln des berühmten hier kreuzenden Geisterschiffes; die sturmgepeitschten irischen Steilküsten, die nebelverhüllten AranInseln… die dramatische Landung auf den Lofoten; das Panorama des mit Kriegsmüll verseuchte Hafens von Murmansk; die Todesangst bei Windstärke neun oder zehn am Nordkap, wo das Meer mit seinen meterhohen, schwarzen, tintenfarbenen Wellen nach allem Griff, was sich ihm in den Weg stellte. Das Meer duldet keinen Starrsinn. Es grollt nach Belieben, als wolle es sagen: Ich bin die Ur-Mutter! Der Anfang und das Ende! Ich bringe Ebbe und Flut, Leben und Tod!

Das und viele andere tiefe, unverblichene Bilder sind "La mer" für mich …u n d, ja natürlich, Rügen, die waldreiche Küste, der Nordstrand bei Göhren und nicht zuletzt auch das sich vor Jahrzehnten in einer warmen Sommernacht auf Hiddensee in Herz und Seele geschlichene Gefühl von Wärme, Trance und Geborgenheit.

Das war wie in der Geschichte von Benoite Groult - "Salz auf unserer Haut" -, die Liebesgeschichte zwischen der Pariser Studentin und einem bretonischen Fischer. Sie sehen sich, und es gibt nur einen Ort für die Zweisamkeit - das Meer.

Benoite Groult
Salz auf unserer Haut
Roman.
2003. -DROEMER/KNAUR-
FrankSchätzing
Der Schwarm.
Roman.
2004. -KIEPENHEUER & WITSCH-
Hans Albers:
La Paloma
(Lied aus dem Tonfilm "Große Freiheit Nr. 7"
(Melodie: Yradier, Bearbeitung: Werner Eisbrenner, Text: Helmut Käutner)

Ein Wind weht von Süd und zieht mich hinaus auf See,
mein Kind, sei nicht traurig, tut auch der Abschied weh.
Mein Herz geht an Bord und fort muss die Reise gehn,
dein Schmerz wird vergehn und schön wird das Wiedersehn.
Mich trägt die Sehnsucht fort in die blauer Ferne,
unter mir Meer und über mir Nacht und Sterne.
Vor mir die Welt, so treibt mich der Wind des Lebens,
wein' nicht, mein Kind, die Tränen, die sind vergebens.
Filmausschnitt: Hans Albers - La Paloma (YouTube)



Helgoland - Eine Insel außer Rand und Band
Helgoland Touristik
Auszug aus dem Manuskript:
Helgoland ist Deutschlands einzige Hochsee-Insel und liegt gut 70 Kilometer vor dem Festland. "Ungewöhnlich" nennt man seine Bewohner.
"Es sind Menschen", schreibt der unvergessene Insel-Arzt Dr. Kropatschek, "die mit ihrer fast verlorenen gegangenen Heimat auf beinahe geheimnisvolle Weise verbunden sind."
Zugegeben, Hiddensee ist mir vertrauter: Das kleine Buch: " Auf nach Hiddensee" - die Bohéme macht Urlaub", liegt auch in der Kiste.

Hörner Unda
Auf nach Hiddensee!
Die Boheme macht Urlaub.
2004. -EDITION EBERSBACH-

In der Ostsee! Die Insel Hiddensee ist der Insel Rügen vorgelagert und Teil des Nationalparks Vorpommersche Boddenlandschaft. Die autofreie Insel ist über Stralsund oder Schaprode (Rügen) zu erreichen. Von hier aus fahren mehrmals täglich Linien-Schiffe und zu jeder Tages- und Nachtzeit Wassertaxis nach Vitte.

Auszug aus dem Manuskript:
Sie machten Hiddensee, die Schöne in der Ostsee, zu einem Ort deutscher Kulturgeschichte. Reiseführer nannten sie "Helgoland des Ostens".
Der heimatlose, wohl auch traurigste Wanderer Joseph Roth blickte in die sanften Ostseewellen bei Kloster und schrieb, bevor er das Land für immer verließ:

Das Meer aber ist ewig, rein und unberührt
von dem kindischem und grausamen Spiel der
Menschen. Man sieht in die weite Unendlichkeit
aus Himmel und Wasser und vergisst. Der Wind,
der die Hakenkreuzfahne bläht, weiß nichts von
ihr. Die Welle, in der sie sich spiegelt, kann nichts
dafür, dass sie entweiht wird. So töricht sind
die Menschen, dass sie selbst im Anblick dieser
Ewigkeiten nicht erschauern.
(Joseph Roth)

Babaji, Unergründlich tief wie das Meer
108 Begegnungen.
Vorw. v. Maria G. Wosien.
Hrsg. v. Gertraud Reichel.
1992. -REICHEL-

Rainer Moritz
Und das Meer singt sein Lied
2004. -MAREBUCHVERLAG-

Wissenschaftliches Institut für Schifffahrts- und Marinegeschichte Peter Tamm
22605, Elbchaussee 277
Telefon 040/82 13 41,
Fax 822 63 00
Öffnungszeiten nach Vereinbarung
In einem historischen Haus an der Elbchaussee mit Blick auf die Elbe befindet sich die weltweit einzigartige private Sammlungs- und Forschungsstätte von Peter Tamm.


Auszug aus dem Manuskript:
"Eine Seefahrt, die ist lustig" und bleibt bei dieser Meinung bis Cuxhaven, wo Passagiere in Bataillonsstärke warten.

Die offene See! Die Elbe hat uns endlich ins Meer gespuckt. Der Kapitän weist auf Schiffe hin, die uns Steuer - oder Backbord passieren… Es beginnen die Sprints zu den Fenstern. Möwen werden gesichtet, die ausgeschlafenen Tauben.

Der Junge vor mir ist Helgoländer. Ich werde ihn später zwei, dreimal auf dem Oberland treffen.

Das Meer, das Bordleben interessieren ihn nicht. Er liest. Aber nicht irgend etwas - sondern James Krüss. Als ich Buchtitel und Autor erkennen, lege ich sogleich los:

Irgendwo ins grüne Meer
Hat ein Gott mit leichtem Pinsel,
Lächelnd, wie von ungefähr,
Einen Fleck getupft: Die Insel!
Und dann hat er, gutgelaunt,
Menschen diesem Fels gegeben
Und den Menschen zugeraunt:
Liebt die Welt und lebt das Leben!
(James Krüss)

Mein Lebens-ABC
Auf der Insel Helgoland
Bei viel Wasser, Wind und Sand
Centimeterkurz (kein Held)
Drang ich ein ins Licht der Welt
Erste Verse reimte ich
Früh schon friesisch - meist für mich
Gern fuhr ich kreuz und quer,
Hummer fangend mit aufs Meer,
Insulaner war ich hier,
Jedenfalls mit viel Pläsier,
Kam jedoch aufs Festland dann,
Lernte fleißig Lehrersmann,
Musste aber mit Gewehr,
Noch ein Jahr ins Kriegesheer,
Ohne Paß - der Krieg war aus -
Pilgerte ich dann nach Haus,
Querte Deutschland wochenlang,
Radelnd auch und mit Gesang.
Später, statt als Lehrersmann,
Trat ich dann als Dichter an.
Und was ich so schreib, gefällt
Vielen Kindern auf der Welt.

Wie erfreulich und wie nett!
X,
Ypsilon,
Zett.

Biografie: James Jacob Hinrich Krüss

James Krüss
Der Leuchtturm auf den Hummerklippen
4 Cassetten
240 Min.. Regie: Gottfried von Einem; Sprecher: Friedhelm Pfolz, Rolf Nagel u. a..
2002. -IGEL-RECORDS-

James Krüss
Timm Thaler oder Das verkaufte Lachen
Sonderausgabe
2001. -OETINGER-

Auszug aus dem Manuskript:
Von Helgoland nach Tanger, dem Tor vom Mittelmeer zum Ozean, ist es nur ein kurzer Blick über die Klippen nach Süden.


Ich folge dem Kutter, der sich vor den Dünen der Insel in die See hinausschiebt und schon sehe ich das Plateau von Tanger. Von hier aus, noch ganz benommen vom Taumel auf Kreta, blickte ich vor Jahren Tag um Tag hinüber nach Europa. Und wenn ich mich recht erinnere, empfand ich dabei weder Wehmut noch Sehnsucht.

Das Wort Sucht steckt in diesem schwarz-weißen Zweiklang! Das bedeutet hier am Mittelmeer Sucht nach Leben, Sehnen nach Erkenntnis.

Die Griechen und das Meer - das ist auch eine dreitausend Jahre alte Geschichte einer Hassliebe, denn sie besangen es, sie verdammten es und verehren es.
"Thalassa, Thalasssa - das Meer, das Meer! - "Der Lobgesang des Meeres"-!

Auszug aus dem Manuskript:
Der Pazifik! Der "Großen Ozean" ist sein zweiter Name, weil er ein Drittel des Globus ausfüllt und fast elf Kilometer tief ist.
Ich verbinde ihn stets auch mit Ernest Hemingway und Pablo Neruda!
Neruda, weil er der Erste war, der mir in seinen Gedichten etwas über ihn erzählte und bekannte: " Ich bin ein Liebhaber des Meeres. Ich betrachte das Meer mit größter Selbstlosigkeit, mit der des Ozeanographen, der die Oberfläche und die Tiefe kennt, der dabei kein literarisches Vergnügen, sondern als geni e-
ßerischer Kenner den Geschmack des Wals auf der Zunge hat.
Als ich zum ersten Mal vor dem Ozean stand, war ich überwältigt. Dort tobte zwischen hohen Bergen die Wut des großen Meeres…Donnergetöse eines kolossalen Herzens, das Beben des Universums."

Und Hemingway!? - Eines Tages hatte er mich in das kleine Boot des alten Fischers gesetzt, der schon vierundachtzig Tage hinausgefahren und ohne Fang heimgekehrt war. Auch dann, als Hand, Herz und Hirn zu einer Kraft gebündelt waren und er sich des Sieges gewiss war, muss er am Ende doch wieder scheitern. Eine ganze Nacht war ich an der Seite dieses genügsamen, wortkargen kubanischen Fischers und schlief erst ein, als auch er sich auf seine Lagerstatt in der ärmlichen Hütte zur Ruhe gelegt und sich geschworen hatte, morgen wieder hinauszufahren.

Dieser ewige Kampf "Mensch gegen Meer" - "David gegen Goliath" - hatte mich, ganz anders als bei Conrad, in seiner ergreifenden Stille und Tiefe überwältigt; diese Geschichte ist eine griechische Tragödie, das ist homerische Epik, eine Hymne auf die Allmacht der Natur, eine Hymne auf den Menschen, der diese Gewalt wohl respektiert, aber immer aufs Neue zu bezwingen sucht.

Ernest Hemingway
Der alte Mann und das Meer
Aus d. Amerikan. v. Annemarie Horschitz-Horst.
Bibliothek Suhrkamp Bd.214.
2003. -SUHRKAMP-

Herman Melville
Moby Dick
Roman.
Aus d. Amerikan. übers. v. Fritz Güttinger.
2004. -MANESSE-

Jürgen Rath
Schiffszwieback, Pökelfleisch und Koje
Seemannsleben an Bord.
2004. -KOEHLERS VERLAGSGES.-

Im 16. Jahrhundert wäre die berühmte erste Weltumseglung durch Ferdinand Magellan fast an einer Meuterei gescheitert. Seine fünf Schiffe lagen in den Kalmen vor der brasilianischen Küste. Die Mannschaft war hungrig, hatte Heimweh und teilte in keiner Weise den Entdeckungseifer ihres Kommandanten. Somit waren sie von den Offizieren, die ihm die Befehlsgewalt entreißen wollten, leicht für ihr Vorhaben zu gewinnen. Magellan schlug den Aufstand mit Gewalt nieder.

William Bligh, George Hamilton
Meuterei auf der Bounty
Die Piratenjagd der Pandora 1787-1792
Neu hrsg. u. bearb. v. Hermann Homann.
Alte Abenteuerliche Reiseberichte. Nachdr.
2002. -EDITION ERDMANN-

Caroline Alexander
Die Bounty
Die wahre Geschichte der Meuterei auf der Bounty
2004. -BERLIN VERLAG-

Einer der meuternden Offiziere wurde erstochen, ein anderer geköpft. Seinen Erzrivalen Juan de Cartagena setzte er auf einer einsamen Insel aus, die wenig Gastlichkeit bot.
Witz des Schicksals: Der von Magellan begnadigte Meuterer Juan Sebastian del Cano führte, nach er verstorben war, die Weltumseglung zu Ende und kehrte als einzige der Flotte nach Spanien zurück.

50 Klassiker
Schiffe
Von der Arche Noah bis zur Cap Anamur.
Dargest. v. Lutz Bunk. Gerstenberg visuell, 50 Klassiker.
2004. -GERSTENBERG-

Wenn keiner ihm zusieht,
ist es kein Meer, das Meer.
Es ist, was auch wir sind,
sieht kein Aug´ zu uns her.
Es hat andere Fische und Wellen,
Es ist das Meer um des Meeres willen.
Und um jener willen, die von ihm träumen
Wie ich hier, heute.
(Jules Superville)
Dampfschlepper Claus D. auf der Elbe im Hamburger Hafen
Dampfschlepper Claus D. auf der Elbe im Hamburger Hafen© Stefan Lampe
Fischerboot auf Mallorca
Fischerboot auf Mallorca© dradio.de/Andreas Lemke
Die "Hansa Constitution" ist das letzte in der Vulkan-Werft gebaute Schiff.
Die "Hansa Constitution" ist das letzte in der Vulkan-Werft gebaute Schiff.© AP
Strand auf Mallorca
Strand auf Mallorca© dradio.de/Andreas Lemke
Musikliste

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Möwe du fliegst in die Heimat
Rudi Schuricke
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Charles Trenet

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Fahr mich hinaus
Koren, Milan
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Theme
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Inkuyo
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Echoes of Incas
Joaquin Rodrigo

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Inti Illimani