Schwarz-Gelb hat gesiegt

Von Sabine Adler, Hauptstadtstudio |
Die Würfel sind gefallen. Wer glaubt, dass er das, was nun folgt, bereits kennt, sollte sich Angela Merkels Lieblingssatz vor Augen führen: Geschichte wiederholt sich nicht. Und man möchte hinzufügen: Das ist auch gut so. Denn wenn Schwarz-Gelb hieße, das Land steuere in die 16 Jahre unter Helmut Kohl zurück, müsste man auf der Stelle auswandern.
Die CDU ist eine inzwischen modernisierte Partei, die FDP allerdings muss noch den Beweis antreten, dass sie mehr als Steuersenkungen anstrebt und selbst da sind Rückruder-Bewegungen bereits auszumachen.

Doch ein wenig hat der Neuanfang etwas von einer Kinderüberraschung. In etwa weiß man, was drinsteckt, nur nicht so ganz genau.

Hüpft eine Kanzlerin heraus, die nun durchzieht, was sie 2005 nicht anpacken konnte? Wohl kaum, denn die bisherige und neue Regierungschefin versteht sich weit besser als auf das Hüpfen aufs Analysieren. Nach zwei zweitschlechtesten Resultaten für die Union bei Bundestagswahlen darf man ihr zutrauen, dass sie eine Vorstellung davon hat, was die Menschen in Deutschland nicht wollen: nämlich eine allzu wirtschaftsfreundliche Politik, bei der der soziale Ausgleich das nur ein nachrangiges Anliegen ist.

Dafür, dass sie dies nicht aus dem Blick verliert, wird der christdemokratische Arbeiterführer aus Düsseldorf, Jürgen Rüttgers, sorgen, in dessen Bundesland im Mai nächsten Jahres gewählt wird. Auf die SPD kommen weit schwerere und schmerzhaftere Aufgaben als eine Regierungsbildung zu.

In Nordrhein-Westfalen, könnte sich im Laufe des Wahlkampfes eine linke Mehrheit zusammenfinden, die vollzieht, was bisher auf Bundesebene auch nur zu denken verboten war. Dass die Reise der hart abgestraften SPD in Richtung Linkspartei gehen wird, ist der einzige Schluss, den das Wahlergebnis übrig lässt.

Die SPD-Wähler haben es bis heute nicht verziehen, dass ausgerechnet die deutsche Sozialdemokratie es war, die die Sozialsysteme mit strengeren Zumutbarkeitsregeln, Eigenverantwortung und mehr Eigenleistung reformierte. Für derartige Grausamkeiten waren in der bisherigen Arithmetik Union und FDP zuständig, aber doch nicht die SPD.

Sozialdemokratische Wähler erwarten keine vorauseilende wirtschaftliche Vernunft, sondern Festhalten am lange Gelebten und Geliebten, auf dass sich die Zeiten möglichst nicht ändern.

Das Kunststück, die Partei nun neu zu erfinden, den Graben zur Linkspartei zu schließen, gar eine Wiedervereinigung hinzubekommen, die manchen, anders als nach der Loslösung der Grünen, durchaus denkbar scheint und bei alledem aber immer den lieb gewonnenen sozialdemokratischen Traditionen gerecht zu werden - nichts Geringeres soll nun Frank Walter Steinmeier vollbringen.

Anders als Franz Müntefering, von dessen Ich-kann-Wahlkampf-Fähigkeiten eher wenig zu spüren war, gewann Steinmeier in den vergangenen Wochen an Sicherheit, Freude, Format. Morgen beginnt sein Rollenwechsel vom Außenminister zum Oppositionsführer, die umgekehrte Reihenfolge war bislang in Politikerkarrieren üblich.

Ein wenig erweckt Steinmeier den Eindruck, als wolle er sich selbst bestrafen. Hinschmeißen und weglaufen, einen gutbezahlten Job in der Wirtschaft annehmen, wäre fraglos leichter.
Folgt man der Idee, dass Volksparteien besser als alles andere eine Gesellschaft zusammenhalten, dann muss er die Arbeiten auf der Großbaustelle SPD sofort in Angriff nehmen. Sich ein derartiges Mammutprojekt aufzubürden ist nicht hoch genug zu würdigen und schließlich muss er sich nicht auf ein Fertigstellungsdatum festlegen lassen.