Schütz: Wir brauchen einen Netzausbau

Dietmar Schütz im Gespräch mit André Hatting · 26.10.2012
Deutschland sei eine nach vorne strebende Erneuerbare-Energien-Nation. Man müsse dieses Vorbild weiterhin aufrechterhalten, fordert Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien. Um aus der Atomenergie auszusteigen, brauche man aber dringend einen Netzausbau.
André Hatting: Die Ministerpräsidenten beenden heute ihr Jahrestreffen, das wichtigste Thema ist die Energiewende. Die neue Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz, Christine Lieberknecht, CDU, hat den Kurs vorgegeben, die Bundesregierung soll die Feder übernehmen, fordert sie.

Am Telefon ist jetzt Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien e.V., guten Morgen, Herr Schütz!

Dietmar Schütz: Guten Morgen, Herr Hatting, grüße Sie!

Hatting: Die Ministerpräsidenten beraten also über die Energiewende und schieben die Verantwortung auf den Bund. War das eine sinnlose Diskussion da auf Schloss Ettersburg?

Schütz: Also, beide, glaube ich, sind verantwortlich, sowohl der Bund - in der Hauptverantwortung, weil er nicht die Rahmenbedingungen setzen kann -, und die Ministerpräsidenten haben die Ausbauten in ihren Ländern über die Raumordnungsprogramme zu steuern, und auch das ist eine wichtige Aufgabe.

Hatting: Nun muss man fairerweise sagen, das gemeinsame Konzept wird erst am Mittag vorgestellt. Was erwarten Sie da?

Schütz: Wir erwarten, dass die Ministerpräsidenten die Energiewende weiter vorantreiben und nicht sich darauf einlassen, dass, wie der Bund es diskutiert, eine Deckelung der erneuerbaren Energien passiert. Wir sind eine sehr nach vorne strebende Erneuerbare-Energien-Nation und müssen eigentlich dieses Vorbild weiterhin aufrechterhalten.

Hatting: Sie sagen jetzt immer die Länder. Fairerweise muss man aber hier sagen, dass das Engagement dort in den Bundesländern sehr unterschiedlich ist.

Schütz: Ja.

Hatting: Zum Beispiel Küstenländer, da beträgt der Anteil der Windenergie bis zu 50 Prozent, in Hessen, Bayern und sogar dem grün-rot regierten Baden-Württemberg sind es aber nur null Prozent und bei der Solarenergie ist es genau umgekehrt. Wie wichtig wäre es hier, dass der Bund die Trödler an die Kandare nimmt?

Schütz: Also, es ist so, dass die Küstenländer natürlich eine höhere Windausbeute haben und da der Wind schon eine längere größere Rolle spielt. Und ich finde es richtig, dass wir jetzt es versuchen müssen, in Süddeutschland auch den Windausbau voranzutreiben, weil wir insbesondere in Süddeutschland, Hessen, Bayern und Baden-Württemberg, auch wesentlich mehr Energie brauchen, sodass wir eine viel dezentralere vernetzte Struktur haben. Der Wind ist - das sollten wir wissen -, insbesondere der Küstenwind ist die preiswerteste Energieform, die wir im Augenblick haben, und deswegen sollten wir an der Stelle nicht auf die Bremse treten.

Hatting: Ja, von alleine passiert aber nichts. Also, der Bund soll's vorgeben?

Schütz: Der Bund soll da an der Küste nicht deckeln, was er diskutiert. Und der Bund muss natürlich dafür sorgen, dass er den Netzausbau vorantreibt mit den Ländern zusammen, um auch diesen Wind nach Süddeutschland zu bringen.

Hatting: Ist da Planungssicherheit das Zauberwort für die Bundesländer?

Schütz: Die Planungssicherheit ist immer ein wichtiges Wort, weil wir als Erneuerbare-Energien-Industrie auch Investitionssicherheit brauchen, wenn wir vorankommen wollen. Und das liefert im Augenblick das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Das hat ja eigentlich diesen massiven Ausbau vorangetrieben.

Und wir möchten gerne und fordern es, dass dieses Energiengesetz in seinen Grundstrukturen erhalten bleibt. Wir müssen an einigen Stellen ändern, aber die Grundstrukturen brauchen wir, um diese Investitionssicherheit zu garantieren.

Hatting: Herr Schütz, kann es sein, dass die Länder auch deswegen etwas zögerlich sind, weil die Ministerpräsidenten nicht für die unangenehmen Folgen der Energiewende verantwortlich sein wollen wie zum Beispiel mehr Stromtrassen, die die Landschaft zersägen?

Schütz: Also, wer A sagt, muss auch B sagen. Wenn wir erneuerbaren Strom haben wollen, brauchen wir auch Netze. Und sowohl in den Hochleistungsbereichen - also 380-kV-Netze, also die Überlandnetze - brauchen wir sie als auch in den Verteilnetzen. Also, und das müssen wir gemeinsam mit den Bürgern diskutieren und ihnen das klarmachen, dass diese Ausbausituation so ist, wie sie ist, und dass wir, wenn wir erneuerbare Energien brauchen, wenn wir aus der Atomenergie aussteigen wollen, dann brauchen wir diesen Netzausbau.

Hatting: War der ehemalige Bundesumweltminister Röttgen in Sachen Energiewende wirklich ein Totalausfall?

Schütz: Nein, das will ich nicht sagen. Herr Röttgen hatte durchaus sich engagiert für den Ausbau. Und ich sehe im Augenblick auch, dass Herr Altmaier, wenn er jetzt den Konflikt mit dem Wirtschaftsministerium aufnimmt, das auch so auf seine Fahnen geschrieben hat.

Hatting: Aber warum schiebt Altmaier die Schuld dann auf seine Vorgänger?

Schütz: Also, es ist so, dass jeder natürlich es mal so darstellen möchte, dass die Sonne auf ihn scheint. Ich glaube, wir müssen stärkere Strukturen aufbauen, wo wir miteinander reden, wo wir über die Ausbaugeschwindigkeiten sprechen. Und dazu sind sowohl der Bund als auch die Länder aufgefordert.

Hatting: Ist Altmaier für Sie der Mann, der die Sache jetzt anpackt, oder ist er überfordert?

Schütz: Altmaier ist erst mal ... ist nicht der Mann, sondern Altmaier ist derjenige, der in dieser Funktion die wichtigste Rolle spielt, und deswegen muss er diese Rolle übernehmen.

Hatting: Kann er das?

Schütz: Ich würde jetzt mal ihm jede Chance zubilligen, dass er's tut!

Hatting: Auch vor der Bundestagswahl noch, glauben Sie, dass er da noch richtungsweisende Entscheidungen trifft?

Schütz: Also, ich warne davor, vor der Bundestagswahl noch hier insbesondere bei dem Erneuerbare-Energien-Gesetz einzugreifen, wie das zum Beispiel Herr Rösler will. Hier müssen wir die Rahmenbedingungen lassen und müssen jetzt sehen, dass wir - und das versucht Herr Altmaier zu machen - eine Diskussion eröffnen, um mal so eine geschlossene Struktur zu haben. Und das kann, das sollte er tun.

Aber er sollte nicht an das EEG rangehen, das kann man in dieser kurzen Zeit nicht mehr machen, sondern die Diskussion mit den Bundesländern ist schon vernünftig.

Hatting: Sie sagen Diskussionen. Fakten wären natürlich auch nicht schlecht, zum Beispiel Abschaffung von Energierabatten für Golfplätze oder Schweinemastbetriebe?

Schütz: Also, wenn wir über Kosten reden, dann müssen wir natürlich erst einmal sehen, dass wir alle die Kosten, die mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien nichts zu tun haben, rausholen aus dem Energiengesetz. Und da stimme ich Ihnen zu, also, alles das, was da an Wildwuchs gewesen ist, das sollte man schleunigst rausholen und das jetzt vorbereiten, dass wir ein Energiengesetz haben, das diese ganzen Bereiche herausnimmt, um also die Kostenstruktur sich nur auf den Ausbau der Erneuerbaren zu konzentrieren und nicht auch noch Zusatzkosten mitzuschleppen.

Hatting: Glauben Sie, dass das geht mit einem Wirtschaftsminister von der FDP?

Schütz: Also, ich halte die Vorgehensweise, die Herr Rösler jetzt angeht, nicht für richtig. Herr Rösler diskutiert ja ein völlig anderes System, er will das EEG, das Erneuerbare-Energien-Gesetz abschaffen und will ein Quotensystem. Das halte ich für völlig kontraproduktiv und insofern sollte er sich besinnen und das nicht tun. Was er jetzt macht, hat nicht unsere Unterstützung.

Hatting: Herr Schütz, Sie haben es gesagt, beim EEG nicht voreilig reagieren, bei dem anderen, den Energierabatten schon darauf drängen, dass man da Konsequenzen zieht. Was wäre denn aus Sicht der erneuerbaren Energien jetzt das Allerdringendste, was gemacht werden muss?

Schütz: Das Dringendste wäre, dass wir eine diskutierte Ausbaugeschwindigkeit miteinander, mit den Ländern auch haben. Und das Dringendste wäre, dass wir uns vorbereiten auf eine Novelle des Energiengesetzes, die aber vor der Bundestagswahl nicht zu machen ist, und mit uns diskutiert, was wir tun sollten.

Wir brauchen die Diskussion eines völlig anderen Marktdesigns, die erneuerbaren Energien haben eine eigene Gesetzlichkeit. Das, was wir Positives produzieren, zum Beispiel dass wir die Kosten mittags an der Strombörse deutlich senken, wird nicht an die Strombürger weitergegeben, die Kunden haben nichts davon.

Wir müssen also sehen, dass wir auch eine starke Gerechtigkeit der Kostenstruktur für die Stromkunden produzieren, und das müssen wir miteinander besprechen. Ich hoffe, dass das gelingt.

Hatting: Dietmar Schütz, Präsident des Bundesverbandes Erneuerbare Energien e.V. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Schütz!

Schütz: Ja, danke sehr, Herr Hatting!


Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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