Schubert: Deutsche Automobilindustrie muss sich anpassen
Nach Ansicht der Umweltexpertin Renate Schubert hat die deutsche Automobilindustrie bei der Entwicklung emissionsarmer Autos erheblichen Nachholbedarf. Schubert, die die Bundesregierung in Umweltfragen berät, befürwortet einen Stufenplan der EU zur Einführung von Sanktionen gegen Autos mit zu hohen CO2-Ausstößen. Dies sei ein wichtiges weltweites Signal.
Ostermann: Am Telefon von Deutschlandradio Kultur ist jetzt die Direktorin am Institut für Umweltentscheidungen der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich, Frau Professor Renate Schubert. Sie ist auch Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirates der Bundesregierung zur globalen Umweltveränderung. Guten Morgen, Frau Schubert!
Renate Schubert: Ja, herzlichen guten Morgen!
Ostermann: Wieder einmal, so scheint es, soll vor allem die Autobranche das Weltklima retten. Wie wichtig ist grundsätzlich dieser Ansatz, um den Brüssel derzeit ringt?
Schubert: Ja, man muss hier sehen, dass es natürlich letzten Endes nicht nur um Autos in der EU geht, sondern dass von dem, was jetzt die EU beschließen wird, auch ein Signal weltweit ausgeht, und wenn wir uns anschauen, wie zum Beispiel Länder wie Indien und insbesondere auch China ihre Autoflotte im Moment aufrüsten, ist das natürlich eine ganz wichtige Entscheidung, die da fällt.
Ostermann: Das heißt also, umweltpolitisch sollte Europa klotzen und nicht kleckern?
Schubert: Ja, unbedingt.
Ostermann: Dann ist die Frage, warum sich Deutschland so schwertut und weshalb beispielsweise immer noch gestritten wird um Fristen 2012 oder 2015. Zeit genug hatte man doch eigentlich.
Schubert: Genau, Zeit genug hatte man eigentlich, und man muss eigentlich wohl schon sagen, dass die Automobilindustrie das – in Deutschland jedenfalls – ein bisschen verschlafen hat. Wenn man mal nach Japan schaut, da sieht man, dass zum Beispiel die Entwicklung der Hybridautos – also Kombination Benzin mit Elektromotor – schon sehr viel fortgeschrittener und selbstverständlicher ist, als das bei uns der Fall ist. Die deutsche Automobilindustrie hat geschlafen, hat irgendwie gedacht, wir können das alles abwälzen auf die Beimischung von Biokraftstoff und damit ist die Sache erledigt. Und nun müssen sie ihre Hausaufgaben einfach nachholen, und von daher denke ich, dass ein Stufenplan, der mit einem Wert wie 35 Euro pro zuviel ausgestoßenem Gramm CO2 anfängt, sicher etwas Vernünftiges ist.
Ostermann: Sie sprechen von 25 Euro Strafe.
Schubert: Ja, genau, 35 habe ich jetzt gesagt. Ich würde sagen, mit 35 anzufangen macht Sinn, denn die Zahlen, die man liest, was es kosten würde, ein Gramm CO2 zu reduzieren aus dem Ausstoß der Kraftfahrzeuge, die liegen ungefähr bei 20 Euro. Das heißt, man sollte auf keinen Fall unter diesen Wert von 20 gehen, weil sonst gibt es überhaupt kein Signal dafür, dass die Automobilindustrie sich bewegt.
Ostermann: Der Umweltkommissar Herr Stavros möchte da weitaus höhere Summen, er bringt beispielsweise 95 Euro ins Spiel. Darüber wird noch mächtig gestritten. Aber: Einerseits propagiert Angela Merkel den Umweltschutz bei uns und weltweit, und andererseits muss sie ja jetzt schon der deutschen Autoindustrie – in welcher Form auch immer – den Rücken stärken. Wie passt das zusammen?
Schubert: Ja, das passt natürlich im Grunde nicht zusammen und es gibt hier so einen Konflikt, den wir immer wieder mal beobachten, zwischen eigentlich angestrebten Umweltzielen und dann doch kurzfristigen ökonomischen Zielen im Sinne von kurzfristigem Erhalt von Arbeitsplätzen. Aber ich denke, wenn man eine etwas längerfristige Perspektive hat, dann wäre auch die deutsche Automobilindustrie – nicht zuletzt im Hinblick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit und die mit der Industrie verbundenen Arbeitsplätze – gut beraten, wenn sie sich hier bewegen würde und wenn sie wirklich möglichst zügig darauf achten würde, dass der CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeuge runtergeht.
Ostermann: Das heißt, Sie haben derzeit den Eindruck, dass die deutsche Automobilindustrie die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt hat?
Schubert: Ja, ich denke, die haben die Zeichen der Zeit schon erkannt, aber sie versuchen natürlich, jetzt die Anpassungsmaßnahmen möglichst lange rauszuzögern, um auf diese Weise ökonomisch noch ein bisschen was einzuheimsen.
Ostermann: Jetzt könnte ja Brüssel Regelungen auf den Weg bringen, die den Verlust von Jobs in Deutschland zur Folge haben könnten, so argumentiert zumindest die deutsche Automobilindustrie. Was dann, Frau Merkel?
Schubert: Ja, ich glaube, so schnell geht das mit dem Verlust von Arbeitsplätzen nicht, denn wie schon in Ihrem Vorspann auch zu hören war, ist ja jetzt doch in der Diskussion, dass ein Stufenplan eingeführt wird. Und wenn so ein Stufenplan gemacht wird, dann gibt es doch genügend Anpassungszeit, um eben das auch arbeitsplatzfreundlich abzuwickeln. Darüber hinaus muss man ja auch sehen, dass ... gerade war davon die Rede, dass es um die Premiumfahrzeuge – das heißt also, um relativ teure Fahrzeuge von Mercedes oder BMW beispielsweise – geht, und da muss man auch sehen, dass die, wie die Ökonomen sagen, Preiselastizität der Nachfrage, das heißt also, der Nachfragerückgang, wenn die Preise hochgehen, nicht sehr hoch ist. Das heißt, die Leute, die sich solche Autos leisten, die legen da auch noch mal 2.000 oder 3.000 Euro – und um solche Beträge geht es – drauf und kaufen das Auto immer noch.
Ostermann: Strafe bei Porsche, habe ich irgendwo gelesen, 4.000 Euro, auch die werden sich das leisten können. Aber ganz grundsätzlich: Wie kann man Vereinbarungen treffen, die beides berücksichtigen, Klimaziele und Arbeitsplätze? Oder ist das die Quadratur des Kreises?
Schubert: Nein, ich denke, es ist nicht die Quadratur des Kreises, aber das Problem, was da immer drinsteckt, ist die Zeitperspektive. Das heißt, wir können nicht sofort uns so anpassen, dass es sowohl für die Arbeitsplätze gut ist wie auch für die Umwelt, sondern wir müssen das eben etwas langsamer machen, und wenn wir das etwas langsamer machen, dann ist es aber auf die mittlere und lange Frist natürlich umso wirksamer. Und ich bin eigentlich ziemlich sicher: Wenn man mit so einem Stufenplan jetzt an die Sache rangeht und mit Strafen anfängt, die nicht unter den Anpassungskosten der Automobilindustrie liegen, und aber die Strafen natürlich dann hochfährt, um auch ein Signal und Lenkungseffekt zu haben, dann wird man da ohne Arbeitsplatzverlust aus der Chose rauskommen.
Renate Schubert: Ja, herzlichen guten Morgen!
Ostermann: Wieder einmal, so scheint es, soll vor allem die Autobranche das Weltklima retten. Wie wichtig ist grundsätzlich dieser Ansatz, um den Brüssel derzeit ringt?
Schubert: Ja, man muss hier sehen, dass es natürlich letzten Endes nicht nur um Autos in der EU geht, sondern dass von dem, was jetzt die EU beschließen wird, auch ein Signal weltweit ausgeht, und wenn wir uns anschauen, wie zum Beispiel Länder wie Indien und insbesondere auch China ihre Autoflotte im Moment aufrüsten, ist das natürlich eine ganz wichtige Entscheidung, die da fällt.
Ostermann: Das heißt also, umweltpolitisch sollte Europa klotzen und nicht kleckern?
Schubert: Ja, unbedingt.
Ostermann: Dann ist die Frage, warum sich Deutschland so schwertut und weshalb beispielsweise immer noch gestritten wird um Fristen 2012 oder 2015. Zeit genug hatte man doch eigentlich.
Schubert: Genau, Zeit genug hatte man eigentlich, und man muss eigentlich wohl schon sagen, dass die Automobilindustrie das – in Deutschland jedenfalls – ein bisschen verschlafen hat. Wenn man mal nach Japan schaut, da sieht man, dass zum Beispiel die Entwicklung der Hybridautos – also Kombination Benzin mit Elektromotor – schon sehr viel fortgeschrittener und selbstverständlicher ist, als das bei uns der Fall ist. Die deutsche Automobilindustrie hat geschlafen, hat irgendwie gedacht, wir können das alles abwälzen auf die Beimischung von Biokraftstoff und damit ist die Sache erledigt. Und nun müssen sie ihre Hausaufgaben einfach nachholen, und von daher denke ich, dass ein Stufenplan, der mit einem Wert wie 35 Euro pro zuviel ausgestoßenem Gramm CO2 anfängt, sicher etwas Vernünftiges ist.
Ostermann: Sie sprechen von 25 Euro Strafe.
Schubert: Ja, genau, 35 habe ich jetzt gesagt. Ich würde sagen, mit 35 anzufangen macht Sinn, denn die Zahlen, die man liest, was es kosten würde, ein Gramm CO2 zu reduzieren aus dem Ausstoß der Kraftfahrzeuge, die liegen ungefähr bei 20 Euro. Das heißt, man sollte auf keinen Fall unter diesen Wert von 20 gehen, weil sonst gibt es überhaupt kein Signal dafür, dass die Automobilindustrie sich bewegt.
Ostermann: Der Umweltkommissar Herr Stavros möchte da weitaus höhere Summen, er bringt beispielsweise 95 Euro ins Spiel. Darüber wird noch mächtig gestritten. Aber: Einerseits propagiert Angela Merkel den Umweltschutz bei uns und weltweit, und andererseits muss sie ja jetzt schon der deutschen Autoindustrie – in welcher Form auch immer – den Rücken stärken. Wie passt das zusammen?
Schubert: Ja, das passt natürlich im Grunde nicht zusammen und es gibt hier so einen Konflikt, den wir immer wieder mal beobachten, zwischen eigentlich angestrebten Umweltzielen und dann doch kurzfristigen ökonomischen Zielen im Sinne von kurzfristigem Erhalt von Arbeitsplätzen. Aber ich denke, wenn man eine etwas längerfristige Perspektive hat, dann wäre auch die deutsche Automobilindustrie – nicht zuletzt im Hinblick auf ihre Wettbewerbsfähigkeit und die mit der Industrie verbundenen Arbeitsplätze – gut beraten, wenn sie sich hier bewegen würde und wenn sie wirklich möglichst zügig darauf achten würde, dass der CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeuge runtergeht.
Ostermann: Das heißt, Sie haben derzeit den Eindruck, dass die deutsche Automobilindustrie die Zeichen der Zeit immer noch nicht erkannt hat?
Schubert: Ja, ich denke, die haben die Zeichen der Zeit schon erkannt, aber sie versuchen natürlich, jetzt die Anpassungsmaßnahmen möglichst lange rauszuzögern, um auf diese Weise ökonomisch noch ein bisschen was einzuheimsen.
Ostermann: Jetzt könnte ja Brüssel Regelungen auf den Weg bringen, die den Verlust von Jobs in Deutschland zur Folge haben könnten, so argumentiert zumindest die deutsche Automobilindustrie. Was dann, Frau Merkel?
Schubert: Ja, ich glaube, so schnell geht das mit dem Verlust von Arbeitsplätzen nicht, denn wie schon in Ihrem Vorspann auch zu hören war, ist ja jetzt doch in der Diskussion, dass ein Stufenplan eingeführt wird. Und wenn so ein Stufenplan gemacht wird, dann gibt es doch genügend Anpassungszeit, um eben das auch arbeitsplatzfreundlich abzuwickeln. Darüber hinaus muss man ja auch sehen, dass ... gerade war davon die Rede, dass es um die Premiumfahrzeuge – das heißt also, um relativ teure Fahrzeuge von Mercedes oder BMW beispielsweise – geht, und da muss man auch sehen, dass die, wie die Ökonomen sagen, Preiselastizität der Nachfrage, das heißt also, der Nachfragerückgang, wenn die Preise hochgehen, nicht sehr hoch ist. Das heißt, die Leute, die sich solche Autos leisten, die legen da auch noch mal 2.000 oder 3.000 Euro – und um solche Beträge geht es – drauf und kaufen das Auto immer noch.
Ostermann: Strafe bei Porsche, habe ich irgendwo gelesen, 4.000 Euro, auch die werden sich das leisten können. Aber ganz grundsätzlich: Wie kann man Vereinbarungen treffen, die beides berücksichtigen, Klimaziele und Arbeitsplätze? Oder ist das die Quadratur des Kreises?
Schubert: Nein, ich denke, es ist nicht die Quadratur des Kreises, aber das Problem, was da immer drinsteckt, ist die Zeitperspektive. Das heißt, wir können nicht sofort uns so anpassen, dass es sowohl für die Arbeitsplätze gut ist wie auch für die Umwelt, sondern wir müssen das eben etwas langsamer machen, und wenn wir das etwas langsamer machen, dann ist es aber auf die mittlere und lange Frist natürlich umso wirksamer. Und ich bin eigentlich ziemlich sicher: Wenn man mit so einem Stufenplan jetzt an die Sache rangeht und mit Strafen anfängt, die nicht unter den Anpassungskosten der Automobilindustrie liegen, und aber die Strafen natürlich dann hochfährt, um auch ein Signal und Lenkungseffekt zu haben, dann wird man da ohne Arbeitsplatzverlust aus der Chose rauskommen.