Schwarze Stunden
Stiftzähne, die aus dem Mund ins Publikum fallen; Moderatoren, die Autoren mit falschem Namen vorstellen; Zuhörer, die in der ersten Reihe sitzend einschlafen; King Kong-Filme, die im Raum neben der Lesung abgespielt werden; Fans, die Signaturen mit Schriftstellerblut verlangen - wenn etwas bei Dichterlesungen schief geht, dann ergibt sich daraus immer eine gute Geschichte. Was aber verrät das Scheitern der Lesung über diese in Deutschland seit Jahrhunderten gepflegte - und weltweit exportierte - Literaturpraxis? Was über den Stellenwert, den wir der Literatur beimessen?
Warum lassen sich Autoren seit der Antike darauf ein, wenn Lesungen eine "Generalerniedrigung der Schriftstellerexistenz" (Burkhard Spinnen) sind? Warum sind Lesungen überhaupt so anfällig für das Scheitern, für Peinlichkeiten und Langeweile? Was haben sich die Autoren als Gegenmittel ausgedacht?
Thomas Böhm, Programmleiter des Kölner Literaturhauses, erforscht mit Tomas Friedmann, Leiter des Salzburger Literaturhauses, und der Schriftstellerin Ulrike Draesner die schwarzen Stunden der Literaturvermittlung, erzählt unbekannte Kapitel der Weltliteratur und vor allem: viele gute Geschichten vom Scheitern.
Ulrike Draesner, geboren 1962 in München, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie in München und Oxford, Promotion 1992 mit einer Arbeit über Wolframs Parzival. 1993 stieg sie aus der Wissenschaft aus, um schreiben zu können. Neben ihren wissenschaftlichen Publikationen veröffentlichte sie Gedichte, Erzählungen, Hörspiele sowie einen ersten Roman. Sie lebt als freie Schriftstellerin, Übersetzerin und Literaturkritikerin in Berlin. 1997 erhielt sie den "foglio-Preis für junge Literatur" sowie den "Bayrischen Staatsförderpreis" für Literatur.
Ulrike Draesner
Zauber im Zoo
Vier Reden von Herkunft und Literatur.
Göttinger Sudelblätter
2007 Wallstein
Ulrike Draesner
Spiele
Roman.
Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2005 (Longlist).
2007 btb
Wie hängt die private Geschichte mit dem Lauf der Welt zusammen?
Katja ist eine erfolgreiche Fotojournalistin: Bilder von privaten Dramen inmitten gesellschaftlicher Umbrüche haben sie berühmt gemacht. Jetzt, nach 20 Jahren des Reisens, ist sie ihres Berufs müde, und sie bemerkt, wie sehr auch ihr eigenes Leben von der großen Geschichte bestimmt wurde: von dem Geiseldrama bei den Olympischen Spielen in München, 1972. "Spiele" entwirft ein großes, hinreißend atmosphärisches Gesellschaftspanorama. Mitten darin und von den weltgeschichtlichen Ereignissen auf verblüffende Weise mitbestimmt: die virtuos erzählte Geschichte einer zarten, verhinderten Liebe.
München 1972 - für die 13-jährige Katja eine spannende Zeit: Alles ist neu, die U-Bahn, die fremden Menschen, die vielen Sportübertragungen im geliehenen Fernseher. Und über allem das strahlende Münchner Föhn-Wetter. Doch auf einmal ist alles anders - der Vater hat eine neue Frau, und Max, den sie doch eigentlich so gerne mag, hat sie vor ihren Freunden derart blamiert, dass sie sich bitterlich an ihm rächt. Währenddessen läuft im Fernseher Terror statt Sport: Die Fröhlichkeit der Olympischen Spiele wird zunichte gemacht von einem Ereignis, "das mit seiner ganzen Tragik, seiner Wirrnis und der Unreife die Probleme deutlich gemacht hat, mit denen wir heute leben müssen". Aber wie hängt die kleine Geschichte mit der großen zusammen? Ist Katja wirklich schuld daran, dass Max sich plötzlich entschließt, zur Polizei zu gehen und in Fürstenfeldbruck beim misslungenen Versuch, die israelischen Geiseln zu befreien, verwundet wird? Und warum spricht die Familie angesichts der Ereignisse im Fernseher plötzlich so viel von der eigenen Herkunft?
Später, als angesehene Fotojournalistin, versucht Katja, die Bilder, das Getuschel und ihre Ängste von damals zu entwirren. Sie stößt auf Schrecken, Dilettantismus, Lügen und Anschuldigungen, auf Ausflüchte, Fehler, Verzweiflung und Trauer. Und ganz allmählich setzt sie aus den kleinen und großen Geheimnissen, die sich so tief in sie hineingegraben haben, das Bild ihres Lebens zusammen: Könnte dies das Gefühl von Heimat sein, das Katja die ganze Zeit über gesucht hat?
Tomas Friedmann, Leiter des Literaturhauses Salzburg
Tomas Friedmann, geboren 1961 in Linz/Österreich, lebt seit 1983 in Salzburg. Studium der Germanistik und Publizistik. Tätigkeiten als (Literatur-)Journalist, Pressesprecher (Grüne), Autor und Herausgeber. Seit 1993 Leiter des Literaturhauses Salzburg. Veröffentlichungen in (Literatur-) Zeitschriften und Anthologien. Regie und Dramaturgie für Theater und Hörspiel. Vorträge, Lehraufträge, Workshops- und Diskussionsleitungen.
Mit der Eröffnung des Literaturhauses Salzburg 1991 hat das literarische Leben in Salzburg einen neuen Impuls bekommen. Im 400 Jahre alten Eizenbergerhof - laut H. C. Artmann "Österreichs schönstes Literaturhaus" - werden Salzburger AutorInnen gefördert, treten heimische und internationale Größen auf. Bibliothek, Mediathek und LiteraturCafé bieten zusätzlichen Service. Der interdisziplinäre Diskurs ist ein wesentliches Anliegen aller im Haus ansässigen Literatureinrichtungen: Trägerverein Literaturhaus, Literaturforum Leselampe, prolit, erostepost, Salzburger Autorengruppe und Grazer Autorenversammlung/Salzburg.
Salzburger Literaturhaus
Im Lauf der gut elfjährigen Literaturvermittlung sind mehr als 1.500 Schriftsteller und Literaturvermittler auf Einladung des Literaturhauses in die Domstadt gekommen. Weiterlesen: Literaturhaus Köln
Weltempfang
Panorama internationaler Autorenlesungen.
Mit Beiträgen von Adonis, T.C. Boyle, Kenzaburo Oe, Marlene Streeruwitz u.a..
Hrsg. v. Thomas Böhm
2006 Tropen
Lesungen sind eine einzigartige Möglichkeit, Erfahrung und Bildung miteinander zu verbinden, Horizonte zu erweitern und Autoren anderer Weltregionen kennenzulernen. Weltempfang versammelt Berichte und Ideen von international bekannten Schriftstellern, Übersetzern und Literaturvermittlern, zeigt die Hintergründe, vor denen Literatur auf anderen Kontinenten entsteht und verbreitet wird zum besseren Verständnis der Weltliteratur der Gegenwart, als Ideenpool und Maßstab für das Gelingen von Lesungen.Mit Beiträgen u.a. von Adonis, T.C. Boyle, Marlene Streeruwitz, Kenzaburo Oe und einer Liste von Literaturfestivals weltweit. Bereits in seinem Standardwerk Auf kurze Distanz Die Autorenlesung: O-Töne, Geschichten, Ideen hat Thomas Böhm die Faszination und Potentiale der Autorenlesung erörtert. In Weltempfang dehnt er das Thema auf die ganze Welt der Lesung aus und läßt international bekannte Autoren, Übersetzer sowie Literaturvermittler zu Wort kommen.
Thomas Böhm, geb. 1968 in Oberhausen, Studium in Essen und Wolverhampton (GB) war Mitarbeiter der Literaturzeitschrift "Schrebheft" (1995-1999) und ist Programmleiter des Literaturhauses Köln seit dessen Eröffnung 1999. Er arbeitet als freier Literaturjournalist, Hörspiellektor und Kolumnist der Deutschen Welle und des Buchmarkts. (www.buchmarkt.de). Zum Thema "Lesungen" betreibt er eine freie Wissensbank im Internet: www.lesungslabor.de
Autoren arbeiten lange an ihren Texten. Für die Präsentation ihrer Texte vor Publikum jedoch, für die Lesung, wird kaum ein adäquater Aufwand an Kreativität, Gestaltungs- und Erkenntniswillen betrieben, weder seitens der Veranstalter, noch seitens der Kritik und der Literaturwissenschaft. Wie könnte ein angemessenes, literarisches Verständnis von Lesungen aussehen? Die Homepage Lesungslabor.de sammelt Beiträge zu diesen Aspekten und Fragen.
Weiterlesen: www.lesungslabor.de
Interview mit Thomas Böhm über das literarische Verständnis von Lesungen:
Als ich 1990 anfing, für das Kölner Literaturhaus zu arbeiten, wollte ich mir theoretischen Background holen. Immerhin sollte ich von nun ab 100 Veranstaltungen im Jahr organisieren. Aber außer zwei älteren Handbüchern fand ich nichts Brauchbares. Ich war auch nicht auf der Suche nach einer Schablone, die man einer Veranstaltung überstülpen kann. Schließlich hat man es bei jeder Lesung mit einem anderen Buch, einem anderen Menschen zu tun. Dass man sich darauf einstellen muss - das ist meine Botschaft in den Büchern.
Weiterlesen: Interview mit Thomas Böhm
Thomas Böhm, Programmleiter des Kölner Literaturhauses, erforscht mit Tomas Friedmann, Leiter des Salzburger Literaturhauses, und der Schriftstellerin Ulrike Draesner die schwarzen Stunden der Literaturvermittlung, erzählt unbekannte Kapitel der Weltliteratur und vor allem: viele gute Geschichten vom Scheitern.
Ulrike Draesner, geboren 1962 in München, studierte Germanistik, Anglistik und Philosophie in München und Oxford, Promotion 1992 mit einer Arbeit über Wolframs Parzival. 1993 stieg sie aus der Wissenschaft aus, um schreiben zu können. Neben ihren wissenschaftlichen Publikationen veröffentlichte sie Gedichte, Erzählungen, Hörspiele sowie einen ersten Roman. Sie lebt als freie Schriftstellerin, Übersetzerin und Literaturkritikerin in Berlin. 1997 erhielt sie den "foglio-Preis für junge Literatur" sowie den "Bayrischen Staatsförderpreis" für Literatur.
Ulrike Draesner
Zauber im Zoo
Vier Reden von Herkunft und Literatur.
Göttinger Sudelblätter
2007 Wallstein
Ulrike Draesner
Spiele
Roman.
Nominiert für den Deutschen Buchpreis 2005 (Longlist).
2007 btb
Wie hängt die private Geschichte mit dem Lauf der Welt zusammen?
Katja ist eine erfolgreiche Fotojournalistin: Bilder von privaten Dramen inmitten gesellschaftlicher Umbrüche haben sie berühmt gemacht. Jetzt, nach 20 Jahren des Reisens, ist sie ihres Berufs müde, und sie bemerkt, wie sehr auch ihr eigenes Leben von der großen Geschichte bestimmt wurde: von dem Geiseldrama bei den Olympischen Spielen in München, 1972. "Spiele" entwirft ein großes, hinreißend atmosphärisches Gesellschaftspanorama. Mitten darin und von den weltgeschichtlichen Ereignissen auf verblüffende Weise mitbestimmt: die virtuos erzählte Geschichte einer zarten, verhinderten Liebe.
München 1972 - für die 13-jährige Katja eine spannende Zeit: Alles ist neu, die U-Bahn, die fremden Menschen, die vielen Sportübertragungen im geliehenen Fernseher. Und über allem das strahlende Münchner Föhn-Wetter. Doch auf einmal ist alles anders - der Vater hat eine neue Frau, und Max, den sie doch eigentlich so gerne mag, hat sie vor ihren Freunden derart blamiert, dass sie sich bitterlich an ihm rächt. Währenddessen läuft im Fernseher Terror statt Sport: Die Fröhlichkeit der Olympischen Spiele wird zunichte gemacht von einem Ereignis, "das mit seiner ganzen Tragik, seiner Wirrnis und der Unreife die Probleme deutlich gemacht hat, mit denen wir heute leben müssen". Aber wie hängt die kleine Geschichte mit der großen zusammen? Ist Katja wirklich schuld daran, dass Max sich plötzlich entschließt, zur Polizei zu gehen und in Fürstenfeldbruck beim misslungenen Versuch, die israelischen Geiseln zu befreien, verwundet wird? Und warum spricht die Familie angesichts der Ereignisse im Fernseher plötzlich so viel von der eigenen Herkunft?
Später, als angesehene Fotojournalistin, versucht Katja, die Bilder, das Getuschel und ihre Ängste von damals zu entwirren. Sie stößt auf Schrecken, Dilettantismus, Lügen und Anschuldigungen, auf Ausflüchte, Fehler, Verzweiflung und Trauer. Und ganz allmählich setzt sie aus den kleinen und großen Geheimnissen, die sich so tief in sie hineingegraben haben, das Bild ihres Lebens zusammen: Könnte dies das Gefühl von Heimat sein, das Katja die ganze Zeit über gesucht hat?
Tomas Friedmann, Leiter des Literaturhauses Salzburg
Tomas Friedmann, geboren 1961 in Linz/Österreich, lebt seit 1983 in Salzburg. Studium der Germanistik und Publizistik. Tätigkeiten als (Literatur-)Journalist, Pressesprecher (Grüne), Autor und Herausgeber. Seit 1993 Leiter des Literaturhauses Salzburg. Veröffentlichungen in (Literatur-) Zeitschriften und Anthologien. Regie und Dramaturgie für Theater und Hörspiel. Vorträge, Lehraufträge, Workshops- und Diskussionsleitungen.
Mit der Eröffnung des Literaturhauses Salzburg 1991 hat das literarische Leben in Salzburg einen neuen Impuls bekommen. Im 400 Jahre alten Eizenbergerhof - laut H. C. Artmann "Österreichs schönstes Literaturhaus" - werden Salzburger AutorInnen gefördert, treten heimische und internationale Größen auf. Bibliothek, Mediathek und LiteraturCafé bieten zusätzlichen Service. Der interdisziplinäre Diskurs ist ein wesentliches Anliegen aller im Haus ansässigen Literatureinrichtungen: Trägerverein Literaturhaus, Literaturforum Leselampe, prolit, erostepost, Salzburger Autorengruppe und Grazer Autorenversammlung/Salzburg.
Salzburger Literaturhaus
Im Lauf der gut elfjährigen Literaturvermittlung sind mehr als 1.500 Schriftsteller und Literaturvermittler auf Einladung des Literaturhauses in die Domstadt gekommen. Weiterlesen: Literaturhaus Köln
Weltempfang
Panorama internationaler Autorenlesungen.
Mit Beiträgen von Adonis, T.C. Boyle, Kenzaburo Oe, Marlene Streeruwitz u.a..
Hrsg. v. Thomas Böhm
2006 Tropen
Lesungen sind eine einzigartige Möglichkeit, Erfahrung und Bildung miteinander zu verbinden, Horizonte zu erweitern und Autoren anderer Weltregionen kennenzulernen. Weltempfang versammelt Berichte und Ideen von international bekannten Schriftstellern, Übersetzern und Literaturvermittlern, zeigt die Hintergründe, vor denen Literatur auf anderen Kontinenten entsteht und verbreitet wird zum besseren Verständnis der Weltliteratur der Gegenwart, als Ideenpool und Maßstab für das Gelingen von Lesungen.Mit Beiträgen u.a. von Adonis, T.C. Boyle, Marlene Streeruwitz, Kenzaburo Oe und einer Liste von Literaturfestivals weltweit. Bereits in seinem Standardwerk Auf kurze Distanz Die Autorenlesung: O-Töne, Geschichten, Ideen hat Thomas Böhm die Faszination und Potentiale der Autorenlesung erörtert. In Weltempfang dehnt er das Thema auf die ganze Welt der Lesung aus und läßt international bekannte Autoren, Übersetzer sowie Literaturvermittler zu Wort kommen.
Thomas Böhm, geb. 1968 in Oberhausen, Studium in Essen und Wolverhampton (GB) war Mitarbeiter der Literaturzeitschrift "Schrebheft" (1995-1999) und ist Programmleiter des Literaturhauses Köln seit dessen Eröffnung 1999. Er arbeitet als freier Literaturjournalist, Hörspiellektor und Kolumnist der Deutschen Welle und des Buchmarkts. (www.buchmarkt.de). Zum Thema "Lesungen" betreibt er eine freie Wissensbank im Internet: www.lesungslabor.de
Autoren arbeiten lange an ihren Texten. Für die Präsentation ihrer Texte vor Publikum jedoch, für die Lesung, wird kaum ein adäquater Aufwand an Kreativität, Gestaltungs- und Erkenntniswillen betrieben, weder seitens der Veranstalter, noch seitens der Kritik und der Literaturwissenschaft. Wie könnte ein angemessenes, literarisches Verständnis von Lesungen aussehen? Die Homepage Lesungslabor.de sammelt Beiträge zu diesen Aspekten und Fragen.
Weiterlesen: www.lesungslabor.de
Interview mit Thomas Böhm über das literarische Verständnis von Lesungen:
Als ich 1990 anfing, für das Kölner Literaturhaus zu arbeiten, wollte ich mir theoretischen Background holen. Immerhin sollte ich von nun ab 100 Veranstaltungen im Jahr organisieren. Aber außer zwei älteren Handbüchern fand ich nichts Brauchbares. Ich war auch nicht auf der Suche nach einer Schablone, die man einer Veranstaltung überstülpen kann. Schließlich hat man es bei jeder Lesung mit einem anderen Buch, einem anderen Menschen zu tun. Dass man sich darauf einstellen muss - das ist meine Botschaft in den Büchern.
Weiterlesen: Interview mit Thomas Böhm