Schuld und Sünde, Not und Pein
Der Karsamstag ist für Christen ein exemplarischer Tag. Er lebt, so der katholische Theologe Karl-Josef Kuschel, von "der Spannung zwischen den Erinnerung an Grauenhaftes, das nicht verdrängt werden kann, und der Hoffnung auf eine Erfüllung, die nur erahnbar ist". Aus dieser Spannung sind die Kirchenlieder der Passions- und der vorösterlichen Bußzeit entstanden.
Musik:
"O du hochheilig Kreuze,
daran mein Herr gehangen
in Schmerz und Todesbangen,
in Schmerz und Todesbangen."
Ein Loblied des Kreuzes ist das. Die älteste Textfassung findet man im Konstanzer "Catholischen Gesangbüchlein" aus dem Jahr 1600. 30 Jahre später kommt die eindringliche, kunstvolle Melodie aus Erfurt hinzu und verdrängt die ältere Konstanzer Tonfolge.
Zur Zeit seiner Entstehung hat das Lied sieben Strophen. Die ersten drei besingen das Kreuz, vergegenwärtigen die Passion Jesu Christi und rufen abschließend mit einer rhetorischen Frage zum Lob des Kreuzes auf:
"Wer kann dich doch genug loben,
weil als inn dir beschlossen,
was guts von Himmel gflossen."
So lautet der Urtext der dritten Strophe.
Die folgenden vier bilden eine Art Litanei vom hochheiligen Kreuz. Sie beginnen stets mit der Anrede "Du bist ..." und nehmen – Wiederholung um Wiederholung – das Kreuz näher in den Blick als Leiter, Brücke, Pilgerstab und Bett.
Musik:
"Du bist die sichre Leiter,
darauf man steigt zum Leben,
das Gott will ewig geben,
das Gott will ewig geben."
"Als Jakob nach Mesopotamien zog, schaute er Gott im Traumgesicht, wie er oben auf der Leiter stand, das heißt, auf dem Holz des Kreuzes, das von der Erde bis zum Himmel reichend aufgerichtet war. Denn auf der Leiter steigen die, die an ihn glauben, zum Himmel hinaus. Seine Leiden sind die Kräfte, die uns dort hinauf führen."
Diese Deutung verfasst Irenäus von Lyon im zweiten Jahrhundert. Der Kirchenvater entdeckt in der alttestamentlichen Erzählung von Jakob in Bet-El mit Blick auf die sogenannte Jakobsleiter ein Vor-Bild, einen Typos des Kreuzes. Solch typologische Deutungen des Kreuzes findet man in den Werkstätten der frühen Theologen zuhauf. Etliche dieser Typoi finden später Einzug in die Litanei vom hochheiligen Kreuz. Die umfasst im Laufe der Jahrhunderte mal zehn, mal elf, mitunter gar 15 Strophen.
Das Lied entsteht im Zuge der Gegenreformation, ist aber frei von jeglicher Polemik. Es eignet sich – gut katholisch – bestens für Wallfahrten und Prozessionen. Der Text wird vorgesprochen oder vorgesungen, und am Ende stimmen alle ein. So benötigt man keine Textblätter und man kann sich beim Gesang etwa am Karfreitag ganz auf den Weg zum Kreuz und auf dessen Verehrung konzentrieren.
Musik:
"O Traurigkeit, o Herzeleid!
Ist dass denn nicht zu klagen:
Gott des Vaters einigs Kind
wird zum Grab getragen."
Der Text dieses Klageliedes geht auf den Jesuiten Friedrich von Spee zurück. Die Melodie "von ergreifender Schlichtheit" stammt vermutlich von seinem Ordensbruder Georg Gippenbusch. 1628 erscheint das Lied in mehreren katholischen Gesangbüchern. In diesen Erstdrucken findet man die Anweisung:
"Wann man am Charfreytag Christum im H[eiligen] Sacrament zu grabe tregt."
"O Traurigkeit, o Herzeleid" ist ein Grablied, entstanden aus der lebendigen Tradition der Grablegung. Bei diesem katholischen Ritus bringt man am Ende des Karfreitaggottesdienstes die Eucharistie oder ein Kruzifix in eine Seitenkapelle. Dort wird mit einer Fülle von Blumen und Lichtern das heilige Grab gerichtet.
Die heutige Karfreitagsliturgie kennt diesen Ritus nicht mehr, doch findet Friedrich von Spees Lied dank seiner meditativen Kraft und trotz des barocken Pathos immer noch rege Verwendung, insbesondere am Karsamstag, dem Tag der Grabesruhe.
Bereits 1641 existiert eine evangelische Textvariante. Dem Theologen und Dichter Johann Rist blieben Melodie und Anfangsstrophe des katholischen Originals nach erstem Hören im Gedächtnis. Er übernimmt die erste Strophe mit geringfügigen Änderungen und dichtet sieben weitere hinzu. Die folgen in Sprache, Form und Ausdruck dem ursprünglichen Text und sind ebenfalls geprägt von Trauer, Klage und Mitleid.
Musik:
"O große Not!
Gott selbst ist tot.
Am Kreuz ist er gestorben ..."
"Gott selbst ist tot." Eine kühne Formulierung! Heute findet man im Evangelischen Gesangbuch die weniger anstößige Zeile: "Gotts Sohn liegt tot." Gott, der Vater, kann nicht sterben, Jesus Christus – wahrer Mensch und wahrer Gott – hingegen schon.
"O du hochheilig Kreuze,
daran mein Herr gehangen
in Schmerz und Todesbangen,
in Schmerz und Todesbangen."
Ein Loblied des Kreuzes ist das. Die älteste Textfassung findet man im Konstanzer "Catholischen Gesangbüchlein" aus dem Jahr 1600. 30 Jahre später kommt die eindringliche, kunstvolle Melodie aus Erfurt hinzu und verdrängt die ältere Konstanzer Tonfolge.
Zur Zeit seiner Entstehung hat das Lied sieben Strophen. Die ersten drei besingen das Kreuz, vergegenwärtigen die Passion Jesu Christi und rufen abschließend mit einer rhetorischen Frage zum Lob des Kreuzes auf:
"Wer kann dich doch genug loben,
weil als inn dir beschlossen,
was guts von Himmel gflossen."
So lautet der Urtext der dritten Strophe.
Die folgenden vier bilden eine Art Litanei vom hochheiligen Kreuz. Sie beginnen stets mit der Anrede "Du bist ..." und nehmen – Wiederholung um Wiederholung – das Kreuz näher in den Blick als Leiter, Brücke, Pilgerstab und Bett.
Musik:
"Du bist die sichre Leiter,
darauf man steigt zum Leben,
das Gott will ewig geben,
das Gott will ewig geben."
"Als Jakob nach Mesopotamien zog, schaute er Gott im Traumgesicht, wie er oben auf der Leiter stand, das heißt, auf dem Holz des Kreuzes, das von der Erde bis zum Himmel reichend aufgerichtet war. Denn auf der Leiter steigen die, die an ihn glauben, zum Himmel hinaus. Seine Leiden sind die Kräfte, die uns dort hinauf führen."
Diese Deutung verfasst Irenäus von Lyon im zweiten Jahrhundert. Der Kirchenvater entdeckt in der alttestamentlichen Erzählung von Jakob in Bet-El mit Blick auf die sogenannte Jakobsleiter ein Vor-Bild, einen Typos des Kreuzes. Solch typologische Deutungen des Kreuzes findet man in den Werkstätten der frühen Theologen zuhauf. Etliche dieser Typoi finden später Einzug in die Litanei vom hochheiligen Kreuz. Die umfasst im Laufe der Jahrhunderte mal zehn, mal elf, mitunter gar 15 Strophen.
Das Lied entsteht im Zuge der Gegenreformation, ist aber frei von jeglicher Polemik. Es eignet sich – gut katholisch – bestens für Wallfahrten und Prozessionen. Der Text wird vorgesprochen oder vorgesungen, und am Ende stimmen alle ein. So benötigt man keine Textblätter und man kann sich beim Gesang etwa am Karfreitag ganz auf den Weg zum Kreuz und auf dessen Verehrung konzentrieren.
Musik:
"O Traurigkeit, o Herzeleid!
Ist dass denn nicht zu klagen:
Gott des Vaters einigs Kind
wird zum Grab getragen."
Der Text dieses Klageliedes geht auf den Jesuiten Friedrich von Spee zurück. Die Melodie "von ergreifender Schlichtheit" stammt vermutlich von seinem Ordensbruder Georg Gippenbusch. 1628 erscheint das Lied in mehreren katholischen Gesangbüchern. In diesen Erstdrucken findet man die Anweisung:
"Wann man am Charfreytag Christum im H[eiligen] Sacrament zu grabe tregt."
"O Traurigkeit, o Herzeleid" ist ein Grablied, entstanden aus der lebendigen Tradition der Grablegung. Bei diesem katholischen Ritus bringt man am Ende des Karfreitaggottesdienstes die Eucharistie oder ein Kruzifix in eine Seitenkapelle. Dort wird mit einer Fülle von Blumen und Lichtern das heilige Grab gerichtet.
Die heutige Karfreitagsliturgie kennt diesen Ritus nicht mehr, doch findet Friedrich von Spees Lied dank seiner meditativen Kraft und trotz des barocken Pathos immer noch rege Verwendung, insbesondere am Karsamstag, dem Tag der Grabesruhe.
Bereits 1641 existiert eine evangelische Textvariante. Dem Theologen und Dichter Johann Rist blieben Melodie und Anfangsstrophe des katholischen Originals nach erstem Hören im Gedächtnis. Er übernimmt die erste Strophe mit geringfügigen Änderungen und dichtet sieben weitere hinzu. Die folgen in Sprache, Form und Ausdruck dem ursprünglichen Text und sind ebenfalls geprägt von Trauer, Klage und Mitleid.
Musik:
"O große Not!
Gott selbst ist tot.
Am Kreuz ist er gestorben ..."
"Gott selbst ist tot." Eine kühne Formulierung! Heute findet man im Evangelischen Gesangbuch die weniger anstößige Zeile: "Gotts Sohn liegt tot." Gott, der Vater, kann nicht sterben, Jesus Christus – wahrer Mensch und wahrer Gott – hingegen schon.