Schutz der Artenvielfalt

Wie China Pflanzensamen für die Nachwelt archiviert

06:36 Minuten
Chen Chuan steht in einem Kühlraum und deutet mit dem Finger auf zwei Gläser, in denen bunte Pflanzensamen eingelagert sind.
Die Biologin Chen Chuan führt durch die Pflanzensamen-Bank in Hangzhou. © Steffen Wurzel
Von Steffen Wurzel · 04.04.2019
Audio herunterladen
Der steigende Wohlstand in China geht mit steigender Umweltverschmutzung einher. Um die pflanzliche Artenvielfalt des Landes zu bewahren, gibt es mittlerweile mehrere Pflanzensamen-Banken, in denen Saatgut katalogisiert und archiviert wird.
Das Pflanzensamenarchiv in Hangzhou ist nicht öffentlich zugänglich. Nur selten kommen Besucher. Die Räume sind abgeschlossen.
"Wir haben drei verschiedene Räume in denen unterschiedliche Bedingungen herrschen," erklärt Mitarbeiter Qian Jiangbo, während er vor einer großen dunklen Box steht, von der aus Temperatur und Luftfeuchtigkeit gesteuert werden. Auf einem kleinen Display lassen sich hier die Werte überwachen.
"Das hier unser 'Doppel-15'-Raum, dort der Kurzfrist-Lagerraum und dieser Wert hier bezieht sich auf das die Langfrist-Kühlkammer. Im 'Doppel-15'-Raum sollen 15 Grad bei 15 Prozent Luftfeuchtigkeit herrschen. Das ist die ideale Umgebung, um Pflanzensamen schnell aber schonend zu trocknen. Für den zweiten Raume zeigt das Display 3,5 Grad Celsius an, in der Langfrist-Kühlkammer ist es minus 14 Grad kalt."

Bunte Samenmischung

Die Tür zum Trockenraum sieht aus wie die überdimensionierte Tür eines altmodischen Kühlschranks. Dies ist die erste Station für die Samen, die hier in Hangzhou aufbewahrt werden, erklärt die Botanikerin Chen Chuan:
"Das Trocknen dauert rund eine Woche, einige Samen brauchen auch länger. Bei manchen dauert es einen ganzen Monat. Nach dem Trocknen prüfen wir die Feuchtigkeit in den Samen. Sobald wir ein Feuchtigkeitslevel von unter 15 Prozent messen, werden die Samen archiviert."
Viel zu sehen gibt es im Trockenraum im Moment nicht, die Regale sind fast leer. Das ändert sich in den beiden Kühlkammern. Hier sind die Regale schon gut gefüllt.
Chen Chuan holt einige marmeladenglas-artige Behältnisse aus den Regalen und reiht sie nebeneinander auf einer Edelstahl-Ablage auf. Die Gläser sind jeweils zu einem Drittel gefüllt: mit unterschiedlich geformten Samen in den verschiedensten Farben. Von grau über schwarz bis zu knallrot ist alles dabei.

Zahlreiche Seltenheiten im Archiv

Zur Zeit lagern hier in den Regalen auf dem Gelände des Botanischen Gartens von Hangzhou die Samen von knapp eintausend verschiedenen Pflanzenarten. Bezogen auf die riesige Artenvielfalt in der Region ist das noch nicht viel. Aber das Archiv soll weiter wachsen.
Den Wissenschaftlern um Botanikerin Chen Chuan geht es dabei vor allem um Pflanzen aus dem Osten Chinas. Das Wuyi-Gebirge, die Gelben Berge und die Tianmu-Region etwa sind bedeutende Mittelgebirge mit einer umfassenden Pflanzenwelt. Viele der Baum- und Pflanzenarten sind endemisch, kommen also nur hier vor.
Zwar stehen die artenreichen Mittelgebirgsregionen in Ostchina unter dem Schutz nationaler und internationaler Programme – einige gehören zum UNESCO-Welterbe – trotzdem seien mehr und mehr Arten bedroht, erklärt Yang Jun von der Landwirtschaftlichen Universität Anhui in der Stadt Hefei:
"Unser Umfeld, die Natur, verändert und wandelt sich. Einige Arten werden aussterben im Zuge dieses Wandels. Wenn wir nun also beginnen, Pflanzensamen zu konservieren, werden wir sie in der Zukunft nutzen können. Die Bio-Diversität zu bewahren ist also eine gute Sache."

Jede Pflanze kann entscheidend sein

"Eine Pflanzenart kann für das wirtschaflich-soziale Gefüge einer ganzen Region entscheidend sein," betont Botanikerin Chen Chuan vom Hangzhouer Pflanzensamen-Archiv. "Möglicherweise gibt es da draußen eine Art, die wir nicht für nützlich halten – noch nicht. Vielleicht wird sie aber in der Zukunft wichtig für uns sein. Ein Beispiel ist Reis, das Grundnahrungsmittel Chinas. Unser heutiger Reis wurde aus wilden Pflanzen gezüchtet. Wären diese Sorten ausgestorben, bevor wir sie entdeckten und nutzten, gäbe es heute keinen Reis."
Noch befindet sich die Pflanzensamen-Bank auf dem Gelände des botanischen Gartens von Hangzhou im Aufbau. Doch die Regale in den Kühlkammern sollen weiter befüllt werden, der Bestand soll wachsen.
Nicht nur im ostchinesischen Hangzhou werden in China Pflanzensamen gesammelt. Auch in Kunming, ganz im Süden des Landes, in der Provinz Yunnan befindet sich ein entsprechendes Archiv. Es ist das größte des Landes. Yang Jun von der Landwirtschafts-Uni Anhui:
"China ist groß und dehnt über viele Breitengrade hinweg von Nord nach Süd aus, von Heilongjiang bis Hainan. Entsprechend groß ist auch unsere Biodiversität. Noch besser wäre es also, wenn auch in Hangzhou künftig nicht nur Proben aus Ost-China gesammelt würden, sondern aus dem ganzen Land."
(bearbeitete Onlinefassung, thg)
Mehr zum Thema