Schwarzrost - eine Pflanzenseuche kehrt zurück

20.01.2008
Puccinia - nein, das ist keine italienische Komponistin vom Stamme Giacomo Puccinis, sondern ein Pilz: Der Erreger einer Weizenkrankheit namens Schwarzrost. Ein Befall ist erkennbar an orangeroten, später schwarzen Pusteln an Stängeln, Blättern oder Ähren. Der Schwarzrost, der als besiegt galt, kehrt zurück und bedroht erneut die Ernten.
Ist das eine neue Gefahr für unser täglich Brot? Nein, nicht direkt. Aber nichtsdestotrotz ungefährlich ist der Pilz nicht. Die Gefährlichkeit des Erregers lässt sich auch daran ersehen, dass sowohl die USA als auch die UdSSR während des Kalten Krieges den Erreger als biologische Waffe bereithielten. Bis in die Mitte des letzten Jahrhunderts hat der Pilz alle paar Jahre massive Ernteausfälle von bis zu 90 Prozent verursacht. Die letzte Katastrophe dieser Art geschah 1954 in den USA. Erst als es dem Agrarwissenschaftler Norman Borlaug gelang resistente Weizensorten zu züchten, war das Thema zu Ende. Borlaugs Sorten waren der Grundstein der "Grünen Revolution", ein Segen vor allem für die Dritte Welt, weil Pflanzenschutzmittel damals noch zu teuer waren. Dafür erhielt Borlaug 1970 sogar den Friedensnobelpreis.

Nun scheint es ja mit dem Frieden auf den Äckern vorbei zu sein. Was ist passiert? 1999 war es dem Pilz offenbar erstmals gelungen, mehrere Resistenzgene von Borlaugs Züchtungen gleichzeitig auszuschalten. Die ersten Ernteausfälle wurden in Uganda gemeldet. Von dort verbreitete sich der aggressive Erreger mit dem Wind von Afrika über das Rote Meer in den Jemen. Nun wird er - einfach aufgrund der Windverhältnisse und der Virulenz des Erregers - in der Kornkammer Indiens erwartet. Zudem haben sich auch die üblichen Gerstensorten als anfällig erwiesen.

Das ist ziemlich weit weg, ist unsere Landwirtschaft auch bedroht? Schon allein durch den globalen Getreidehandel ist eine Einschleppung nur eine Frage der Zeit. Aber unabhängig davon: Getreide wird das ganze Jahr über rund um den Globus geerntet. Die jeweiligen Getreidevorräte in den Lagern decken gerade mal den Weltbedarf von zwei, drei Monaten. Ein massiver Ernteausfall hat natürlich auch für uns Auswirkungen. Gleichgültig, ob der Erreger vor unserer Haustüre auftaucht oder sich in Australien ausbreitet. Sporen verbreiteten sich mit dem Wind sehr schnell und auch von Kontinent zu Kontinent. Deutsche Weizenzüchter haben Versuchsfelder nicht umsonst an den nach Westen gerichteten Anhöhen der Schwäbischen Alb, weil dort die Weizenkrankheiten aus dem Pariser Becken innerhalb von zwei Tagen per Luftpost ankommen.

Was wird dagegen unternommen? Die Suche nach Resistenzgenen wird von Mexiko aus organisiert. Die meisten Freiland-Versuche wiederum finden in Uganda statt. Inzwischen ist es dort gelungen, eine Sorte ausfindig zu machen, die stabil ist. Jedes verfügbare Korn wurde einzeln angebaut, gehegt und gepflegt. Auf diesem Wege sind im ersten Jahr 15 Kilo Saatgut erzeugt worden. Mittlerweile spricht man von einigen Tonnen.

Das Problem ist also so gut wie gelöst? Noch lange nicht. Denn erstens kann mit ein paar Tonnen Saatgut nicht die Menschheit ernähren. Resistente Sorten haben meist minimale Erträge. Ihre Resistenzgene müssen erst auf unsere Hochleistungssorten übertragen werden. Jedes Klima, jeder Boden, jedes Ökosystem braucht andere Varietäten. Dann muss dieses Saatgut wiederum über Jahre vermehrt werden, bevor es zum Brotgetreideanbau reicht. Man kann sich unschwer vorstellen, was es bedeutet, wenn das Brotgetreide knapp wird, weil ein Drittel der Welternte fehlt. Preissteigerungen um den Faktor 10 und mehr wären dann nichts Ungewöhnliches.

Fazit: Es ist notwendig, die Entwicklung von Pflanzenkrankheiten genau zu beobachten und im Falle von Grundnahrungsmitteln auch schnell auf internationaler Ebene zu handeln. Egal mit welcher Technik wir unsere Nutzpflanzen – ob mit Pestiziden, mit Züchtung oder Kulturtechniken – vor Schadorganismen schützen, eines schönen Tages taucht ein neuer Schädling auf, dem es gelungen ist, die Abwehrlinien zu überwinden. Und dann beginnt der Wettlauf von vorn. Das ist das Wesen der Evolution. Jede Generation muss sich dieser Herausforderung stellen und kann sich nicht auf das bisher Erreichte verlassen.

Literatur:
Deus-Neumann B: Schwarzrost bedroht den Weizenanbau. Naturwissenschaftliche Rundschau 2007; 60: 601-602
World Bank: World Development Report 2008: Agriculture for Development. Washington 2007