Schwedischer Rundfunkchor mit Großwerk von Frank Martin

"Le vin herbé" - die alte Geschichte von Tristan und Isolde

Tristan und Isolde: Die Szene mit dem Liebestrank, der eigentlich für König Mark bestimmt war, dargestellt auf einem Glasfenster des Designers Dante G. William Morris in Yorkshire, aufgenommen am 1.1.2011.
Szene aus "Tristan und Isolde" (hier dargestellt auf einem Glasfenster in Yorkshire) © imago / United Archives
Moderation: Ruth Jarre · 08.06.2018
Bitte nutzen Sie unseren Recorder. Frank Martin schuf mit seinen mystischen Klangwelten in den 40er-Jahren einen Gegenentwurf zu Richard Wagners "Tristan und Isolde". Das Geschehen wird als Passion erzählt und erinnert so an jene Zeit, in der die tragisch-schöne Geschichte zum ersten Mal erzählt wurde.
Der Schwedische Rundfunkchor hatte am 1. Juni die tragisch schöne Geschichte um Tristan und Isolde im Programm, unter der Leitung ihres langjährigen Chordirektors Peter Dijkstra. Die Geschichte geht auf eine irische Sage zurück, die schon im zwölften Jahrhundert Verbreitung in ganz Europa fand.

Martins erste Berührung mit dem Stoff

Im Frühjahr 1938 las Frank Martin zum Zeitvertreib den Roman "Tristan et Iseut" von Joseph Bédier, der gut 30 Jahre nach Wagners Uraufführung der großen romantischen Oper erschienen war. Bédier erzählt in 15 Kapiteln die Geschichte um den Zaubertrank, der fälschlicherweise von Tristan und Isolde getrunken wird und in eine unlösbare Liebe treibt. Bédier studierte für sein Werk die alten Quellen, um so nah wie möglich ans Original zu kommen. Ein klares Zeichen gegen die überromantisierenden Auslegungen des Stoffes.

Vom Zaubertrank gefangen

Der Komponist erhielt 1939 einen Kompositionsauftrag vom Züricher Madrigalchor, ein 30-minütiges Werk für 12 Stimmen und kleines Instrumentalensemble zu schreiben. Der Rahmen sollte einer Kantate oder einer Chorpassion entsprechen. Martin greift daraufhin zum vierten Kapitel des eben gelesenen Romans, das mit "Der Zaubertrank" überschrieben ist. Der altertümliche Sprachduktus, der hier vorlag, übernahm Martin und formte daraus ein Passions-artiges Geschehen. Der Chor erhielt die Passage des Erzählers, aus dem Chor heraus agierten die Hauptcharaktere: Isot (Isolde), Isots Mutter, Isots Dienerin Brangäne und Tristan.

Weg von Wagner

Musikalisch entromantisiert Martin sein Werk. Unter anderem greift er zum Mittel der Zwölftontechnik, einer komplizierten, fast mathematischen Art des Komponierens, die er nutzt, um mystisches Schweben in der Musik zu erreichen. Er sucht keine großflächige Prachtmusik wie bei Wagner, sondern fand eine Musiksprache, die als neogotische, schlanke Feinzeichnung empfunden wird.

Zu klein!

Nach der Uraufführung entschied Martin, dass dieser Stoff eine größere Dimension verdiene und erweiterte sein Werk zu einer abendfüllenden Version. Weitere Kapitel der Romanvorlage wurden herangezogen, musikalisch erweiterte Martin die Chor- und Solistenpassagen um Prolog und Epilog.
Ebenso wurden die wichtigen Rollen nicht mehr aus dem Chor heraus besetzt, sondern als Solopartie gestaltet. Am Ende bezeichnetet Martin sein neues "Le Vin Herbé" als weltliches Oratorium. Dabei schloss er eine szenische Aufführung nicht aus. Uraufgeführt wurde die große Version 1942 in Zürich, die erste szenische Aufführung fand 1948 im Rahmen der Salzburger Festspiele statt.
Aufzeichnung des Konzertes vom 01.06.2018 in den Berwaldhallen in Stockholm
Frank Martin
"Le vin herbé"
Oratorium für Soli, Chor, Streicher und Klavier

Johanna Winkel, Sopran
Marcel Reijans, Counterrenor
Love Derwinger, Klavier
Schwedischer Rundfunkchor
Mitglieder des Schwedischen Rundfunksinfonieorchesters
Leitung: Peter Dijkstra