"Schwächstmögliche Verlegenheitslösung"

Wolfgang Gerke im Gespräch mit Jan-Christoph Kitzler |
Wolfgang Gerke hält die von der Deutschen Bank angestrebte Doppelspitze als Nachfolge für Josef Ackermann für die schlechteste Variante. Sie zeige, dass die Bank niemanden gefunden habe, der das Institut nach allen Seiten repräsentieren könne, meint der Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums.
Jan-Christoph Kitzler: Die Welt der Banken ist normalerweise eine stille Welt, man macht seine Geschäfte und redet nicht groß darüber. Doch über die Deutsche Bank wird zur Zeit ziemlich viel geredet und viele sind sich einig: Der Versuch, einen Nachfolger für den Bank-Chef Josef Ackermann zu finden, der läuft alles andere als rund und geräuschlos. Das liegt auch am Machtkampf zweier Männer – Ackermann selbst einerseits und Aufsichtsratschef Clemens Börsig andererseits. Ackermann würde Börsig gerne beerben und seine Nachfolge selber regeln, doch Börsig hat etwas dagegen, will oberster Kontrolleur der Deutschen Bank bleiben und mit dem Inder Anshu Jain und dem Deutschen Jürgen Fitschen zwei Chefs an der Spitze der Bank etablieren.

Gestern, bei einem geheimen Treffen in Frankfurt, soll schon eine erste Vorentscheidung gefallen sein. Darüber spreche ich mit Wolfgang Gerke, früher war er Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg und inzwischen ist er Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums. Schönen guten Morgen!

Wolfgang Gerke: Schönen guten Morgen, Herr Kitzler!

Kitzler: Wie sehr schadet denn die Suche nach einem Nachfolger für Josef Ackermann inzwischen der Deutschen Bank?

Gerke: Ja, das schadet schon sehr, denn man erwartet von so einem Institut doch, dass es eine Nachfolge geräuschlos hinbringt und dann auch eine überzeugende Persönlichkeit präsentieren kann. Nachdem das einmal schiefgelaufen ist und der damalige Aufsichtsratschef, der auch der jetzige ist, Herr Börsig, sich selbst ins Spiel gebracht hat, ist das ganze Verfahren zu einer sehr schlecht laufenden Managementleistung geworden.

Kitzler: Ackermann hatte sich ja früh auf Axel Weber festgelegt als seinen Nachfolger, doch der geht jetzt zur Schweizer UBS, hat ihm sozusagen einen Korb gegeben. Ist damit nicht jeder Ackermann-Nachfolger, der jetzt kommt, automatisch zweite Wahl?

Gerke: Das muss nicht so sein, aber dann muss man wirklich eine überzeugende Lösung präsentieren können. Jeder ist ersetzbar. Kollege Weber wäre, glaube ich, eine sehr gute Lösung gewesen, aber gegen ihn ist intrigiert worden. Man hat die Verhandlungen mit ihm herausgezögert, sodass diese Lösung, die jetzt gekommen ist, quasi für einige dankenswerterweise von selbst das wünschenswerte Ziel produziert hat. Das war gar nicht im Sinne von Herrn Ackermann, aber durchaus im Sinne von bereits vorhandenen Vorstandskollegen.

Kitzler: Wer trägt denn eigentlich die Schuld an dieser verfahrenen Situation? Josef Ackermann, der am liebsten alles selber regeln wollte, oder doch Clemens Börsig, der ja als Aufsichtsratschef eigentlich formal zuständig ist für die Nachfolgeregelung?

Gerke: Ja, formal ist das voll die Schuld von Herrn Börsig, vom Aufsichtsratsvorsitzenden. Aber jemand, der eine Bank so mit Vehemenz führt wie Herr Ackermann und dabei auch so bestimmend für die Politik gewesen ist, der hat natürlich ein gewichtiges Wort mitzureden. Und in so einer Situation gehört es sich, dass die beiden gut kooperieren. Das hat nicht funktioniert, also trifft auch Herrn Ackermann eine Mitschuld.

Kitzler: Reden wir mal über die Nachfolger! Im Gespräch ist ja jetzt eine Doppelspitze mit Anshu Jain, dem Inder, der die Investmentsparte der Bank in London leitet, und dazu soll dann Jürgen Fitschen kommen, der das Privatkundengeschäft in Deutschland leitet. Halten Sie das für eine gute Option?

Gerke: Ich halte das für die schwächstmögliche Verlegenheitslösung. Dass man einen erfolgreichen Investmentbanker, Anshu Jain, hier berücksichtigen muss, dafür gibt es sehr gute Argumente, zurzeit erwirtschaftet er fast 80 Prozent des Ergebnisses der Deutschen Bank. Aber eine Doppelspitze zeigt, dass man eben niemanden gefunden hat, der in der Lage ist, das Institut nach allen Seiten zu repräsentieren, der es auch mit der Politik optimal vernetzt, nicht nur mit der deutschen Politik, sondern auch weltweit. Eine Fähigkeit, die Ackermann besessen hat, eine Fähigkeit, die Herr Weber auf jeden Fall mitgebracht hätte. Und wenn man dann einen Kandidaten hat, der im Alter von demjenigen ist, der in den Ruhestand geht, dann ist das keine Lösung.

Kitzler: Jürgen Fitschen ist 63, genau.

Gerke: Ja, das ist das Problem dabei. Ich meine, er ist im gleichen Alter wie Herr Ackermann und Herr Ackermann geht aus Altersgründen. Da kann man doch nicht bei so einem Institut sagen, dass das eine überzeugende Lösung ist. Das ist eine reine Übergangslösung, eine reine Verlegenheit, weil man sich zu einer anderen Lösung nicht durchringen konnte.

Kitzler: Anshu Jain gilt ja als gesetzt, weil er sehr mächtig ist. Heißt das, die Bank wird internationaler, und möglicherweise heißt es auch, für die deutsche Politik fehlt ein wichtiger Ansprechpartner?

Gerke: Das sehe ich, wobei die Bank längst international ist. Sie ist von ihren Geschäften her sehr international, aber auch von ihrer Aktionärsstruktur her, da dominieren nicht die Deutschen, sondern die Ausländer, insbesondere die Angelsachsen. Und insofern verschiebt sich vom Geschäft her sehr wenig. Aber ich glaube, dass es entscheidend ist, dass man bei so einem Institut jemanden hat, der auch politisch bestens vernetzt ist, und da denke ich keineswegs nur an Deutschland, sondern auch an Weltpolitik. Und das hat Herr Ackermann hervorragend betrieben, dieses wichtige Geschäft. Wir haben das gesehen, dass er für die Deutsche Bank, aber auch fürs deutsche Kreditgewerbe hier immer gute Lösungen – manchmal auch zulasten des deutschen Steuerzahlers – herausgeholt hat, und das traue ich in dieser Form Herrn Fitschen nicht zu. Er ist von einer völlig anderen Art im Geschäft geschnitzt und da kann ich mir nicht vorstellen, dass er der geeignete Gesprächspartner dann für eine Bundeskanzlerin oder für einen EZB-Präsidenten ist.

Kitzler: Und die Zeiten der guten, alten Deutschland AG, zu der die Deutsche Bank gehörte, wären dann wohl auch endgültig vorbei, oder?

Gerke: Ja, wobei auch jetzt die Deutschland AG durchaus wieder mitmischt. Denn der Aufsichtsratsvorsitzende Clemens Börsig stammt aus der Deutschland AG und der Aufsichtsrat ist auch weiterhin Deutschland-AG-mäßig vernetzt. Und die Lösung, die wir jetzt haben, ist insofern glaube ich doch auch eine Deutschland-AG-Lösung.

Kitzler: Wie sehen Sie die Zukunft der Bank? Wird sie nach Ackermann eher gestärkt oder eher geschwächt sein?

Gerke: Die Bank wird geschwächt sein. Es ist eine starke Bank, sie wird das verkraften, aber ich glaube, dass man mit einer Doppelspitze sehr schlecht beraten ist. Ich glaube, dass man mit einer Nachfolgeregelung von jemandem, der im Alter eines Pensionärs ist, einen falschen Weg geht. Und das ist ein Handicap, was nicht notwendig ist.

Kitzler: Die Zukunft der Deutschen Bank nach Josef Ackermann, so sieht es Wolfgang Gerke, der Präsident des Bayerischen Finanz Zentrums. Haben Sie vielen Dank und einen schönen Tag!

Gerke: Schönen Tag, Herr Kitzler!

Die Äußerungen unserer Gesprächspartner geben nicht unbedingt die Meinung der Redaktion wieder.