Schutz vor dem Hochwasser

Eine Apotheke auf Rollen

Arbeiter räumen am 05.01.2018 in Cochem (Rheinland-Pfalz) Einrichtungsgegenstände aus einem moselnahen Lokal.
Wenn die Pegel an der Mosel steigen, müssen viele Restaurant-Besitzer ihre Lokale räumen. © picture alliance / Thomas Frey/dpa
Von Anke Petermann · 10.01.2018
Ladentheke und Schränke auf Rollen, abwaschbare Metallregale und Steckdosen weit oben - die Cochemer Burg-Apotheke blieb bislang vom aktuellen Hochwasser verschont, doch für den nächsten Notfall ist sie gut gerüstet.
Die Enten schwammen unterm Fenster vorbei, die Tiefgarage glich einem Schwimmbad und im Keller steht immer noch das Grundwasser.
"Meine Mitarbeiter wollten am Samstag räumen", sagt Dorothee Kratz, Chefin der Burg-Apotheke in Cochem an der Mosel.
"Ich hab’ gesagt, nee, wir behalten die Nerven, wir warten noch."
Eine neue Investition macht es der Apothekerin leichter, cool zu bleiben, während sie die Hochwasser-App Meine Pegel mit aktuellem Pegelstand nicht aus den Augen lässt. Als 2011 die Überschwemmung drohte, wurden die riesigen Arzneischränke im Erdgeschoss mit Hilfe eines Starkstrom-Flaschenzugs in zwei Hälften geteilt.
"Und dann hat man den oberen angehoben, den unteren weggezogen. Der untere war auf Rollen und den unteren auf ein Rollbrett gesetzt, und das Ganze dann hier rüber gefahren in den Aufzug …"
… und in die erste Etage verfrachtet. Und zwar flott, denn ab einem gewissen Pegelstand funktioniert auch der Aufzug nicht mehr. Das Zittern um ein Warenlager mit mehr als zehntausend Arzneimittel-Packungen im Wert zwischen 100.000 und 200.000 Euro ist passé. Seit ein paar Monaten liegen die Medikamente sicher im ersten Stock, im vollautomatisieren Warenlager, dem sogenannten "Kommissionierer".

Banger Blick auf die Hochwasser-App

"Und wenn unten jemand an der Kasse ein Rezept annimmt, dann wird das Rezept eingescannt, dann wird, wenn wir das freigeben, der Roboter losgeschickt."
Durch das Frontfenster des geschlossenen Arzneimittel-Containers lässt sich ein Greifarm beobachten.
"Der holt die Sachen aus den Regalen und wirft sie uns in die Schnecke hier vorne."
Die Apothekerin deutet auf eine Metallspirale, die sich abwärts in den Verkaufsraum windet. Für den vier Tonnen schweren Lager-Container, also den Kommissionierer, musste die Decke verstärkt werden, doch die Investition hat sich gelohnt, bilanziert Dorothee Kratz.
"Ich hab einfach keine Lust mehr gehabt … jedes Mal, wenn ich im Urlaub war, und die Mosel war nicht mehr so ganz in ihrem Bett, dann hat man zehnmal am Tag auf diese Hochwasser-App geguckt und gedacht, oh musst du jetzt nach Hause, musst du nicht nach Hause, kannst du das riskieren? Wenn die ganze teure Ware hier oben liegt, kann man das entspannter angehen."
Künftige Hochwasser-Einsätze - dank des Kommissionierers weniger kräftezehrend, glaubt Irina Bittman.
"Dann sparen wir uns wenigstens, die Medikamente alle hochzubringen, doch ist ne gute Sache."

1993 stand alles unter Wasser

Beim Jahrhundert-Hochwasser vor 25 Jahren war Dorothee Kratz noch nicht Inhaberin. Mit dem Aufzug zurück ins stets überschwemmungsbedrohte Erdgeschoss: Der vermutlich leere Betäubungsmittel-Tresor ihres Vorgängers steht noch im Hinterzimmer, die einstigen Fluten haben die Stahltür für immer einrasten lassen - nicht mehr zu öffnen.
"93 stand es bis zehn Zentimeter unter der Decke. Damals waren alle überrascht. Also, das hat vorher niemand für möglich gehalten. Und viele sind da kalt erwischt worden. Da ist hier nichts mehr zu machen. Und das Problem ist, wenn Sie anfangen, müssen Sie alles ausräumen. Sie können dann nicht sagen: ‚Oh, es wird ja doch höher, dann geh ich noch mal rein.’ Dann stehen Sie bis zur Brust im Wasser, und fangen dann an aufzuräumen – das geht nicht. Wenn die Mosel steigt, muss alles raus. Seit 93 wissen wir, dass es so hoch kommen kann. Und seitdem gehen wir auch anders mit der Sache um."
Nichts Elektrisches in Bodennähe – schon lange selbstverständlich.
"Sehen sie, der ganze Arbeitsplatz für den Wareneingang: Ist alles mobil, alles nicht breiter als 70 Zentimeter."
Auf Rollen, im Format des schmalen Aufzugs.
"Und die EDV kommt von oben, also die Zuleitungen kommen von oben. Hier gibt’s keine Steckdose am Boden, sondern alles kommt non oben – nur Steckdosen direkt unter der Decke."

Im Ernstfall kommt viel Hilfe

Ebenso wie die Internetbuchsen. Mobil auch die Ladentheke im Verkaufsraum, abwaschbar die farbigen Metallrückwände dort. Die senkrechten Silberrohre an den Elektrokassen: kein futuristisches Design, sondern ebenfalls Hochwasser-Prävention.
"Hier kommen die Zuleitungen durch die Kassen durch die Decke, das sind Rohre, in denen die laufen, die Kassen werden unten ausgestöpselt, und die Rohre werden ein bisschen rausgezogen und dann hochgebunden."
Nichts Immobiles in dieser Apotheke.
"Wir sind gerüstet", konstatiert die langjährige Mitarbeiterin Helga Kölzer:
"Wenn wir viele sind, haben wir in drei Stunden leer geräumt, dann sind wir auch bestimmt 15 Leute, nicht nur die Angestellten hier, sondern auch Freunde und Bekannte von Frau Kratz, …"
… der "hochwasserfesten" Apothekerin. Im Ernstfall kann sie in Cochem auf Hilfe bauen.
"Ich hab’ hier aufm Schreibtisch ganz viele Namen, die ausdrücklich angerufen haben: Sagen Sie bitte Bescheid, wenn auszuräumen ist, wir kommen auf jeden Fall – das fand ich schon toll."
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