Schubert-Konzert in London

Das Scheitern an der "Unvollendeten"

Der österreichische Musiker und Komponist Franz Schubert (1797 – 1828) in einer undatierten zeitgenössischen Darstellung
Der österreichische Musiker und Komponist Franz Schubert (1797 – 1828). © picture-alliance / dpa
Andreas Rosenfelder im Gespräch mit Korbinian Frenzel  · 06.02.2019
An dem Komponisten Franz Schubert sei die künstliche Intelligenz bislang gescheitert, sagt der "Welt"-Journalist Andreas Rosenfelder. Auch im Feuilleton der Zeitung sieht er wenig Chancen für Algorithmen, den Menschen abzulösen.
Der Komponist Franz Schubert hat seine vorletzte Symphonie nicht mehr beendet. Das Werk wurde erst 1865 uraufgeführt und damit Jahrzehnte nach seinem Tod. Sie hat nicht wie üblich vier Sätze, sondern die letzten beiden fehlen.

Konzert in London

Nun hat der chinesische Smartphone-Hersteller Huawei die "Unvollendete" mit Hilfe künstlicher Intelligenz zu ergänzen versucht. Durch die Analyse von Klangfarbe, Tonhöhen und Takten der vorhandenen ersten zwei Sätze der Sinfonie hatte die KI anschließend eine Melodie für den finalen, fehlenden dritten und vierten Satz berechnet. Um eine Orchester-Partitur zu erschaffen, die dem Stil der »Unvollendeten« Schuberts treu bleibt, arbeitete die chinesische Firma mit dem Komponisten Lucas Cantor zusammen. Das Werk kam jetzt in London zur Aufführung, die Huawei vor allem zur Eigen-PR nutzte.
Der Feuilletonchef der Welt, Andreas Rosenfelder, zu Besuch bei Deutschlandfunk Kultur
Der Feuilletonchef der Tageszeitung "Die Welt" im Studio von Deutschlandfunk Kultur. © Thomas Groh / Deutschlandradio
Der Opernkritiker der "Welt" habe sich das Konzert angehört und sei keineswegs zufrieden gewesen, sagte unser Studiogast, der Feuilletonchef des Blattes, Andreas Rosenfelder, im Deutschlandfunk Kultur. Es sei ein banales, langweiliges Gedudel gewesen. "Mit anderen Schubert-Stücken gefütterte Algorithmen, die da irgendetwas relativ erwartbares daraus gestrickt haben."

Musikalisches Scheitern

Der Algorithmus sei offenbar nicht intelligent bedient worden, sagte Rosenfelder. Der Filmkomponist Cantor habe das standardmäßig versucht. "Es gibt auf jeden Fall jetzt keinen Beleg davon, dass künstliche Intelligenz wirklich komponieren kann." Es handele sich bislang eher um eine Art Notenschreibprogramm. "Da entsteht noch nichts geniales." Aber es sei interessant, dass Huawei einen "Helden der europäischen Klassik sich gewissermaßen als Sparringpartner sucht und zunächst einmal scheitert."

Außer Konkurrenz

Auch im Journalismus sieht Rosenfelder wenig Chancen, das kreative Schaffen von Autoren zu ersetzen. "Im Feuilleton kann ich das total ausschließen", sagte er. "Feuilleton-Texte sind grundsätzlich viel zu unverständlich, verworren und voller Bilder und verrückter Gedanken – das kriegt kein Algorithmus so gut hin." Auch die Wirtschaftsredaktion liefere Analysen und Einschätzungen. Das könne kein Algorithmus leisten. Einige Agenturnachrichten und Fußballergebnisse ließen sich vermutlich von Algorithmen schreiben. (gem)

Andreas Rosenfelder ist Ressortleiter des Feuilletons von "Welt" und "Welt am Sonntag". Von 2010 bis 2013 war er stellvertretender Ressortleiter. Davor hat er acht Jahre lang für das Feuilleton der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" und der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" geschrieben und war Kulturredakteur bei "Vanity Fair" in Berlin. 2008 erschien sein Buch "Digitale Paradiese".

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