Schusterhandwerk im Pfälzerwald

Hidden Champion Hauenstein

Schusterpfad im Pfälzerwald
Auf dem Schusterpfad können die erworbenen Schuhe gleich mal ausprobiert werden. © Deutschlandradio / Anke Petermann
Von Anke Petermann · 29.06.2018
Die Schuhindustrie im Pfälzerwald ist schon lange auf einige Vorzeigebetriebe geschrumpft, doch das Schusterdorf Hauenstein hält die Tradition hoch. Dort erworbene Treter lassen sich direkt auf Premium-Wanderwegen ausprobieren.
Gerhard Janz kommt mit zwei Wanderfreunden aus dem benachbarten Pirmasens.
"Wir gehen über den Hühnerstein aufs Wanderheim Dicke Eiche, und sind öfters schon hier gewesen, Winterkirchel vorbei, Paddelweiher, - sehr schöne Gegend - immer wieder schön".
Weiher, Wooge und Brünnel: immer plätschert etwas unterwegs. Darauf freuen sich auch Ursula Dehn und ihre Freundinnen.
"Wir haben uns heute eine längere Tour vorgenommen, wir sind ja weiter angereist aus der Vorderpfalz. Der ist schön, der Schusterpfad, mit schönen Aussichten, und dann wollten wir vielleicht hinterher noch in die Schuhmeile gehen und das verbinden."
Der Felsbrocken am Ausgangspunkt - bizarr: sieht aus, als hätte jemand steinerne Pfannkuchen aufgeschichtet. Auf "Pädeln", also schmalen Pfaden, geht es bergan. Winzige wilde Erdbeeren und mannshohe violette Fingerhüte säumen den Weg über federnden Sandboden. Gerlinde Kosian verschnauft in einer kleinen Hütte,
"… und ich hab mich schon sehr auf diese Bank gefreut."
Kosian blickt ein wenig neidisch auf den jungen Mann, der die geschwungene Holzliege mit perfektem Blick über die grünen Kuppen des endlosen Pfälzerwalds okkupiert.
"… auf diese sehr bequeme Bank."
Soeben wird Platz, Gerlinde Kosian streckt sich aus, erspäht in der Ferne die Burg Trifels auf einem dreifach gespaltenen Buntsandsteinfelsen. Kosians Tag begann mit einer frühen Zugfahrt von Speyer nach Hauenstein und einem Frühstück im Café dort.
Spieß: "Sie gehen frühstücken hier, das finde ich ja noch genusssüchtiger!"
Sonja Spieß, Leiterin des Tourist-Infozentrums in Hausenstein, ist begeistert: dass Wanderer die Dorf-Gastronomie erkunden, kommt noch zu selten vor. Fast jeder, der das Deutsche Schuhmuseum besucht, frequentiert zwar auch die Schuhmeile mit den 20 Geschäften am Ortsrand, aber umgekehrt ist der Besucherstrom eher spärlich. Dabei gäbe es Potential: 25.000 Besucher jährlich shoppen auf der Schuhmeile - dank Ausnahmegenehmigung zwischen März und Ende Oktober auch sonn- und feiertags.
In dem Mountainbiker, der im engen bunten Outfit bergauf radelt, erkennt Sonja Spieß den Kommunalpolitiker, der um die Jahrtausendwende die Idee mit den Premium-Wanderwegen hatte. Damit sicherte sich Hauenstein einen Vorsprung im Naturtourismus. Jetzt, so erklärt Manfred Seibel am Rande eines kurzen Stopps, gebe die Gemeinde die letzte Tranche der Landes-Förderung dafür aus,
"... mit einem gestalteten Weg mit einer gestalteten Wegführung zwischen Schuhmeile und Schuhmuseum deutlich zu machen, dass der Ort Hauenstein nicht in der Schuhmeile endet, sondern dort beginnt der Weg eigentlich erst."

Netz von Fabrikarbeiterwegen zwischen Landau und Pirmasens

Outlet-Schnäppchen gibt's auf der Hauensteiner Schuhmeile übrigens nicht, dafür aber qualifizierte Beratung. Heute ohne Fluoroskop. Dieses Gerät fiel Laura Stadler im Deutschen Schuhmuseum als besonders skurril auf. Die 20-Jährige absolviert den Praxis-Teil ihres dualen Wirtschaftsstudiums in der Tourist-Info und wundert sich über die sechziger Jahre.
"Da hat man Schuhe angezogen, ist in diesen Röntgenapparat und dann hat man halt gesehen, ob der Schuh passt oder nicht. Und dann kam halt irgendwann raus, Röntgenstrahlen sind gar nicht so gut. Aber früher waren die in jedem Schuhgeschäft, hieß es, und da hat man geguckt, ob der Schuh wirklich passt."
Hauensteiner Schuhverkäufer brauchen das nicht, die haben einen Röntgenblick, weiß Sonja Spieß. Im pfälzischen Originalton klingen sie so:
"'Och, für die Spreizfüß, do brauchen mer in dem Regal gar net zu gugge, do müsse mer in die anner' Abteilung gehe' - da sieht man gelerntes Auge, Schuhhandwerk - "Hallo." die wissen genau, was dem Käufer passt."
"Hallo." - "Hallo."
Im Pfälzerwald grüßen sich die Wanderer. Wir nähern uns der Dicken Eiche, der Hütte des Pfälzerwaldvereins. Im Halbschatten auf langen Holzbänken verzehren hungrige Wanderer "vun allem äbbes".
Annemarie Ambos reicht als eine der Ehrenamtlichen Essen und Getränke im Wandererheim aus.
"Vun allem äbbes - Lachen: Bratwurscht, Lebeknödel und Saumage'."
Deftiges Essen ist Tradition, wo zur körperlichen Arbeit einst lange Wege gehörten. 1896 wurde in Hauenstein die erste Schuh-Manufaktur gegründet, erzählt Sonja Spieß. Die Nachkommen der Fabrikanten-Familie Seibel betreiben heute auch die letzte verbliebene, eine gläserne Schuhfabrik.
"Wir hatten damals zur Blüte bis 1925 fast 30 eigenständige Schuh-Fabrikanten hier. Das heißt, man ist von den kleinen Orten wie Erfweiler, was im Dahner Felsenland liegt, zu Fuß. Das heißt, es gab nicht nur diesen einen Schusterpfad, sondern es gab mehrere."
Ein ganzes Netz von Fabrikarbeiterwegen zwischen Landau und Pirmasens. Am Vortag haben Spieß und Stadler eines dieser "Pädel" erkundet, das das Zeug zum achten Premium-Wanderweg hätte. Auch MTB-Trails für ein Dutzend Touren sind inzwischen ausgewiesen - das zieht beim Nachwuchs, glaubt Laura Stadler, Touristikerin in Ausbildung:
"Definitiv, man sieht wirklich durch die Mountainbiker, das sind viele auch in meinem Alter. Also, ich denke, damit kann man die jungen Leute schon locken."
Wie es mit Hauenstein weitergeht? Grünen-Politiker Seibel hatte am Rand seiner MTB-Tour die Hoffnung auf große Natursport-Events im Biosphärenreservat Pfälzerwald formuliert: Extremläufe, Ultra-Wanderungen und Bike-Touren sollen Abenteuerlustige samt Familien in den Luftkurort locken. Wanderin Gerlinde Kosian aus Speyer sieht das skeptisch: Hauenstein ist ihr Champion, aber ein heimlicher soll er bleiben.
Nachwuchs-Touristikerin Laura Stadler und Wanderin Gerlinde Kosian am Hängeler Brünnel auf dem Schusterpfad im Pfälzerwald
Nachwuchs-Touristikerin Laura Stadler und Wanderin Gerlinde Kosian am Hängeler Brünnel auf dem Schusterpfad im Pfälzerwald© Deutschlandradio / Anke Petermann