Schwall-Düren: Kopf-an-Kopf-Rennen keine Überraschung
Die vielen Stimmen für Jaroslaw Kaczynski seien kein Wunder, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Angelica Schwall-Düren. Dazu habe Gegenkandidat Komorowski soziale Fragen zu sehr vernachlässigt.
Marcus Pindur: Mit einem so knappen Rennen hatten viele nicht gerechnet. Kopf an Kopf liegen Bronislaw Komorowski und Jaroslaw Kaczynski in Polen bei den Präsidentschaftswahlen. Zunächst lag der liberale Politiker Komorowski noch klar vor dem nationalkonservativen Konkurrenten Kaczynski, aber mit der fortschreitenden Auszählung in der Nacht schrumpfte dieser Vorsprung dann aber auf wenige Prozentpunkte zusammen.
Stand der Dinge: der liberale Komorowski liegt bei 41,2 Prozent, Jaroslaw Kaczynski bei 36,7 Prozent, und das heißt, es wird eine Stichwahl geben. Angelica Schwall-Düren ist SPD-Bundestagsabgeordnete, sitzt im Europaausschuss und ist Vorsitzende der deutsch-polnischen Gesellschaften. Guten Morgen, Frau Schwall-Düren.
Angelica Schwall-Düren: Guten Morgen, Herr Pindur.
Pindur: Hätten Sie mit einem so knappen Ausgang gerechnet?
Schwall-Düren: Nun, in den letzten Tagen hat sich schon abgezeichnet, dass Herr Kaczynski zunehmend mehr Zustimmung bekommt. Etwas, was man nicht hätte erwarten können ohne das tragische Unglück in Smolensk. Das hat hier sicher eine große Rolle gespielt.
Vermutlich kommen hier mehrere Komponenten zusammen: einmal, dass es tatsächlich für einen gewissen Teil der Bevölkerung einen Mitleidseffekt gibt, wenn ich den auch nicht für ausschlaggebend halte. Dann hat sicher auch die persönliche Erschütterung Herrn Kaczynski verändert, der ja in ganz anderer Art und Weise sehr viel zurückhaltender, sehr viel sanfter auftritt. Aber ich bin überzeugt, er hat auch eine sehr gute Beratung gehabt, hat ein moderneres Marketing betrieben, sodass diese Faktoren alle dazu beigetragen haben, dass er sich doch so nahe an Herrn Komorowski hat heranrobben können.
Pindur: Erstaunlich ist ja in der Tat diese Wesensveränderung, die Jaroslaw Kaczynski zur Schau gestellt hat: jetzt konziliant, nachdenklich, wo er früher doch sehr angriffslustig und auch teilweise aggressiv war. Er gab sich im Wahlkampf da sehr geläutert. Das war man von ihm ja vorher gar nicht gewohnt. Für wie glaubhaft halten Sie denn diese Veränderung, oder glauben Sie, dass sich das tatsächlich auch auf seine Politik und seine politischen Ansichten auswirken würde?
Schwall-Düren: Da bin ich in der Tat eher skeptisch. Ich würde da sehr stark unterscheiden zwischen dieser emotionalen Komponente, die sicher in der Folge eines so tragischen Ereignisses eine Rolle spielt. Aber wenn wir an die Grundüberzeugungen von Herrn Kaczynski denken, dann vermute ich, dass das sich nicht in seiner Politik entsprechend auswirken wird. Zwar müssen wir auch hier sagen, dass er in der letzten Zeit beispielsweise auch im Bezug auf die Europäische Union europafreundlichere Töne angesprochen hat, sich auch gegenüber Deutschland offener gezeigt hat, aber vermutlich ist doch die nationalpolitische Komponente für ihn nach wie vor so stark, dass er auch in Zukunft auf die große und starke Rolle des nationalen Polen weiter Wert legen wird.
Pindur: Sie haben gerade die europapolitischen Positionen angesprochen. Wo liegen die denn auseinander zwischen diesen beiden Kandidaten?
Schwall-Düren: Kaczynski hat sicher in viel stärkerem Ausmaß als Komorowski ein souveränistisches Verständnis von der Europäischen Union. Das heißt, er sieht, dass man die Vorteile, die ökonomischen Vorteile der Union nutzen soll. Er wendet sich aber gegen eine stärkere Integration und sieht hier vor allen Dingen auch Gefahren vom modernistischen Europa ausgehen für das katholisch-konservative Polen.
Aber er ist offensichtlich gut beraten, wie ich sagte, und, ja, klug genug zu wissen, dass Polen eben sehr große Vorteile vonseiten der Europäischen Union zu erwarten hat, schon erleben konnte und auch zu erwarten hat, und wird sich deswegen hier immer in einem Spannungsfeld von Annäherung und Distanz verhalten.
Pindur: Bronislaw Komorowski hat gesagt, er will innerhalb von fünf Jahren in die Eurozone rein. Das ist ja eine sehr klare Ansage. Glauben Sie, dass Polen das schaffen kann?
Schwall-Düren: Das kann Polen durchaus schaffen, wenn es weiter so rigide seine Konsolidierungspolitik fortsetzt. Es hat auch ein gutes Potenzial an ökonomischer Entwicklung.
Aber da kommt sicher ein zweites Thema ins Spiel, was möglicherweise auch dazu beigetragen hat, dass Kaczynski und übrigens auch der Kandidat der Linken, der SLD, Napieralski, mehr als erwartet Stimmen gewonnen haben, nämlich die soziale Dimension der wirtschaftlichen Entwicklung, und hier ist ja ganz deutlich, dass die Gewerkschaft Solidarnosc Kaczynski unterstützt, weil man bei der Arbeitnehmerschaft der Meinung ist, dass dieser wirtschaftliche Erfolg einseitig auf Kosten der Arbeitnehmerschaft, zugunsten der Bessergestellten sich entwickelt, und hier wird im Zweifel auch Komorowski und wird die PO überlegen müssen, ob sie vielleicht dieser sozialen Dimension mehr Beachtung schenkt.
Pindur: Halten Sie es für möglich, dass die Linken sich zur Unterstützung des liberalen Politikers Komorowski durchringen können?
Schwall-Düren: Ich halte das für möglich, aber heute noch nicht entscheidend sicher, denn es gibt dort natürlich auch eine Versuchung, der Regierung über einen Präsidenten dann doch auch eine Konkurrenz entgegenzustellen. Auf der anderen Seite – da ist eben die Unterscheidung – ist die SLD doch eine Partei, die eben auch sehr europaoffen ist und vor allen Dingen mit den nationalkonservativen Verhaltensweisen und Einstellungen der Kaczynski-Partei nichts anfangen kann, sondern hier, beispielsweise was partnerschaftliche Fragen, Fragen der Trennung von Staat und Kirche, Abtreibungsfragen anbelangt, eine ganz andere, eine modernere Position vertritt.
Pindur: Frau Schwall-Düren, vielen Dank für das Gespräch.
Schwall-Düren: Gerne!
Pindur: Angelica Schwall-Düren, SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der deutsch-polnischen Gesellschaften.
Stand der Dinge: der liberale Komorowski liegt bei 41,2 Prozent, Jaroslaw Kaczynski bei 36,7 Prozent, und das heißt, es wird eine Stichwahl geben. Angelica Schwall-Düren ist SPD-Bundestagsabgeordnete, sitzt im Europaausschuss und ist Vorsitzende der deutsch-polnischen Gesellschaften. Guten Morgen, Frau Schwall-Düren.
Angelica Schwall-Düren: Guten Morgen, Herr Pindur.
Pindur: Hätten Sie mit einem so knappen Ausgang gerechnet?
Schwall-Düren: Nun, in den letzten Tagen hat sich schon abgezeichnet, dass Herr Kaczynski zunehmend mehr Zustimmung bekommt. Etwas, was man nicht hätte erwarten können ohne das tragische Unglück in Smolensk. Das hat hier sicher eine große Rolle gespielt.
Vermutlich kommen hier mehrere Komponenten zusammen: einmal, dass es tatsächlich für einen gewissen Teil der Bevölkerung einen Mitleidseffekt gibt, wenn ich den auch nicht für ausschlaggebend halte. Dann hat sicher auch die persönliche Erschütterung Herrn Kaczynski verändert, der ja in ganz anderer Art und Weise sehr viel zurückhaltender, sehr viel sanfter auftritt. Aber ich bin überzeugt, er hat auch eine sehr gute Beratung gehabt, hat ein moderneres Marketing betrieben, sodass diese Faktoren alle dazu beigetragen haben, dass er sich doch so nahe an Herrn Komorowski hat heranrobben können.
Pindur: Erstaunlich ist ja in der Tat diese Wesensveränderung, die Jaroslaw Kaczynski zur Schau gestellt hat: jetzt konziliant, nachdenklich, wo er früher doch sehr angriffslustig und auch teilweise aggressiv war. Er gab sich im Wahlkampf da sehr geläutert. Das war man von ihm ja vorher gar nicht gewohnt. Für wie glaubhaft halten Sie denn diese Veränderung, oder glauben Sie, dass sich das tatsächlich auch auf seine Politik und seine politischen Ansichten auswirken würde?
Schwall-Düren: Da bin ich in der Tat eher skeptisch. Ich würde da sehr stark unterscheiden zwischen dieser emotionalen Komponente, die sicher in der Folge eines so tragischen Ereignisses eine Rolle spielt. Aber wenn wir an die Grundüberzeugungen von Herrn Kaczynski denken, dann vermute ich, dass das sich nicht in seiner Politik entsprechend auswirken wird. Zwar müssen wir auch hier sagen, dass er in der letzten Zeit beispielsweise auch im Bezug auf die Europäische Union europafreundlichere Töne angesprochen hat, sich auch gegenüber Deutschland offener gezeigt hat, aber vermutlich ist doch die nationalpolitische Komponente für ihn nach wie vor so stark, dass er auch in Zukunft auf die große und starke Rolle des nationalen Polen weiter Wert legen wird.
Pindur: Sie haben gerade die europapolitischen Positionen angesprochen. Wo liegen die denn auseinander zwischen diesen beiden Kandidaten?
Schwall-Düren: Kaczynski hat sicher in viel stärkerem Ausmaß als Komorowski ein souveränistisches Verständnis von der Europäischen Union. Das heißt, er sieht, dass man die Vorteile, die ökonomischen Vorteile der Union nutzen soll. Er wendet sich aber gegen eine stärkere Integration und sieht hier vor allen Dingen auch Gefahren vom modernistischen Europa ausgehen für das katholisch-konservative Polen.
Aber er ist offensichtlich gut beraten, wie ich sagte, und, ja, klug genug zu wissen, dass Polen eben sehr große Vorteile vonseiten der Europäischen Union zu erwarten hat, schon erleben konnte und auch zu erwarten hat, und wird sich deswegen hier immer in einem Spannungsfeld von Annäherung und Distanz verhalten.
Pindur: Bronislaw Komorowski hat gesagt, er will innerhalb von fünf Jahren in die Eurozone rein. Das ist ja eine sehr klare Ansage. Glauben Sie, dass Polen das schaffen kann?
Schwall-Düren: Das kann Polen durchaus schaffen, wenn es weiter so rigide seine Konsolidierungspolitik fortsetzt. Es hat auch ein gutes Potenzial an ökonomischer Entwicklung.
Aber da kommt sicher ein zweites Thema ins Spiel, was möglicherweise auch dazu beigetragen hat, dass Kaczynski und übrigens auch der Kandidat der Linken, der SLD, Napieralski, mehr als erwartet Stimmen gewonnen haben, nämlich die soziale Dimension der wirtschaftlichen Entwicklung, und hier ist ja ganz deutlich, dass die Gewerkschaft Solidarnosc Kaczynski unterstützt, weil man bei der Arbeitnehmerschaft der Meinung ist, dass dieser wirtschaftliche Erfolg einseitig auf Kosten der Arbeitnehmerschaft, zugunsten der Bessergestellten sich entwickelt, und hier wird im Zweifel auch Komorowski und wird die PO überlegen müssen, ob sie vielleicht dieser sozialen Dimension mehr Beachtung schenkt.
Pindur: Halten Sie es für möglich, dass die Linken sich zur Unterstützung des liberalen Politikers Komorowski durchringen können?
Schwall-Düren: Ich halte das für möglich, aber heute noch nicht entscheidend sicher, denn es gibt dort natürlich auch eine Versuchung, der Regierung über einen Präsidenten dann doch auch eine Konkurrenz entgegenzustellen. Auf der anderen Seite – da ist eben die Unterscheidung – ist die SLD doch eine Partei, die eben auch sehr europaoffen ist und vor allen Dingen mit den nationalkonservativen Verhaltensweisen und Einstellungen der Kaczynski-Partei nichts anfangen kann, sondern hier, beispielsweise was partnerschaftliche Fragen, Fragen der Trennung von Staat und Kirche, Abtreibungsfragen anbelangt, eine ganz andere, eine modernere Position vertritt.
Pindur: Frau Schwall-Düren, vielen Dank für das Gespräch.
Schwall-Düren: Gerne!
Pindur: Angelica Schwall-Düren, SPD-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende der deutsch-polnischen Gesellschaften.