Schwarzer Humor im Museum Ludwig

Von Ulrike Gondorf · 14.08.2008
Der 40-jährige David Shrigley ist vor allem als Zeichner bekannt geworden. Seine Künstlerbücher mit schwarz-weißen Strichzeichnungen, die cartoonartig und oft mit eingestreuten Texten Rätsel aufgeben und irgendwie auch zum Schmunzeln bringen, haben dem britischen Künstler zum Durchbruch verholfen. Im Kölner Museum Ludwig zeigt er nun Druckkunst hinter Glas und Rahmen: Monotypien - also gedruckte Blätter, die nur in einem einzigen Exemplar existieren.
Was ist denn das für eine Begrüßung? Ein knallrotes Monster, halb Tier, halb Troll, starrt einem mit weit geöffneten Augen entgegen und reißt das Maul auf. Schwarz gähnt es wie ein Höllenschlund, bewehrt mit zwei Reihen spitzer langer Zähne. Unverdächtig dagegen der Schriftzug, der dieses Schreckbild einrahmt: Good Evening.

Kein Zweifel, die Stimmung in diesem Ausstellungsraum im Museum Ludwig ist "very british". Schwarzer Humor, ironische Sprachspielereien, lakonischer Witz. David Shrigley hat die Wände mit seinen stark farbigen und großformatigen Monotypien bestückt, in ein paar Vitrinen in der Mitte sind noch plastische Arbeiten zu sehen. Um die kleine Werkschau des Künstlers abzurunden, zeigt das Museum im Rahmenprogramm noch Animationsfilme. Und stellt seine Musik vor: In einem großen CD-Projekt haben im letzten Jahr 39 verschiedene Bands Texte von Shrigley vertont.

Wer das weiß, erkennt quasi musikalische Züge auch im Rhythmus der Formen, den Farbklängen und der Spannung von Motiv und Bildraum in Shrigleys Monotypien. In den letzten Jahren hat er dieses Medium für sich entdeckt. Ausgangspunkt seiner Arbeit ist die Zeichnung.

"Ich arbeite sehr intuitiv. Ich weiß gar nicht, woher diese Bilder eigentlich kommen, sie entstehen so ähnlich wie Telefonkritzeleien."

Diese Spontaneität strahlen auch die Monotypien aus. Viele Drucke erinnern an psychoanalytische Versuche beim Rohrschach-Test: Auf einem Blatt wird nach dem Zufallsprinzip Farbe aufgetragen, dann wird es zusammengefaltet und die so entstandene Figur bietet Assoziationsmaterial für ein therapeutisches Gespräch. Bei Shrigley sieht man zwei spiegelbildlich an den Schädeln zusammengewachsene Kraken mit runden Köpfen und langen Armen, oder zwei Spinnen, deren dünne Beinchen sich ineinander verhakeln. Oder ein nebelgraues amorphes Gebilde, das aus einer Tintenflasche aufsteigt, sich zu einem knollennasigen Kobold mit wehendem Mäntelchen zu materialisieren scheint. Als hätte E.T.A. Hoffmann, der Erzähler phantastischer, surrealer Geschichten ihn erfunden.

"Ich arbeite sehr schnell und folge nur meinem Gefühl. Auch die Entscheidung, dass ich ein Blatt gelten lasse und es nicht in den Papierkorb werfe, treffe ich ganz intuitiv. Irgendwas gefällt mir daran, ich kann es gar nicht genau sagen, aber ich weiß: das ist es."

Eine große Lockerheit und Frische zeichnet diese Arbeiten aus. Manche erinnern noch stark an Cartoons – ein Genre, in dem sich David Shrigley nach seiner Ausbildung versucht hat, weil er glaubte, sich in der freien Kunst nicht gleich durchsetzen zu können. Das schlug fehl. Der Erfolg stellte sich erst ein, als er seine Notizbücher, in denen er bis heute zeichnerisch Tagebuch führt, ohne alle kommerziell orientierten Überarbeitungen veröffentlichte. Dass er die pointierte Zuspitzung des Karikaturisten beherrscht, zeigt zum Beispiel ein Blatt, auf dem ein rotes, kopffüßiges Männlein erschrocken seine überlangen Arme in die Höhe reißt. Es starrt in die Mündung einer schwarzen Pistole, die aus dem leeren Raum und völlig verselbständigt auf ihr Opfer zielt. Viele weltpolitische Begebenheiten könnten zu ganz unterschiedlichen Textzeilen zu diesem Bild animieren.

"Ich möchte selbst überrascht werden und experimentiere deshalb."

Vor zwei Jahren entdeckte er das Verfahren der Monotypie für sich. Er arbeitet mit Plexiglas-Platten und Druckfarben, die er meist ungemischt verwendet. Und es gibt von jeder Platte nur einen einzigen Abzug, jeder Druck ist ein Unikat, ein Original. Der irgendwie absurd anmutende Gebrauch, den der Künstler hier von der auf Vervielfältigung eines Motivs zielenden Drucktechnik macht, stimmt natürlich perfekt mit dem skurrilen Inhalt der Blätter überein. Außerdem schätzt Shrigley die Mitwirkung des Zufalls und das Eigenleben von Farbe und Form während des Druckvorgangs.

"Das Schöne an dieser Technik ist, dass es so viele Unwägbarkeiten gibt. Man weiß nie, was herauskommt, wenn man auf die Druckplatte zeichnet; wie das aussehen wird, wenn es gedruckt ist. Manchmal stimmt es überhaupt nicht mit den Erwartungen überein: was viel versprechend aussah, wird nichts – und umgekehrt. Mir gefallen die kleinen Fehler und unkontrollierten Spuren, die zu diesem Prozess dazugehören."

Sehr malerisch sehen Shrigleys Drucke aus, überall ist die Struktur des Pinsels zu sehen. Und bei aller Einfachheit und scheinbaren Flüchtigkeit enthalten sie viele irritierende Details, die den Betrachter beschäftigen. Vor allem im dialektischen Zusammenspiel von Text und Bild, das Shrigley immer wieder zu seinem Thema macht. "No good will come of it", steht in riesigen Lettern auf einem Blatt. Und zwei Augen mit roten Pupillen fixieren einen aus dem Doppel-o heraus "Daraus wird nichts Gutes"? Mit ihren hintersinnigen Bildrätseln lädt die Ausstellung im Museum Ludwig dazu ein, dieser Behauptung zu widersprechen.

Service: David Shrigley, Monotypien
Köln, Museum Ludwig
15.8. bis 9.11.08
www.museum-ludwig.de