"Schwarzwasser" von Elfriede Jelinek

Politiker im dionysischen Machtrausch

Christine Scheucher im Gespräch mit Axel Rahmlow · 06.02.2020
Die Ibiza-Affäre sorgte 2019 für einen Skandal, der die österreichische Bundesregierung stürzte. Jetzt hat Elfriede Jelinek die Ereignisse zum Stück "Schwarzwasser" verarbeitet. Es bedient sich auch bei einem Klassiker von Euripides.
Vor nicht einmal einem Jahr brachte die Ibiza-Affäre Österreichs Regierung zu Fall. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) trat zurück, die Regierung kam zu Fall, es gab Neuwahlen. Heute heißt der Bundeskanzler wieder Sebastian Kurz. Die Geschichte hat Literaturnobelpreisträgerin Elfriede Jelinek zu einem Bühnenstück inspiriert: "Schwarzwasser" feiert am Burgtheater Premiere. Regie führt Robert Borgmann.
Regisseur und Autorin versuchten, das "sehr banale tagespolitische Geschehen auf eine universelle Ebene zu hieven", sagt Christine Scheucher, Kultur- und Literaturredakteurin beim ORF. Das Geschehen verbindet Jelinek mit Euripides‘ "Die Bakchen", eine griechische Tragödie, die von Entgrenzung im dionysischen Rausch handelt. "Und der Rausch hat auch bei diesem Politskandal eine gewisse Rolle gespielt", sagt Scheucher.
In den Bakchen sucht der Gott Dionysos Theben heim, versetzt die Frauen in einen Zustand rauschhafter Raserei und bringt sie dazu, Pentheus, den König von Theben, bei lebendigem Leib zu zerreißen.

Politik der Affekte verführt die Massen

Jelinek stampfe die Tragödie aufs "mediale Kleinformat" ein: "Das Ibiza-Video wäre das große dionysische Fest in der Schwundstufe einer banalen Video-Überwachungs-Situation", sagt Scheucher.
Im Stück spiele auch Sebastian Kurz eine Rolle. Im Vorspiel sei er ein Strahlemann, der messianische und rechtspopulistischer Verführer, der den besoffenen dionysischen Strache opfert, um sich selbst Vorteile zu verschaffen, und dann als Gewinner hervorgehe.
"Im Wesentlichen geht es um die rechtspopulistische Politik der Affekte, die Massen verführt und in einen Zustand der Raserei treibt, die letztlich in einem Gewaltexzess münden muss", so Scheucher.
(leg)

Elfriede Jelinek: "Schwarzwasser"Regie: Robert Borgmann
Akademietheater (Burgtheater) in Wien
ab 6. Februar 2020

Mehr zum Thema