Schwarze US-Musiker in der Offensive

Black Pop mit politischer Sprengkraft

Rapper Kendrick Lamar bei seinem Auftritt bei den 58. Grammys am 15.2.2016 in Los Angeles.
Furioser Auftritt bei den 58. Grammys: der Rapper Kendrick Lamar © ROBYN BECK / AFP
Von Klaus Walter · 18.02.2016
Super Bowl und Grammys sind Top-Quotenbringer im US-Fernsehen. Zwei afroamerikanische Künstler nutzten jetzt diese Plattform. Die Pop-Ikone Beyoncé und der Starrapper Kendrick Lamar sendeten kraftvolle politische Statements an das Millionenpublikum.
Binnen weniger Tage erleben die USA zwei spektakuläre Auftritte von afroamerikanischen Pop-Stars, zwei Auftritte mit politischer Sprengkraft. Beim Super Bowl präsentiert Beyoncé ihren neuen Song "Formation". Ihre Tänzerinnen tragen schwarze Lederjacke und Barett, die Uniform der Black Panther Party. Sie posieren mit geballter Faust und einem Schild: Auf dem steht: "Gerechtigkeit für Mario Woods". Der junge Afroamerikaner wurde im Dezember in San Francisco von der Polizei erschossen, durchlöchert von 20 Pistolenkugeln.
Beyoncé beruft sich auf Black Lives Matter
Ein weiterer Fall in einer schier endlosen Serie von tödlicher Polizei-Gewalt gegen Afroamerikaner. Gegen diese "schwarze Serie" der Polizei hat sich in den USA eine Bewegung formiert: Black Lives Matter – schwarze Leben zählen. Auch Beyoncé beruft sich bei ihrem Super Bowl-Auftritt auf diese Bewegung. Und bekommt Gegenwind von einem prominenten weißen Politiker und Polizei-Verteidiger, Beyoncé habe diese Plattform missbraucht:
"As a platform to attack people who put their lives at risk to save us."
Um Leute zu attackieren, die ihr Leben riskieren, um uns zu beschützen, sagt Rudolph Giuliani: Weißer Republikaner, berühmt geworden als Bürgermeister von New York und Verfechter von Zero Tolerance. Null Toleranz gegen Gesetzesbrecher jeder Art. Wenn ein weißer Politiker einen schwarzen Superstar so offen kritisiert, dann ist klar: Das Klima in den USA wird rauer. Und noch ein bisschen rauer als beim Super Bowl geht es eine Woche später bei den Grammys zu:
"Ich bin der Bodensatz der Menschheit.
Meine Haare sind kraus,
mein Schwanz ist groß,
meine Nase ist rund und breit.
Ihr hasst mich, nicht wahr?

Ihr hasst mein Volk,
ihr wollt unsere Kultur auslöschen."
"The Blacker the Berry": Damit beginnt Kendrick Lamar seine Show bei den Grammys. Mehr eine Kriegserklärung als eine freundliche Begrüßung. Der schwarze Rapper und seine Crew performen in Häftlingsklamotten hinter Gefängnisgittern oder aneinandergekettet wie zur Zeit der Sklaverei die Chain Gangs auf den Plantagen. Fünf Grammys hat Kendrick Lamar bekommen für sein Album "To Pimp A Butterfly". Allerdings nicht in der Königsdisziplin: Der Grammy für das beste Album des Jahres ging an Taylor Swift. Für Lamar bleibt der Song des Jahres.
Ein Evangelist der Black Power
"Niggas gonna be alright", Kendrick Lamar bei den Grammys mit dem Song des Jahres. Im Hintergrund erinnert ein riesiges Leuchtfeuer an die Verbrechen des Ku-Klux-Klan. "Niggas gonna be alright" ist die Hymne der Bewegung "Black Lives Matter". Im Video wird Kendrick Lamar von einem weißen Polizisten abgeschossen – ein Albtraum. Am Ende wacht er auf, mit einem Lächeln auf den Lippen. Nach seinem furiosen 6-Minuten-Auftritt steht Lamar im Dunkeln, hinter sich der Grundriss des afrikanischen Kontinents. Das Publikum bei den Grammys tobt, es gibt Standing Ovations. Nach dieser Show versteht man die "New York Times". Die nannte Kendrick Lamar einen "Evangelisten der Black Power". Auch der Präsident gratuliert:
"Kendrick Lamar arbeitet für eine bessere Zukunft unseres Landes."
Twittert Barack Obama. Beyoncé und Lamar sind nur zwei von vielen afroamerikanischen Stars, die sich lauter und deutlicher zu Diskriminierung und Gewalt äußern. Die Polarisierung der amerikanischen Gesellschaft führt auch zu einer Politisierung im Pop. Nehmen wir Killer Mike. Der schwarze Rapper engagiert sich im Wahlkampf für Bernie Sanders, den Widersacher Konkurrenten von Hillary Clinton aus dem eigenen Lager der Demokraten. Und Killer Mike tut das mit einer fulminanten Rede im Duktus eines Martin Luther King. Oder im Duktus eines Malcolm X?
Mit Furor für Bernie Sanders
"Feel the Bern", brüllt Killer Mike, ein Wortspiel mit dem Namen von Bernie Sanders und "to burn", brennen. Die Leute sollen das Feuer spüren, das die Ideen des Bernie Sanders ausstrahlen. In seinem Furor für Bernie überschreitet der Rapper auch schon mal die Grenzen des guten Geschmacks:
"Ein Uterus allein reicht nicht für den Job des Präsidenten."
Die nicht eben charmant attackierte Kandidatin zeigt sich wenig erschüttert: Hillary Clinton stützt sich auf das Establishment der schwarzen Bürgerrechtsbewegung. Betonung auf Establishment. Gut möglich, dass gerade jüngere Afroamerikaner sich eher zu Bernie Sanders hingezogen fühlen, dank der neuen Black Power à la Beyoncé, Kendrick Lamar oder Killer Mike. Oder Kanye.
Wenn Kanye West nicht gerade über sein Lieblingsthema redet - über Kanye West - dann verschärft auch der populärste Rapper unserer Zeit den Ton:
"An Pitchfork, Rolling Stone, New York Times und andere weiße Publikationen: Bitte hört auf, über schwarze Musik zu schreiben."
So Kanye West vorgestern kürzlich über Twitter. Und weiter:
"Ich liebe, liebe, liebe euch weiße Leute, aber Ihr versteht nicht, was es bedeutet, ein Urenkel von ehemaligen Sklaven zu sein."
Der Wind dreht sich. Für Leute wie Kendrick Lamar und Kanye West ist das Projekt Integration gescheitert. Also gehen sie auf Konfrontation.
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