Schutzlos in einer grausamen Welt

03.06.2008
Das Thema Gewalt verbindet alle Geschichten aus "Mein erster Krieg" von Yiftach Ashkenazy. Der israelische Autor beschreibt Menschen, denen in einem von Krieg und Terror bedrohten Land Schlimmes passiert ist: das Erlittene, der Schrecken, die Wut füllen den ganzen Horizont.
Yiftach Ashkenazys erstes Buch erschien 2003, da war er 23 Jahre alt. Die Erfahrungen bei der Armee waren noch frisch. Ein großer Teil dieses Erstlings bestand aus einem Zyklus von Erzählungen über eine nordisraelische Kleinstadt und erschien voriges Jahr auf Deutsch als Roman ("Die Geschichte vom Tod meiner Stadt"). Der zweite Teil liegt nun unter dem Titel "Mein erster Krieg" ebenfalls übersetzt vor.

Auch hier gibt es einen Zyklus von Geschichten, die über Schauplätze, vereinzelte Figuren und Ereignisse lose miteinander verknüpft sind. Zentrale Orte sind ein Krankenhaus in einem heruntergekommenen Viertel von Haifa und ein Kibbuz, ebenfalls im Norden des Landes.

Dort treffen sich die unterschiedlichsten Menschen, kreuzen sich Biografien, manchmal nur minutenlang, manchmal schicksalhaft, zum Guten wie zum Schlechten.

Aber eher zum Schlechten. Ashkenazys Figuren sind sämtlich traumatisiert, als sei in diesem Land, das, von Flüchtlingen bewohnt, seit Jahrzehnten im Kriegszustand lebt, niemand heil geblieben. Das Thema Gewalt, erlittene wie ausgeübte, taucht in jeder Geschichte auf, zumindest in der Form einer sehr alltäglichen Rohheit, oft in Form sexueller Brutalität.

Ebenso wie im ersten Teil beschäftigt sich Ashkenazy mit Individuen, die das, was, ihnen zustößt oder zugestoßen ist, nicht fassen, nicht erklären und oft nicht einmal fühlen können. Sie sprechen in der ersten Person, doch in großer Distanz zu sich selbst. Ihre Perspektive ist immer eine von unten; eine, in der das eigene Erleben, das Erlittene, der Schrecken, die Wut den ganzen Horizont ausfüllt.

"Ich hätte gern die Leute gekannt, die mich töten würden", monologisiert ein Soldat auf Wache an der libanesischen Grenze. "Es ist unschön, einen solchen Augenblick mit Fremden zu teilen." Kurze Zeit später tötet er zwei Milizionäre, die ihm gerade noch zugelächelt haben.

An solchen Stellen, wenn Ashkenazys lakonischer und unaufgeregter Ton mit dem Tempo und den Emotionen eines Ereignisses kollidiert, sind seine Geschichten grandios. Doch an anderen Stellen trägt dieser Ton nicht, klingt unbeholfen, im Deutschen sogar holprig. Ein wenig hätte ein gründlicheres und feinfühliges Lektorat geholfen. Das gilt vor allem für die fünf einzelnen Kurzgeschichten, die, schon ihres kleinen Formats wegen, sehr auf sprachliche Präzision und Geschliffenheit angewiesen sind.

Dass dieses kleine Buch einen so starken Eindruck macht, liegt an der Konsequenz, mit der es auf Trost, Illusionen und Mythen verzichtet: Die vielen kleinen, bösen, privaten Geschichten zeigen eine Welt, in der alle immer schutzlos sind.

Rezensiert von Katharina Döbler

Yiftach Ashkenazy: Mein erster Krieg
Aus dem Hebräischen von Barbara Linner
Sammlung Luchterhand, München 2008
176 Seiten, 7,00 Euro