Schuldenmanagement auf turbulenten Finanzmärkten
"Aktives Schuldenmanagement" heißt die Strategie, mit der sich eine wachsende Zahl von Städten von ihren erdrückend hohen Schuldzinsen befreien will. Anstatt sich an langfristige Kreditzinsen der Hausbanken zu binden, agieren die Kämmerer an den internationalen Finanzmärkten. Doch die Erfahrungen sind sehr unterschiedlich: Während sich die Stadt Hagen kräftig verspekuliert hat, spart Salzgitter erfolgreich Geld.
Hubrig: "Einen Swap … okay. Und wie lange können Sie das halten? Okay … ja .... hmm ... das auch richtig so, okay. Vielen Dank Tschüs."
Freitagmittag. Das Wochenende naht. Doch in der Kämmerei der niedersächsischen Stadt Salzgitter wird noch konzentriert gearbeitet. Nicole Hubrig, sitzt in ihrem Büro. Telefoniert, tippt Zahlen in ihren Computer. Die Mitarbeiterin der Stadtkämmerei ist auf der Suche nach einem günstigen Millionen-Kredit.
"... Hubrig Stadt Salzgitter ... Hallo, ... ja ... Erstdarlehen ja, plus 0,02 Prozent …"
Die 26-jährige Sachbearbeiterin tippt das Zinsangebot in ihre Tabelle, beugt sich dann über ihren Schreibtisch, näher heran an ihren Flachbildschirm, scrollt die Liste der bisherigen Kredit-Offerten durch.
"Gut ... gut, okay. Vielen Dank. Tschüs."
Bis um 11 Uhr 15 müssen die Banken ihre Angebote abgegeben haben. Für einen Kredit über rund 2,3 Millionen Euro.
"Also wir schreiben einmal den Kredit aus, die variable Finanzierung, und darüber legen wir ein Derivat, womit wir dann den Festsatz bezahlen, für sechs Jahre ist dies."
Mit einem sogenannten Zinsswap kann man am Finanzmarkt einen schwankenden gegen einen Festzinssatz eintauschen. Schon seit einigen Jahren setzt die Stahlstadt Salzgitter auf solche und andere Derivatgeschäfte. Finanzderivate sind eine komplizierte Materie - aber es hilft Nicole Hubrigs Chef, dem Stadtkämmerer, Geld zu sparen beim Schuldenmachen. Der Kämmerer sitzt nur einige Türen weiter in seinem Büro.
"Also von Hause aus bin ich Bankkaufmann und Jurist."
Sagt Ekkehard Grunwald. An der Wand ein kleines Ölgemälde. Darauf ein Mann, der seine leeren Hosentaschen nach außen stülpt.
"Ja, das ist ein Kämmerer, der ... zeigt, dass er so überhaupt kein Pfennig oder keine Mark oder keinen Euro mehr hat, das Bild ist von ´93."
Ganz so schlimm ist die finanzielle Lage der 106.000-Einwohner-Stadt Salzgitter derzeit aber nicht. Sicher, die Stahlstadt hat rund eine Viertel Milliarde Euro Miese. Aber dank des Stahlbooms sind die Steuereinnahmen in den letzten Jahren wieder angestiegen. Und Salzgitter hat seit sieben Jahren einen erfolgreichen Schuldenmanager – Ekkehard Grunwald. Der zeigt mit dem Zeigefinger auf ein Blatt Papier mit zwei gezackten Kurven. Blau und rot – wie die Streifen auf seiner Krawatte:
"Das ist die Zinsstrukturkurve von 1974 bis 2006. Und als ich im Jahr 2000 in die Stadt Salzgitter kam, habe ich mir das Kreditportfolio angeschaut und habe festgestellt, dass – bis auf eine kleine Ausnahme - wir immer Festzinskredite in der Stadt abgeschlossen haben."
Kredite mit festen Zinssätze und langen Laufzeiten, ausgegeben zumeist von einer Hausbank. Das war der klassische Kommunal-Kredit. "Schon seit Julius Caesars Zeiten" scherzt Grunwald. Und tippt mit dem Finger auf die rote Linie in der Zinsstruktur-Kurve. Sie zeigt die variablen Zinssätze. Schwingt über die Jahre auf und ab, ebenso wie die blaue Kurve, die der Festzinsen. Allerdings liegt die rote Linie fast immer unter der blauen. Und das bedeutet: Kredite mit kurzen Laufzeiten sind meistens billiger. Aus dieser Erkenntnis hat Ekkehard Grunwald für Salzgitter die Konsequenzen gezogen.
"Das bedeutet, dass wir uns ganz bewusst dafür entschieden haben, Tag für Tag uns um unsere Verbindlichkeiten und Schulden zu kümmern. Und eben wegzugehen von der tradierten Handlungsweise, dass man einen Kredit für zehn Jahre fest aufnimmt und sich dann aber auch zehn Jahre nicht mehr darum kümmert, ob die Zinsstruktur nicht zu optimieren wäre oder anzupassen wäre."
Dieses sogenannte aktive Schuldenmanagement kann helfen bares Geld zu sparen. Durch die Senkung der Zinskosten.
"Man muss wissen, dass die Drei-Monats-Finanzierung, also ein Kredit, der für drei Monate aufgenommen wird, in der Zinsstruktur in der Regel – es gibt da volkswirtschaftlich bedingt Ausnahmen – aber in der Regel ein Prozent bis anderthalb Prozent billiger ist als ein Zehn-Jahres-Kredit. Und ob sie nun drei Prozent oder vier Prozent Zinsen zahlen, das ist zum Beispiel schon mal ein Unterschied. Und wenn sie dann eben Kredite haben in der Größenordnung von 200 Millionen, dann ist natürlich ein Prozentpunkt richtig Geld."
Die Kaufentscheidungen am Finanzmarkt müssen allerdings zumeist sehr schnell getroffen werden, denn laufend verändern sich die Preise für Kredite und Derivate. Das heißt: Entscheidungen, die früher im Finanzausschuss des Stadtrates diskutiert und beschlossen wurden, müssen der Kämmerer und sein Team jetzt alleine fällen. Das ist natürlich auch Vertrauenssache.
"Wir haben jetzt vor kurzem einen Kredit festgezogen, das waren glaube ich siebzig Millionen, das ist gar kein Thema, da ist also keine Begrenzung angesagt. Also ich darf alles unterschreiben, natürlich in der gebotenen Vorsicht und natürlich auch muss das auch alles nötig sein und auch geprüft sein. Und meine Mitarbeiter haben unterschiedliche Wertgrenzen, ob das jetzt die Sachbearbeiterin ist oder der Amtsleiter."
Aber das aktive Schuldenmanagement am Finanzmarkt hat auch seinen Preis: erhöhtes Risiko. Denn die Derivatgeschäfte – wie zum Beispiel die Zinsswaps – unterliegen dem Prinzip von Wetten. Schätzt der Kämmerer die zukünftige Zinsentwicklung richtig ein, kann er damit Kosten sparen. Verschätzt er sich, kann der Kurzzeitkredit plus der Swap aber auch teurer werden als angenommen. Ekkehard Grunwald und sein Team lagen bisher zumeist richtig mit ihrer Zinsmeinung, konnten der Stadt Salzgitter durch ihr geschicktes Agieren auf dem Finanzmärkten schon rund 4,5 Millionen Euro an Zinszahlungen ersparen. Vor drei Jahren wurde die Stadtkämmerei dafür ausgezeichnet: Mit einem Preis für intelligentes Sparen. Nicht nur Salzgitter – auch viele andere Städte haben sich in den letzten Jahren auf die Finanzmärkte begeben, um dort Geld zu verdienen mit dem sie ihre Schuldenberge abtragen können. Doch nicht alle hatten damit Erfolg
Die Stadt Hagen in Nordrhein-Westfalen. 195.000 Einwohner, rund eine Milliarde Euro Schulden. Und damit in der Spitzengruppe der hochverschuldeten Kommunen. Der einstmals florierenden Industriestadt am Rande des Ruhrgebietes sind in den letzten zwanzig Jahren viele Unternehmen abhanden gekommen und noch mehr Einwohner. Die Steuereinnahmen sanken dramatisch, die Ausgaben dagegen stiegen. Und damit die Schulden. Auch in Hagen wurde schon seit einigen Jahren versucht, die Zinslast per aktiven Schuldenmanagement zu senken. Doch hier haben sich die Verantwortlichen am Finanzmarkt mit Derivaten kräftig verspekuliert.
Frau: "Was ich denke, finde ich das ungeheuerlich, dass da 50 Millionen glaube ich, verspekuliert werden. Und ich hab gehört, dass der Oberbürgermeister auch darauf aufmerksam gemacht worden ist."
Mann: "Also ich bin der Meinung, da ist falsch gewirtschaftet worden. Also jeder einzelne, der hier was zu sagen hat, an der Spitze, der würde mit seinem Geld nicht so umgehen."
Die Hagener Bürger sind sauer auf ihre Stadtverwaltung und die Politiker, die mit ihrem "aktiven Schuldenmanagement", den gewaltigen Schuldenberg um weitere 50 Millionen Euro erhöht haben, anstatt ihn abzubauen.
"Wir haben zurzeit über eine Milliarde Schulden und wir häufen im Moment jeden Tag ungefähr 300.000 Euro zusätzlich an Schulden an."
... sagt Ralf Mehlmann von der Wählervereinigung Bürger-für-Hagen und zeigt auf die Homepage der Wählervereinigung. Unablässig dreht sich dort eine Schuldenuhr, zeigt für jeden ablesbar den aktuellen Hagener Schuldenstand an. Mehlmann ist ein ehemaliges SPD-Mitglied. Er und seine Mitstreiter wurden von frustrierten Bürgern in den Stadtrat gewählt, die den Filz aus Politik und Verwaltung für die immer weitere Verschuldung verantwortlich machen. Von den riskanten Derivate-Geschäften der Stadtkämmerei erfuhren die Hagener Stadtverordneten am 14. Dezember 2006, auf einer Sondersitzung beim Oberbürgermeister.
"Die sagten, sie hätten ein Derivatgeschäft aufgenommen und das wäre nicht so besonders gut gelaufen."
Zu diesem Zeitpunkt war der sogenannte "Spread-Ladder-Swap" schon mit 35 Millionen Euro im Minus. Auf Nachfragen erfuhren die Stadtverordneten dann, dass sich das Spekulationsgeschäft aber auch noch viel schlechter entwickeln konnte. Denn ...
"Erstens: Es gab kein Kündigungsrecht von Seiten der Stadt, aber von Seiten der Deutschen Bank. Zweitens: Auf diesem Vertrag stand groß: Diese Vereinbarung hat ein unbegrenztes Risiko für die Stadt. - Als wir das das erste Mal gehört haben, im Dezember vor einem Jahr, haben wir es gar nicht glauben wollen, dass jemand so etwas unterschreibt. Ein 'unbegrenztes Risiko', also es hätten 200 Millionen, 500 Millionen, eine Milliarde, es war ein unbegrenztes Risiko, das stand da so drauf."
Gemeinsam entschloss man sich, die Notbremse zu ziehen für das missglückte Geschäft mit der Deutschen Bank. In Form eines sogenannten Caps – einer nachträglichen Risikobegrenzung. Die Bank willigte ein, gegen eine Gebühr von über zehn Millionen Euro. Inzwischen ist die Stadtkämmerin, die das gigantische Verlustgeschäft vor drei Jahren einfädelte, zur Stadtverwaltung nach Aachen gewechselt. Der Hagener Oberbürgermeister, der den riskanten Deal auch unterschrieben hatte, ist aber noch immer im Amt. Die Stadt Hagen droht von der Schuldenlast erdrückt zu werden, die sich schon über Jahrzehnte angehäuft hat, sagt der neue Stadtkämmerer, Christof Gerbersmann.
"Wir haben das Geld nicht, um die Zinsen zu bedienen und müssen für diese Zinsen dann wieder neue Kassenkredite aufnehmen und dadurch rollt der Schneeball immer schneller."
Bereits seit Mitte der 90er Jahre habe die Stadt deshalb angefangen die Zinskosten durch ein aktives Schuldenmanagement zu drücken, sagt der 43-jährige Kämmerer, ein studierter Landschaftsplaner mit Bankerfahrung
"Und bis zum Jahre 2005, 2006 ist das auch mit großem Erfolg hier betrieben worden. Es sind über zwölf Millionen Euro an Zinsbelastungen gespart worden. Im Jahre 2005 hat man dann zwei Derivatgeschäfte abgeschlossen mit der Deutschen Bank, die sich nicht so entwickelt haben wie damals von der Stadt Hagen, aber auch von Seiten der Deutschen Bank prognostiziert. Wir fühlen dort uns von der Deutschen Bank nicht ausreichend und korrekt beraten. Und die Stadt Hagen hat deswegen auch beschlossen, den Klageweg zu beschreiten, die Klage ist inzwischen eingereicht."
Die Stadt Hagen will ihre 50 Millionen Euro aus dem Derivatgeschäft von der Deutschen Bank zurückhaben. Am 23. April wird der Streit vorm Landgericht verhandelt. Hagen hofft auf einen Erfolg, denn die Stadt steckt in der Schuldenfalle.
"Wir haben im Jahr 2008 prognostiziert einen Schuldendienst, also das, was wir für Zinsen und Tilgung bezahlen müssen, ohne die Derivate von über 40 Millionen Euro, 40 Millionen Euro. Wir werden mit einem Jahresdefizit von etwas über 100 Millionen Euro abschließen. Sie können also sehen, mehr als ein Drittel unseres Defizits sind Schuldendienste. Und das Jahr für Jahr und vor allen Dingen mit steigender Tendenz."
Hagen ist nicht allein. Viele Städte und Gemeinden sind beim Kampf gegen die immer erdrückenderen Schuldenlasten zu einem aktiven Schuldenmanagement übergegangen. Haben sich an den Finanzmärkten mit Derivaten eingedeckt, um damit ihre Zinskosten zu drücken. Und sind damit auf die Nase gefallen. Einer der immer wieder davor gewarnt hatte, ist Eberhard Kanski. 47 Jahre alt, studierter Volkswirt und Finanzexperte beim Bund der Steuerzahler in Düsseldorf
Kanski blättert in seinen Unterlagen. Zieht einen Artikel hervor. "Die Rathausspekulanten" lautet die Überschrift.
"Da hab ich geschrieben: Man reibt sich die Augen, die eher zurückhaltenden Stadtkämmerer haben in großer Zahl das glatte Börsenparkett für ihre Städte entdeckt, doch handeln die kommunalen Kassenwarte nicht mit klassischen Aktien, sondern mit wesentlich komplizierteren Finanzprodukten. Man kauft und verkauft Zinsswaps, Caps und Floors, Cross-Currency Swaps. Doch diese Finanzprodukte sind hochspekulativ, einer Wette vergleichbar. Und wer das schon mal gemacht hat, weiß, dass man nicht unbedingt gewinnt."
Eberhard Kanski legt seinen Artikel zur Seite. Er stammt bereits aus dem Sommer 2006. Damals schien die Welt der Finanz-Derivate noch in Ordnung
"Ich bin damals sehr beschimpft worden für den Artikel. Der Fachverband der Kämmer, der hat mich dann eingeladen, der hat mich dann aufgefordert, ich sollte diesen Vorwurf von Rathaus-Spekulation zurücknehmen. Ich hab's nicht gemacht und ich hab gesagt, lasst uns mal zwei Jahre warten. Jetzt haben wir das Dilemma: Hagen hat Millionen Verluste, Dortmund, der Rhein-Kreis Neuß, die Stadt Neuss, Mainz, Würzburg – also ne Reihe von großen Gebietskörperschaften, Städten in Deutschland haben Millionen Verluste und versuchen die jetzt durch Klagen wieder reinzuholen."
In glanzvollen Prospekten, Fachzeitschriften und Fachseminaren für Kämmerer werden die Derivate als moderne Instrumente für das aktive kommunale Schuldenmanagement von den Banken beworben. Auch halbstaatliche Banken, wie zum Beispiel die WestLB, haben Kommunen mit ihren Steuergeldern aufs glatte Börsenparkett gelockt.
"Die WestLB verkauft an die Kommunen ein 'Sorglos-Paket'. Ich habe den Verdacht, die einzigen, die sorglos sind, sind die Landesbänker."
Inzwischen klingt die Werbebotschaft vom "Sorglos-Paket" wie ein Hohn. Nicht nur Beratungskunden, wie zum Beispiel die Stadt Remscheid, haben mit Hilfe der WestLB Millionen Verluste gemacht. Auch die WestLB selber ist durch missglückte Spekulationsgeschäfte in große Schwierigkeiten geraten. Denn der jahrelange Aufwind auf den internationalen Finanzmärkten hat sich gedreht. Nun herrschen stürmische Turbulenzen. Mit gefährlichen Auswirkungen auch für die Zinsswaps.
"Swaps funktionieren immer dann, wenn wir eine normale Börse haben, wenn der langfristige Kapitalmarktzins höher ist als der kurzfristige Kapitalmarktzins. Nun haben wir heute eine sogenannte inverse Zinskurve, die beiden Zinssätze Lang und Kurz sind in etwa gleich hoch, da klappt es dann mit den Swaps an den Weltbörsen nicht mehr. Und wer diese Wetten geschlossen hat, der verliert heute regelmäßig. Ich wage die Prognose, dass noch viel mehr Städte in Deutschland Verluste, Millionen-Verluste mit Swaps machen werden."
Eberhard Kanski hält die meisten kommunalen Kämmereien schlichtweg für überfordert, sich auf den turbulenten Finanzmärkten eine unabhängige Zinsmeinung zu bilden.
"Da kann ich in die Wirtschaftspresse gucken, ich kann die Wirtschaftsnachrichten hören, aber ich bin im Prinzip alleine gestellt. Auch die Expertisen der Großbanken helfen einer Stadt nicht weiter, denn in diesen Expertisen werden immer verschiedene Szenarien genannt. Mir selbst liegen solche Unterlagen vor. Und der Kämmerer muss sich dann trotzdem mit seinem doch überschaubaren Team sich eine Vorstellung machen, wie das weitere Zinsniveau sich entwickelt. Und das ist eine Entscheidung, die ist unsicher. Und man merkt sofort, das ist eine hochspekulative Angelegenheit."
Der Bund der Steuerzahler fordert deshalb von den Stadtkämmerern unmissverständlich: Finger weg von spekulativen Geldgeschäften!
"Die Städte sollen sich ja immer mehr wie ein Unternehmer verhalten. Wenn ein Unternehmer eine Investitionsentscheidung trifft, muss er doch wissen, wie teuer die Investition ist, wie hoch die Folgekosten sind. Er braucht Planungssicherheit. Und diese Planungssicherheit kann ich mir doch nur über langfristige Konditionen sichern. Und langfristige Konditionen im Bereich der Finanzierung, das ist nun mal der klassische Kommunalkredit. Der kann teurer sein, aber ich weiß, wie teuer er ist. Und ich bin auf jeden Fall weg von jeglicher Spekulation."
In Hagen, wo man das verspekulierte Steuergeld von der Deutschen Bank zurückklagen will, werden zur Zeit keine neuen Derivate-Geschäfte mehr abgeschlossen. Dennoch hofft der Kämmerer Christof Gerbesmann, sie demnächst wieder einzusetzen. Dann aber innerhalb klar beschriebener Risiko-Grenzen, die er jetzt dem Stadtrat zur Entscheidung vorlegen will.
"Ich denke, dass nach wie vor ein aktives Schuldenmanagement angesichts unserer weiter steigenden Zinslastbelastung sinnvoll und wünschenswert ist. Aber man kann es nur durchführen, wenn das Vertrauen eben auch da ist, dass diese neue Begrenzung dann auch tatsächlich zu einem verantwortlichen Umgang führen. Wenn das Vertrauen nicht da sein sollte, dann muss man das zur Kenntnis nehmen und muss dann eben so handeln, dass man sagt, man verzichtet künftig drauf. Dann allerdings nicht nur auf die Risiken, sondern auch auf die Chancen, die wir in Hagen ja durchaus gehabt haben."
Zurück im niedersächsischen Salzgitter.
"Hubrig. Hallo Herr Wenderla, ich würde dann gern den Swap mit Ihnen abschließen. Ja , mmmh, ... Die Zinsen machen wir dann über Abbuche ..."
Sachbearbeiterin Nicole Hubrig hat den Kredit über 2,3 Millionen und den Zinsswap unter Dach und Fach. Teure Spekulationspleiten, wie in Hagen oder anderen Städten, seien in Salzgitter ausgeschlossen, sagt ihr Chef, Kämmerer Ekkehard Grunwald. Denn hier seien die Risiken ganz klar begrenzt. Durch eine detaillierte und verbindliche Dienstanweisung für das aktive Schuldenmanagement. "Unter uns Pastoren-Töchtern" sagt Ekkehard Grunwald
"Es ist die Deutsche Bank gewesen. Leute aus Hamburg, die gesagt haben, ihr müsst unbedingt einen definierten 'Worst Case' in euren Produkten haben, sonst können wir euch das nicht empfehlen. Und das haben wir dann auch in unsere Richtlinien aufgenommen."
Natürlich habe er mit seiner Zinsmeinung auch schon mal daneben gelegen, sagt Grunwald. Aber das Geld, das die Stadt dabei verlor, hat der gewiefte Kämmerer durch andere Spekulationsgeschäfte wieder hereingeholt.
"Ist gut gelaufen, wir können zufrieden sein. Wunderbar."
Freitagmittag. Das Wochenende naht. Doch in der Kämmerei der niedersächsischen Stadt Salzgitter wird noch konzentriert gearbeitet. Nicole Hubrig, sitzt in ihrem Büro. Telefoniert, tippt Zahlen in ihren Computer. Die Mitarbeiterin der Stadtkämmerei ist auf der Suche nach einem günstigen Millionen-Kredit.
"... Hubrig Stadt Salzgitter ... Hallo, ... ja ... Erstdarlehen ja, plus 0,02 Prozent …"
Die 26-jährige Sachbearbeiterin tippt das Zinsangebot in ihre Tabelle, beugt sich dann über ihren Schreibtisch, näher heran an ihren Flachbildschirm, scrollt die Liste der bisherigen Kredit-Offerten durch.
"Gut ... gut, okay. Vielen Dank. Tschüs."
Bis um 11 Uhr 15 müssen die Banken ihre Angebote abgegeben haben. Für einen Kredit über rund 2,3 Millionen Euro.
"Also wir schreiben einmal den Kredit aus, die variable Finanzierung, und darüber legen wir ein Derivat, womit wir dann den Festsatz bezahlen, für sechs Jahre ist dies."
Mit einem sogenannten Zinsswap kann man am Finanzmarkt einen schwankenden gegen einen Festzinssatz eintauschen. Schon seit einigen Jahren setzt die Stahlstadt Salzgitter auf solche und andere Derivatgeschäfte. Finanzderivate sind eine komplizierte Materie - aber es hilft Nicole Hubrigs Chef, dem Stadtkämmerer, Geld zu sparen beim Schuldenmachen. Der Kämmerer sitzt nur einige Türen weiter in seinem Büro.
"Also von Hause aus bin ich Bankkaufmann und Jurist."
Sagt Ekkehard Grunwald. An der Wand ein kleines Ölgemälde. Darauf ein Mann, der seine leeren Hosentaschen nach außen stülpt.
"Ja, das ist ein Kämmerer, der ... zeigt, dass er so überhaupt kein Pfennig oder keine Mark oder keinen Euro mehr hat, das Bild ist von ´93."
Ganz so schlimm ist die finanzielle Lage der 106.000-Einwohner-Stadt Salzgitter derzeit aber nicht. Sicher, die Stahlstadt hat rund eine Viertel Milliarde Euro Miese. Aber dank des Stahlbooms sind die Steuereinnahmen in den letzten Jahren wieder angestiegen. Und Salzgitter hat seit sieben Jahren einen erfolgreichen Schuldenmanager – Ekkehard Grunwald. Der zeigt mit dem Zeigefinger auf ein Blatt Papier mit zwei gezackten Kurven. Blau und rot – wie die Streifen auf seiner Krawatte:
"Das ist die Zinsstrukturkurve von 1974 bis 2006. Und als ich im Jahr 2000 in die Stadt Salzgitter kam, habe ich mir das Kreditportfolio angeschaut und habe festgestellt, dass – bis auf eine kleine Ausnahme - wir immer Festzinskredite in der Stadt abgeschlossen haben."
Kredite mit festen Zinssätze und langen Laufzeiten, ausgegeben zumeist von einer Hausbank. Das war der klassische Kommunal-Kredit. "Schon seit Julius Caesars Zeiten" scherzt Grunwald. Und tippt mit dem Finger auf die rote Linie in der Zinsstruktur-Kurve. Sie zeigt die variablen Zinssätze. Schwingt über die Jahre auf und ab, ebenso wie die blaue Kurve, die der Festzinsen. Allerdings liegt die rote Linie fast immer unter der blauen. Und das bedeutet: Kredite mit kurzen Laufzeiten sind meistens billiger. Aus dieser Erkenntnis hat Ekkehard Grunwald für Salzgitter die Konsequenzen gezogen.
"Das bedeutet, dass wir uns ganz bewusst dafür entschieden haben, Tag für Tag uns um unsere Verbindlichkeiten und Schulden zu kümmern. Und eben wegzugehen von der tradierten Handlungsweise, dass man einen Kredit für zehn Jahre fest aufnimmt und sich dann aber auch zehn Jahre nicht mehr darum kümmert, ob die Zinsstruktur nicht zu optimieren wäre oder anzupassen wäre."
Dieses sogenannte aktive Schuldenmanagement kann helfen bares Geld zu sparen. Durch die Senkung der Zinskosten.
"Man muss wissen, dass die Drei-Monats-Finanzierung, also ein Kredit, der für drei Monate aufgenommen wird, in der Zinsstruktur in der Regel – es gibt da volkswirtschaftlich bedingt Ausnahmen – aber in der Regel ein Prozent bis anderthalb Prozent billiger ist als ein Zehn-Jahres-Kredit. Und ob sie nun drei Prozent oder vier Prozent Zinsen zahlen, das ist zum Beispiel schon mal ein Unterschied. Und wenn sie dann eben Kredite haben in der Größenordnung von 200 Millionen, dann ist natürlich ein Prozentpunkt richtig Geld."
Die Kaufentscheidungen am Finanzmarkt müssen allerdings zumeist sehr schnell getroffen werden, denn laufend verändern sich die Preise für Kredite und Derivate. Das heißt: Entscheidungen, die früher im Finanzausschuss des Stadtrates diskutiert und beschlossen wurden, müssen der Kämmerer und sein Team jetzt alleine fällen. Das ist natürlich auch Vertrauenssache.
"Wir haben jetzt vor kurzem einen Kredit festgezogen, das waren glaube ich siebzig Millionen, das ist gar kein Thema, da ist also keine Begrenzung angesagt. Also ich darf alles unterschreiben, natürlich in der gebotenen Vorsicht und natürlich auch muss das auch alles nötig sein und auch geprüft sein. Und meine Mitarbeiter haben unterschiedliche Wertgrenzen, ob das jetzt die Sachbearbeiterin ist oder der Amtsleiter."
Aber das aktive Schuldenmanagement am Finanzmarkt hat auch seinen Preis: erhöhtes Risiko. Denn die Derivatgeschäfte – wie zum Beispiel die Zinsswaps – unterliegen dem Prinzip von Wetten. Schätzt der Kämmerer die zukünftige Zinsentwicklung richtig ein, kann er damit Kosten sparen. Verschätzt er sich, kann der Kurzzeitkredit plus der Swap aber auch teurer werden als angenommen. Ekkehard Grunwald und sein Team lagen bisher zumeist richtig mit ihrer Zinsmeinung, konnten der Stadt Salzgitter durch ihr geschicktes Agieren auf dem Finanzmärkten schon rund 4,5 Millionen Euro an Zinszahlungen ersparen. Vor drei Jahren wurde die Stadtkämmerei dafür ausgezeichnet: Mit einem Preis für intelligentes Sparen. Nicht nur Salzgitter – auch viele andere Städte haben sich in den letzten Jahren auf die Finanzmärkte begeben, um dort Geld zu verdienen mit dem sie ihre Schuldenberge abtragen können. Doch nicht alle hatten damit Erfolg
Die Stadt Hagen in Nordrhein-Westfalen. 195.000 Einwohner, rund eine Milliarde Euro Schulden. Und damit in der Spitzengruppe der hochverschuldeten Kommunen. Der einstmals florierenden Industriestadt am Rande des Ruhrgebietes sind in den letzten zwanzig Jahren viele Unternehmen abhanden gekommen und noch mehr Einwohner. Die Steuereinnahmen sanken dramatisch, die Ausgaben dagegen stiegen. Und damit die Schulden. Auch in Hagen wurde schon seit einigen Jahren versucht, die Zinslast per aktiven Schuldenmanagement zu senken. Doch hier haben sich die Verantwortlichen am Finanzmarkt mit Derivaten kräftig verspekuliert.
Frau: "Was ich denke, finde ich das ungeheuerlich, dass da 50 Millionen glaube ich, verspekuliert werden. Und ich hab gehört, dass der Oberbürgermeister auch darauf aufmerksam gemacht worden ist."
Mann: "Also ich bin der Meinung, da ist falsch gewirtschaftet worden. Also jeder einzelne, der hier was zu sagen hat, an der Spitze, der würde mit seinem Geld nicht so umgehen."
Die Hagener Bürger sind sauer auf ihre Stadtverwaltung und die Politiker, die mit ihrem "aktiven Schuldenmanagement", den gewaltigen Schuldenberg um weitere 50 Millionen Euro erhöht haben, anstatt ihn abzubauen.
"Wir haben zurzeit über eine Milliarde Schulden und wir häufen im Moment jeden Tag ungefähr 300.000 Euro zusätzlich an Schulden an."
... sagt Ralf Mehlmann von der Wählervereinigung Bürger-für-Hagen und zeigt auf die Homepage der Wählervereinigung. Unablässig dreht sich dort eine Schuldenuhr, zeigt für jeden ablesbar den aktuellen Hagener Schuldenstand an. Mehlmann ist ein ehemaliges SPD-Mitglied. Er und seine Mitstreiter wurden von frustrierten Bürgern in den Stadtrat gewählt, die den Filz aus Politik und Verwaltung für die immer weitere Verschuldung verantwortlich machen. Von den riskanten Derivate-Geschäften der Stadtkämmerei erfuhren die Hagener Stadtverordneten am 14. Dezember 2006, auf einer Sondersitzung beim Oberbürgermeister.
"Die sagten, sie hätten ein Derivatgeschäft aufgenommen und das wäre nicht so besonders gut gelaufen."
Zu diesem Zeitpunkt war der sogenannte "Spread-Ladder-Swap" schon mit 35 Millionen Euro im Minus. Auf Nachfragen erfuhren die Stadtverordneten dann, dass sich das Spekulationsgeschäft aber auch noch viel schlechter entwickeln konnte. Denn ...
"Erstens: Es gab kein Kündigungsrecht von Seiten der Stadt, aber von Seiten der Deutschen Bank. Zweitens: Auf diesem Vertrag stand groß: Diese Vereinbarung hat ein unbegrenztes Risiko für die Stadt. - Als wir das das erste Mal gehört haben, im Dezember vor einem Jahr, haben wir es gar nicht glauben wollen, dass jemand so etwas unterschreibt. Ein 'unbegrenztes Risiko', also es hätten 200 Millionen, 500 Millionen, eine Milliarde, es war ein unbegrenztes Risiko, das stand da so drauf."
Gemeinsam entschloss man sich, die Notbremse zu ziehen für das missglückte Geschäft mit der Deutschen Bank. In Form eines sogenannten Caps – einer nachträglichen Risikobegrenzung. Die Bank willigte ein, gegen eine Gebühr von über zehn Millionen Euro. Inzwischen ist die Stadtkämmerin, die das gigantische Verlustgeschäft vor drei Jahren einfädelte, zur Stadtverwaltung nach Aachen gewechselt. Der Hagener Oberbürgermeister, der den riskanten Deal auch unterschrieben hatte, ist aber noch immer im Amt. Die Stadt Hagen droht von der Schuldenlast erdrückt zu werden, die sich schon über Jahrzehnte angehäuft hat, sagt der neue Stadtkämmerer, Christof Gerbersmann.
"Wir haben das Geld nicht, um die Zinsen zu bedienen und müssen für diese Zinsen dann wieder neue Kassenkredite aufnehmen und dadurch rollt der Schneeball immer schneller."
Bereits seit Mitte der 90er Jahre habe die Stadt deshalb angefangen die Zinskosten durch ein aktives Schuldenmanagement zu drücken, sagt der 43-jährige Kämmerer, ein studierter Landschaftsplaner mit Bankerfahrung
"Und bis zum Jahre 2005, 2006 ist das auch mit großem Erfolg hier betrieben worden. Es sind über zwölf Millionen Euro an Zinsbelastungen gespart worden. Im Jahre 2005 hat man dann zwei Derivatgeschäfte abgeschlossen mit der Deutschen Bank, die sich nicht so entwickelt haben wie damals von der Stadt Hagen, aber auch von Seiten der Deutschen Bank prognostiziert. Wir fühlen dort uns von der Deutschen Bank nicht ausreichend und korrekt beraten. Und die Stadt Hagen hat deswegen auch beschlossen, den Klageweg zu beschreiten, die Klage ist inzwischen eingereicht."
Die Stadt Hagen will ihre 50 Millionen Euro aus dem Derivatgeschäft von der Deutschen Bank zurückhaben. Am 23. April wird der Streit vorm Landgericht verhandelt. Hagen hofft auf einen Erfolg, denn die Stadt steckt in der Schuldenfalle.
"Wir haben im Jahr 2008 prognostiziert einen Schuldendienst, also das, was wir für Zinsen und Tilgung bezahlen müssen, ohne die Derivate von über 40 Millionen Euro, 40 Millionen Euro. Wir werden mit einem Jahresdefizit von etwas über 100 Millionen Euro abschließen. Sie können also sehen, mehr als ein Drittel unseres Defizits sind Schuldendienste. Und das Jahr für Jahr und vor allen Dingen mit steigender Tendenz."
Hagen ist nicht allein. Viele Städte und Gemeinden sind beim Kampf gegen die immer erdrückenderen Schuldenlasten zu einem aktiven Schuldenmanagement übergegangen. Haben sich an den Finanzmärkten mit Derivaten eingedeckt, um damit ihre Zinskosten zu drücken. Und sind damit auf die Nase gefallen. Einer der immer wieder davor gewarnt hatte, ist Eberhard Kanski. 47 Jahre alt, studierter Volkswirt und Finanzexperte beim Bund der Steuerzahler in Düsseldorf
Kanski blättert in seinen Unterlagen. Zieht einen Artikel hervor. "Die Rathausspekulanten" lautet die Überschrift.
"Da hab ich geschrieben: Man reibt sich die Augen, die eher zurückhaltenden Stadtkämmerer haben in großer Zahl das glatte Börsenparkett für ihre Städte entdeckt, doch handeln die kommunalen Kassenwarte nicht mit klassischen Aktien, sondern mit wesentlich komplizierteren Finanzprodukten. Man kauft und verkauft Zinsswaps, Caps und Floors, Cross-Currency Swaps. Doch diese Finanzprodukte sind hochspekulativ, einer Wette vergleichbar. Und wer das schon mal gemacht hat, weiß, dass man nicht unbedingt gewinnt."
Eberhard Kanski legt seinen Artikel zur Seite. Er stammt bereits aus dem Sommer 2006. Damals schien die Welt der Finanz-Derivate noch in Ordnung
"Ich bin damals sehr beschimpft worden für den Artikel. Der Fachverband der Kämmer, der hat mich dann eingeladen, der hat mich dann aufgefordert, ich sollte diesen Vorwurf von Rathaus-Spekulation zurücknehmen. Ich hab's nicht gemacht und ich hab gesagt, lasst uns mal zwei Jahre warten. Jetzt haben wir das Dilemma: Hagen hat Millionen Verluste, Dortmund, der Rhein-Kreis Neuß, die Stadt Neuss, Mainz, Würzburg – also ne Reihe von großen Gebietskörperschaften, Städten in Deutschland haben Millionen Verluste und versuchen die jetzt durch Klagen wieder reinzuholen."
In glanzvollen Prospekten, Fachzeitschriften und Fachseminaren für Kämmerer werden die Derivate als moderne Instrumente für das aktive kommunale Schuldenmanagement von den Banken beworben. Auch halbstaatliche Banken, wie zum Beispiel die WestLB, haben Kommunen mit ihren Steuergeldern aufs glatte Börsenparkett gelockt.
"Die WestLB verkauft an die Kommunen ein 'Sorglos-Paket'. Ich habe den Verdacht, die einzigen, die sorglos sind, sind die Landesbänker."
Inzwischen klingt die Werbebotschaft vom "Sorglos-Paket" wie ein Hohn. Nicht nur Beratungskunden, wie zum Beispiel die Stadt Remscheid, haben mit Hilfe der WestLB Millionen Verluste gemacht. Auch die WestLB selber ist durch missglückte Spekulationsgeschäfte in große Schwierigkeiten geraten. Denn der jahrelange Aufwind auf den internationalen Finanzmärkten hat sich gedreht. Nun herrschen stürmische Turbulenzen. Mit gefährlichen Auswirkungen auch für die Zinsswaps.
"Swaps funktionieren immer dann, wenn wir eine normale Börse haben, wenn der langfristige Kapitalmarktzins höher ist als der kurzfristige Kapitalmarktzins. Nun haben wir heute eine sogenannte inverse Zinskurve, die beiden Zinssätze Lang und Kurz sind in etwa gleich hoch, da klappt es dann mit den Swaps an den Weltbörsen nicht mehr. Und wer diese Wetten geschlossen hat, der verliert heute regelmäßig. Ich wage die Prognose, dass noch viel mehr Städte in Deutschland Verluste, Millionen-Verluste mit Swaps machen werden."
Eberhard Kanski hält die meisten kommunalen Kämmereien schlichtweg für überfordert, sich auf den turbulenten Finanzmärkten eine unabhängige Zinsmeinung zu bilden.
"Da kann ich in die Wirtschaftspresse gucken, ich kann die Wirtschaftsnachrichten hören, aber ich bin im Prinzip alleine gestellt. Auch die Expertisen der Großbanken helfen einer Stadt nicht weiter, denn in diesen Expertisen werden immer verschiedene Szenarien genannt. Mir selbst liegen solche Unterlagen vor. Und der Kämmerer muss sich dann trotzdem mit seinem doch überschaubaren Team sich eine Vorstellung machen, wie das weitere Zinsniveau sich entwickelt. Und das ist eine Entscheidung, die ist unsicher. Und man merkt sofort, das ist eine hochspekulative Angelegenheit."
Der Bund der Steuerzahler fordert deshalb von den Stadtkämmerern unmissverständlich: Finger weg von spekulativen Geldgeschäften!
"Die Städte sollen sich ja immer mehr wie ein Unternehmer verhalten. Wenn ein Unternehmer eine Investitionsentscheidung trifft, muss er doch wissen, wie teuer die Investition ist, wie hoch die Folgekosten sind. Er braucht Planungssicherheit. Und diese Planungssicherheit kann ich mir doch nur über langfristige Konditionen sichern. Und langfristige Konditionen im Bereich der Finanzierung, das ist nun mal der klassische Kommunalkredit. Der kann teurer sein, aber ich weiß, wie teuer er ist. Und ich bin auf jeden Fall weg von jeglicher Spekulation."
In Hagen, wo man das verspekulierte Steuergeld von der Deutschen Bank zurückklagen will, werden zur Zeit keine neuen Derivate-Geschäfte mehr abgeschlossen. Dennoch hofft der Kämmerer Christof Gerbesmann, sie demnächst wieder einzusetzen. Dann aber innerhalb klar beschriebener Risiko-Grenzen, die er jetzt dem Stadtrat zur Entscheidung vorlegen will.
"Ich denke, dass nach wie vor ein aktives Schuldenmanagement angesichts unserer weiter steigenden Zinslastbelastung sinnvoll und wünschenswert ist. Aber man kann es nur durchführen, wenn das Vertrauen eben auch da ist, dass diese neue Begrenzung dann auch tatsächlich zu einem verantwortlichen Umgang führen. Wenn das Vertrauen nicht da sein sollte, dann muss man das zur Kenntnis nehmen und muss dann eben so handeln, dass man sagt, man verzichtet künftig drauf. Dann allerdings nicht nur auf die Risiken, sondern auch auf die Chancen, die wir in Hagen ja durchaus gehabt haben."
Zurück im niedersächsischen Salzgitter.
"Hubrig. Hallo Herr Wenderla, ich würde dann gern den Swap mit Ihnen abschließen. Ja , mmmh, ... Die Zinsen machen wir dann über Abbuche ..."
Sachbearbeiterin Nicole Hubrig hat den Kredit über 2,3 Millionen und den Zinsswap unter Dach und Fach. Teure Spekulationspleiten, wie in Hagen oder anderen Städten, seien in Salzgitter ausgeschlossen, sagt ihr Chef, Kämmerer Ekkehard Grunwald. Denn hier seien die Risiken ganz klar begrenzt. Durch eine detaillierte und verbindliche Dienstanweisung für das aktive Schuldenmanagement. "Unter uns Pastoren-Töchtern" sagt Ekkehard Grunwald
"Es ist die Deutsche Bank gewesen. Leute aus Hamburg, die gesagt haben, ihr müsst unbedingt einen definierten 'Worst Case' in euren Produkten haben, sonst können wir euch das nicht empfehlen. Und das haben wir dann auch in unsere Richtlinien aufgenommen."
Natürlich habe er mit seiner Zinsmeinung auch schon mal daneben gelegen, sagt Grunwald. Aber das Geld, das die Stadt dabei verlor, hat der gewiefte Kämmerer durch andere Spekulationsgeschäfte wieder hereingeholt.
"Ist gut gelaufen, wir können zufrieden sein. Wunderbar."