Schwarzgelber Fehlstart
Es klingt nach einem großen Schritt: Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat in dieser Woche tatsächlich Entscheidungen getroffen. Am Freitag hat die Mehrheit aus CDU, CSU und FDP das Wachstumsbeschleunigungsgesetz durch den Bundestag gebracht. Am Donnerstag verabschiedete das Parlament zudem noch drei wichtige Mandate für Auslandseinsätze der Bundeswehr. Es geht doch, könnte man sagen.
Leider trügt der Eindruck. In Wahrheit setzen sich drei Trends fort, die den Start der schwarzgelben Regierung von Anfang an geprägt haben: Erstens werden wichtige Entscheidungen einfach vertagt. Zweitens werden finanzielle Wechsel auf die Zukunft ausgestellt. Und drittens werden sinnvolle Reformen mit einer dreisten Klientelpolitik verknüpft.
Das gilt auch für das Wachstumsbeschleunigungsgesetz: Sicher, es ist gut, dass das Paket eine steuerliche Entlastung etwa für Familien vorsieht. Aber der Sieg im Bundestag bedeutet für den Bürger noch lange nicht, dass die Entlastung am 1. Januar auch kommen wird. Denn die Bundesregierung hat ein Geschäft zulasten Dritter gemacht. Von den geplanten 8,5 Mrd. Euro Steuerausfällen trägt der Bund nur gut die Hälfte. 2,3 Milliarden Euro müssen die Länder beisteuern, 1,57 Milliarden die Gemeinden. Deshalb muss nun bis zum Bundesratsvotum am 18. Dezember weiterverhandelt werden. Etliche Bundesländer, darunter das schwarzgelb regierte Schleswig-Holstein dringen auf Entlastung an anderer Stelle.
Und fast wünscht man sich trotz einiger sinnvollen Elemente im Paket, dass Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hart bleiben würde. Denn die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Hoteliers von 19 auf sieben Prozent ist Unsinn. Mehr als eine Milliarde an Steuereinnahmen jährlich wird geopfert, damit CSU und FDP reine Klientelpolitik betreiben können. Die Maßnahme senkt weder die Übernachtungspreise noch kurbelt sie Investitionen an - sie füllt allein die Taschen eines Teils der eigenen Wählerschaft.
Umstritten sind auch die Entscheidungen zu den Auslandseinsätzen. Der Einsatz der Bundesmarine vor der Küste Libanons ist um ein halbes Jahr verlängert worden – aber die wahre Debatte über einen deutschen Ausstieg aus der Mission wurde auf 2010 vertagt. Das ISAF-Mandat für Afghanistan wiederum ist um ein ganzes Jahr verlängert worden – dabei wissen alle, dass auch Deutschland Ende Januar die Zahl der Bundeswehrsoldaten vermutlich genauso aufstocken wird wie andere NATO-Partner. Dann muss ein neues Mandat her.
Wirklich überzeugend wirkt dies leider alles nicht. Und Besserung ist nicht abzusehen: Die kommenden Monate werden erst vom Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen und dann von Debatten zwischen Union und FDP über den weiteren Kurs bestimmt sein. In Wahrheit werden die zunächst im Eiltempo abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen bis 2011 fortgesetzt. Denn das politische Wunschbündnis wollte einen schnellen Start hinlegen. Der Preis ist, dass Grundsatzentscheidungen etwa in der Gesundheits- und Steuerpolitik einfach vertagt werden mussten.
Um fair zu sein: Der Streit mit den Bundesländern ist Teil des normalen politischen Spiels. Auch schwarzgelbe Regierungen in Bund und Ländern haben eben nicht unbedingt dieselben Interessen. Aber das ändert nichts daran, dass in Deutschland sehr schnell nach der Bundestagswahl ein Aufbruchgefühl abhandengekommen ist – zu schnell.
Auch mit der massiven Verjüngung des Kabinetts kann Kanzlerin Angela Merkel diesen Eindruck nicht korrigieren. Zum einen handelt es sich bei der Ernennung der neuen Familienministerin um eine Notoperation. Zum anderen sind nette junge Gesichter noch keine Garantie für eine überzeugende Politik.
Zwei Dinge mögen Merkel derzeit noch trösten: So enttäuscht die Mehrheit der Bürger auch vom schwarzgelben Stolperstart sein mag. Eine echte Alternative ist derzeit nicht absehbar. Die Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei ist kein fester Angriffblock. Es wird Jahre dauern, bevor sich die Sozialdemokraten wieder gefangen haben.
Trost gibt es in der Vorweihnachtszeit auch für die Kanzlerin persönlich. Offenbar wird sie in den USA und Europa immer beliebter. Einer neuen Umfrage zufolge liegt sie nun in der Sympathieskala bereits auf Platz drei – knapp hinter US-Präsident Barack Obama und dem Dalai Lama.
Allzu lange sollte sich die Kanzlerin von solchen Umfragen aber nicht aufheitern lassen. Auch Schröders zweite Amtszeit hatte einen chaotischen Start, der dann das Image seiner Regierung trotz der folgenden "Agenda 2010"-Reformen prägte. Ein Fehlstart verwandelt Politiker oft in Getriebene, weil sie nur noch mit Korrekturarbeiten beschäftigt sind. Und es wäre nicht das erste Mal, dass Politiker im Ausland zu einem Zeitpunkt populärer werden, wenn sie ihren Zenit zu Hause bereits überschritten haben.
Das gilt auch für das Wachstumsbeschleunigungsgesetz: Sicher, es ist gut, dass das Paket eine steuerliche Entlastung etwa für Familien vorsieht. Aber der Sieg im Bundestag bedeutet für den Bürger noch lange nicht, dass die Entlastung am 1. Januar auch kommen wird. Denn die Bundesregierung hat ein Geschäft zulasten Dritter gemacht. Von den geplanten 8,5 Mrd. Euro Steuerausfällen trägt der Bund nur gut die Hälfte. 2,3 Milliarden Euro müssen die Länder beisteuern, 1,57 Milliarden die Gemeinden. Deshalb muss nun bis zum Bundesratsvotum am 18. Dezember weiterverhandelt werden. Etliche Bundesländer, darunter das schwarzgelb regierte Schleswig-Holstein dringen auf Entlastung an anderer Stelle.
Und fast wünscht man sich trotz einiger sinnvollen Elemente im Paket, dass Ministerpräsident Peter Harry Carstensen hart bleiben würde. Denn die Absenkung des Mehrwertsteuersatzes für Hoteliers von 19 auf sieben Prozent ist Unsinn. Mehr als eine Milliarde an Steuereinnahmen jährlich wird geopfert, damit CSU und FDP reine Klientelpolitik betreiben können. Die Maßnahme senkt weder die Übernachtungspreise noch kurbelt sie Investitionen an - sie füllt allein die Taschen eines Teils der eigenen Wählerschaft.
Umstritten sind auch die Entscheidungen zu den Auslandseinsätzen. Der Einsatz der Bundesmarine vor der Küste Libanons ist um ein halbes Jahr verlängert worden – aber die wahre Debatte über einen deutschen Ausstieg aus der Mission wurde auf 2010 vertagt. Das ISAF-Mandat für Afghanistan wiederum ist um ein ganzes Jahr verlängert worden – dabei wissen alle, dass auch Deutschland Ende Januar die Zahl der Bundeswehrsoldaten vermutlich genauso aufstocken wird wie andere NATO-Partner. Dann muss ein neues Mandat her.
Wirklich überzeugend wirkt dies leider alles nicht. Und Besserung ist nicht abzusehen: Die kommenden Monate werden erst vom Landtagswahlkampf in Nordrhein-Westfalen und dann von Debatten zwischen Union und FDP über den weiteren Kurs bestimmt sein. In Wahrheit werden die zunächst im Eiltempo abgeschlossenen Koalitionsverhandlungen bis 2011 fortgesetzt. Denn das politische Wunschbündnis wollte einen schnellen Start hinlegen. Der Preis ist, dass Grundsatzentscheidungen etwa in der Gesundheits- und Steuerpolitik einfach vertagt werden mussten.
Um fair zu sein: Der Streit mit den Bundesländern ist Teil des normalen politischen Spiels. Auch schwarzgelbe Regierungen in Bund und Ländern haben eben nicht unbedingt dieselben Interessen. Aber das ändert nichts daran, dass in Deutschland sehr schnell nach der Bundestagswahl ein Aufbruchgefühl abhandengekommen ist – zu schnell.
Auch mit der massiven Verjüngung des Kabinetts kann Kanzlerin Angela Merkel diesen Eindruck nicht korrigieren. Zum einen handelt es sich bei der Ernennung der neuen Familienministerin um eine Notoperation. Zum anderen sind nette junge Gesichter noch keine Garantie für eine überzeugende Politik.
Zwei Dinge mögen Merkel derzeit noch trösten: So enttäuscht die Mehrheit der Bürger auch vom schwarzgelben Stolperstart sein mag. Eine echte Alternative ist derzeit nicht absehbar. Die Opposition aus SPD, Grünen und Linkspartei ist kein fester Angriffblock. Es wird Jahre dauern, bevor sich die Sozialdemokraten wieder gefangen haben.
Trost gibt es in der Vorweihnachtszeit auch für die Kanzlerin persönlich. Offenbar wird sie in den USA und Europa immer beliebter. Einer neuen Umfrage zufolge liegt sie nun in der Sympathieskala bereits auf Platz drei – knapp hinter US-Präsident Barack Obama und dem Dalai Lama.
Allzu lange sollte sich die Kanzlerin von solchen Umfragen aber nicht aufheitern lassen. Auch Schröders zweite Amtszeit hatte einen chaotischen Start, der dann das Image seiner Regierung trotz der folgenden "Agenda 2010"-Reformen prägte. Ein Fehlstart verwandelt Politiker oft in Getriebene, weil sie nur noch mit Korrekturarbeiten beschäftigt sind. Und es wäre nicht das erste Mal, dass Politiker im Ausland zu einem Zeitpunkt populärer werden, wenn sie ihren Zenit zu Hause bereits überschritten haben.