Schulsportspektakel

Wie in Brasilien

Eine Oberschule in Brandenburg lädt zur "Fußball-WM der Schulen" ein · 29.03.2014
Sicherheitschecks, Fanshops und Lautsprecher-Durchsagen - bei der Weltmeisterschaft der Schulen geht es ein bisschen so zu wie bei einer richtigen WM. Das Projekt schafft Völkerverständigung im Kleinen - Bundesländer übergreifend.
Gespannte Stimmung bei der Equipe Tricolore auf dem Weg zum ersten Gruppenspiel. Die Zehntklässler aus Cochem in Rheinland-Pfalz sind verunsichert. Bei der Eröffnungsfeier haben sie gehört, dass es in den anderen Mannschaften sogar einige Spieler von Proficlubs geben soll. Und ihre Besten sind ausgerechnet heute nicht richtig gesund.
"Jan ist fit!"
"Fit für ne Minute!"
"Hat er denn wat gegessen jetzt? Der Florian?"
"Salzstangen ..."
Ankunft in Blankenfelde, einer 25.000 Einwohner-Gemeinde nicht weit von der Berliner Stadtgrenze. Busfahrer Karl-Heinz erinnert entfernt an Fußballmanager Reiner Calmund. Und kennt sich kulinarisch aus. Das Gastgeschenk passt nicht, meint er.
Karl-Heinz: "Also, Frankreich bringt Mosel-Wein mit, wenn das die Franzose wisse."
Lehrer: "Aber die Mosel fließt auch durch Frankreich."
Karl-Heinz: "Aber kein deutscher Wein, das ist Todsünde bei den Franzosen."
Lehrerin: "Alles gut! Das ist doch die Völkerverständigung!"
Vor dem Betreten des Schulgeländes müssen die 20 Realschüler und ihre vier Lehrer erst einmal die Security passieren. Denn die ganze Oberschule Blankenfelde ist auf den Beinen: Wer nicht auf dem Fußballfeld steht, hilft bei der Sicherheit, im Fanshop, oder an der Rezeption. Der dreistöckige Plattenbau hat sich während der WM in eine Jugendherberge verwandelt. Schüler der 7., 8. und 9. arbeiten in der Touristen-Information, oder als Mannschaftsbetreuer - wie Kristin und Samantha:
Kristin: "Wir müssen auch Rundgänge machen, bei den Toiletten. Wenn die Spieler was brauchen zum Beispiel Bälle zum trainieren. Wir wurden speziell drauf vorbereitet, wir hatten vorher zwei Tage Projektwoche, und da haben wir alles besprochen."
Zwischendurch Nachhilfe in Geografie
Glockengeläut, Lautsprecher-Durchsage: "Auch euch möchte ich zur Fußball-WM der Schulen recht herzlich begrüßen! ... Und jetzt begrüßen wir aus Rheinland-Pfalz, die Schule aus Cochem! Für Frankreich."
Zurück in der Sporthalle. Lehrer Norbert Wetzstein stellt seine Spieler ein. Er trägt eine dunkelblaue Frankreich-Trainingsjacke.
"Fängt der Jan an und der Julian - ihr habt gerade gesehen, die haben immer so ein paar Schwachpunkte in der Mannschaft, die müssen wir ausnutzen. Und wir müssen mal gucken, wie die drauf sind und ich werde nach den Schwachstellen dann auswechseln."
Das erste Spiel gegen Honduras läuft gut. Die Tribünen der großen Sporthalle sind gut besetzt. Die mitgereisten Mädchen machen Stimmung ... und geben den Banknachbarn aus Hessen zwischendurch ein bisschen Nachhilfe in Geografie ...
"Was habt ihr gesagt?"
"Cochem!"
"Das ist wo wir wohnen!"
Wieder was gelernt. Und das Ganze spielerisch. Das ist die Idee hinter der Schul-WM.
4:1 gegen Honduras. So kann es weitergehen. Mit einem Headset auf dem Kopf und einer Spieltafel in der Hand verfolgt Organisator Matthias Stiller die Partien. Mehr als zehn Stunden wird er heute in der Halle stehen, Spielstände ansagen, Mannschaften vorstellen und das Publikum anheizen. Trotzdem - für ihn lohnt es sich, das Turnier alle vier Jahre auf die Beine zu stellen:
"Das ist natürlich ein besonderes Flair. Wir haben ja auch zehn Schulen, die hier übernachten. Unsere 200 Schüler sind alle eingebunden in Projekte. Also von der Frühstücksbetreuung, Mannschaftsbetreuung, Fanartikel verkaufen, Sicherheit, Touristeninformation. Da kommt man sich näher."
Public Viewing für die Schulen daheim
Hauptschüler, Realschüler, Gymnasiasten bunt durcheinander gewürfelt und aus verschiedenen Bundesländern. Stiller und sein ganzes Kollegium sind drei Tage lang im Dauereinsatz. Das imponiert auch den Lehrern der anderen Schulen.
"Das größte Kompliment ist, wenn sie sagen, das könnten sie sich bei sich überhaupt nicht vorstellen, und das macht einen riesig stolz."
In diesem Frühjahr soll es sogar einen Film über die Fußball-WM der Schulen geben, ein Frühjahrs-Märchen sozusagen. Dafür sind überall Reporter-Teams unterwegs. Und die Schulen daheim in Bayern, im Saarland oder in Sachsen, können die Spiele im Public Viewing per Live-Stream verfolgen. Auch die nächste Partie der Cochemer Franzosen gegen die Schweiz- die allerdings unnötig 2:3 verloren geht.
Deshalb ist vor dem nächsten Spiel gegen Ecuador eine Kabinenansprache fällig. Die Reporterin und ihr Mikrofon müssen draußen bleiben.
Die Predigt in der Kabine war umsonst. Gegen Ecuador legen die Rheinländer einen Fehlstart hin und liegen ganz schnell 0:2 hinten. Julian, Jan,Florian und Chris, die stärksten Spieler, wirken unsicher. Und die anderen auf der Ersatzbank kauen nervös auf ihren Fingernägeln. Dann der Anschlusstreffer.
Und 16 Sekunden vor Schluss: ein Freistoß - drin!
Lautsprecher: "Damit steht fest, dass die Schule aus Cochem Zweiter wurde und Ihr seid im Achtelfinale mit dem Last-Minute-Unentschieden, habt ihr's aber noch mal spannend gemacht!"
Im Achtelfinale scheidet Frankreich aus, gegen den Iran. Aber egal - die Völkerverständigung im Kleinen - über die Grenzen der Bundesländer, aber auch über verschiedene Schularten hinweg - die hat geklappt.