Schubert Quartett als Handlungsballett

Von Roger Cahn · 28.08.2010
Schuberts Streichquartett "Der Tod und das Mädchen" wurde von Ballettdirektor Heinz Spoerli spannend am Opernhaus Zürich choreografiert. Ein Abend, der unter die Haut ging.
Zu seinem 70. Geburtstag schenkte Ballettdirektor Heinz Spoerli seinem Haus eine aussergewöhnliche Choreografie: Zu Schuberts Streichquartett in d-Moll D 810 erzählt er die Geschichte von einem Mädchen, das der Faszination des Fremden verfällt, sich nicht mehr daraus befreien kann und dafür mit dem Tod bezahlt.

Spoerli zeichnet sich immer wieder dadurch aus, dass er Musik choreografiert, die nicht fürs Ballett komponiert worden ist, indem er nicht nur Melodie und Rhythmus, sondern auch die gesamte Klang- und Farbpalette in Bilder und Bewegung umsetzt. Jetzt geht er noch einen Schritt weiter: Er erfindet zu Schuberts Streichquartett "Der Tod und das Mädchen" eine Geschichte und gestaltet diese als eigentliches Handlungsballett.

Im Zentrum steht ein ungleiches Paar: Sie ein einfaches Mädchen vom Lande, das auf einer Wiese Blumen pflückt – er ein Mann in Schwarz, der sie begehrt und verführen möchte. Diese Szene spielt sich als klassischer Pas de deux im Andante – Thema mit fünf Variationen auf das Gedicht von Matthias Claudius – ab und endet mit der totalen Abhängigkeit, in die sich das Mädchen verliert. Die anderen drei Sätze zeigen die Gesellschaft, aus der das Mädchen kommt: Junge Paare, die sich vergnügen möchten.

Auf das dramatische Einleitungsmotiv des Streichquartetts erscheint der Mann in Schwarz. Er sucht sich seine Opfer. Doch die meisten jungen Frauen widerstehen der Versuchung. Auch dank massiver Hilfe der mit Gewalt eingreifenden Männer. Im Finale schliesslich erscheint der Mann dann als Tod mit schwarzem Mantel und Kapuze. Die Paare versuchen, das Opfer aus seinen Armen zu befreien – zu spät.

Bühnenbild (eine Wiese) und Kostüme sind in kalten Farben gehalten: Blau und Schwarz. Einzig das Mädchen trägt ein Kleidchen in warmem Grün. Sonst finden sich warme Farben nur in der live im erhöhten Orchestergraben gespielten Musik. Die junge Schweizerin Nora Dürig und der Armenier Vahe Martirosyan – beide aus der Zürcher Ballett Kompanie – spielen das ungleiche Paar überzeugend und ergreifend. Ausdruck wie Tanz ist perfekt. Und die anderen Paare reihen sich harmonisch in die Qualität der packenden Choreografie.

Fazit: Auch neo-romantisches Ballett kann spannend sein und unter die Haut gehen.
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