Schrumpfen - nein danke

Von Ludger Fittkau · 21.05.2013
Der demografische Wandel zeigt sich auch in Rheinland-Pfalz. Die Kommunen versuchen, sich neu zu orientieren. Pirmasens will mit einer Hochschule junge Menschen in die schrumpfende Stadt locken. Birkenfeld plant den ersten Nationalpark des Bundeslandes.
Nicht nur in der Pfalz gilt: Etwas, das mit dem Begriff "Schrumpfung" verbunden wird, hat es erst einmal schwer. Daran gibt es keinen Zweifel. Was schrumpft, weckt spontan meist keine positiven Emotionen. Das gilt erst recht für schrumpfende Kommunen:

"Eher negativ. Die Kultur geht verloren."

"Eigentlich eher negativ. Fällt alles weg praktisch. Wird alles eingeschränkt dadurch."

"Dass es so sterbende Städte sind, ist traurig. Es ist traurig, eigentlich."

"Der erste Begriff, der mir bei Schrumpfung eben eingefallen ist, war der Begriff Schrumpfkopf."

Obwohl die pfälzische Stadt Pirmasens binnen weniger Jahrzehnte ein Drittel ihrer Einwohner verloren hat und kräftig weiter schrumpft, will hier niemand mit einem Schrumpfkopf verglichen werden. Ebenso wenig mit einer sterbenden Stadt. Im Gegenteil: Es gibt erstaunlich viele neue, optimistische Lieder über "PS", wie Pirmasens auf dem Autoschild abgekürzt wird. Sie drücken die Liebe der Bürger zu ihrer kleiner werdenden Stadt aus:

"Du lebst in Pirmasens, weil Du all die Straßen kennst,
Ganz egal, wen Du "Freunde" nennst,
keiner wird verkannt,
"PS" ist tolerant..."

Die Pirmasenser inszenieren sich als Bewohner einer überschaubaren, aber weltoffenen Stadt, in der Freundschaften auch Bestand haben, wenn mal jemand für längere Zeit weggeht und dann wiederkommt. Ein Ort mit guter Luft, für die der nahegelegene Pfälzer Wald sorgt. Eine Stadt, in der es vertraut nach Leder riecht – weil hier überall Schuhe produziert werden:

"Ich habe in der Nase schon den Geruch von Leder,
ich bin an Walhalla, die Stadt hat mich wieder, es ist so weit:
Ich bin daheim in Pirmasens, bei meinen Freunden, meinen Fans…."

Bereits an dieser Stelle verschwimmen im Liedtext Realität und Wunschdenken. Pirmasens war eine Stadt der Schuh-Industrie, die Leder verarbeitenden Fabriken haben die Stadt groß gemacht. Doch die meisten sind heute geschlossen, Schuhwerk wird längst in Asien produziert. Dann sind auch noch die US-Soldaten abgezogen, die jahrzehntelang für Umsatz sorgten in den Geschäftsstraßen von Pirmasens. Jetzt sieht es dort anders aus:

"Viele Geschäfte weg, Salamander weg, die Amis sind weg. Das hat Pirmasens das Genick gebrochen."

"Pirmasens ist arm, Jedes zweite Geschäft ist geschlossen, ich finde es voll dumm."

"Hier in der Umgebung Pirmasens, da ist ja industriell gar nichts oder wenig. Es ist nicht so doll."

"Es ist fast nix mehr los hier, eine Rentnerstadt. Überwiegend viel Rentner, Ausländer und mit Jobs ist nicht mehr viel los. Ich habe schon immer gesagt, die jungen Leute, die eine gute Ausbildung haben, sollen von hier weg, hier haben sie keine Chance."

"Ich hab es satt zu sagen, dass ich kein Berliner bin.
Ja, ich komm aus Pirmasens, aus der Stadt, von der ich nichts mehr will.
Dort gab es nichts, was mich halten kann,
deswegen zog ich einfach los, in das weite Land…"

Pirmasens bleibt nichts anderes übrig als zu schrumpfen. Von einst 60.000 Einwohnern sind heute noch rund 40.000 übrig. Nach den Fabriken müssen nun Schulen geschlossen und leerstehende Gebäude abgerissen werden, weil niemand mehr etwas damit anfangen kann. Oberbürgermeister Bernhard Matheis:

"Das wir Pirmasens umbauen müssen, dass wir auch schrumpfen, das wird schon seit Jahren kommuniziert. (…) Wenn wir auf diese Größenordnung zurückgehen, die wir tatsächlich benötigen, können wir für den Unterhalt und für Investitionen deutlich mehr Mittel einsetzen, als wenn wir die auf den Bestand aufteilen. Und das führt dazu, dass ein Schrumpfen auch in hoher Qualität möglich ist."

"Qualitätsschrumpfen" – ein Begriff des Oberbürgermeisters, der in keinem der aktuellen Songs der Musikszene von Pirmasens auftaucht. Doch von Mutlosigkeit ist auch in den Liedtexten keine Spur:

"Hier kommt die nackte Wahrheit, Toleranz und wenig Arbeit,
doch kommt her und schaut Euch an, was unser Wille bewegen kann…"

"Ich finde, das Pirmasens schön ist. Hier sind meine Eltern, meine Geschwister,
und natürlich auch meine Freunde…"

Andere Band:

"Doch die Leute verlieren den Mut nicht so leicht, wir nehmen wie es kommt:
Ich bin daheim in Pirmasens."

Gesungen wird auch 80 Kilometer weiter nordwestlich, im ebenfalls kräftig schrumpfenden
Landkreis Birkenfeld. Hier an Grenze zum Saarland prägen der Oberlauf des Flusses Nahe und der waldreiche Hunsrück das Landschaftsbild des Kreises, der noch rund 80.000 Menschen zählt. Vor einigen Jahrzehnten waren es knapp 100.000. Der Kreis Birkenfeld hat den höchsten Bevölkerungsverlust aller rheinland-pfälzischen Landkreise:

"Wir sind es selber, die das machen. Und dann zeigen, wir denen was wir machen.
Noch mal: Mörtelgemisch aus Sand, Kies, Zement, schafft man zunächst ein Fundament."

In einem Dorf oberhalb der Nahe probt regelmäßig der Handwerkerchor des Kreises. Chorleiter Friedel Schmidt lässt ein neues Lied einüben, das "Handwerkerlied":

"Willst Du den Sinn des Handwerks verstehen, musst Du mal ihre Häuser ansehen, wie die meisterlich sind entstanden, Handwerker sind´s aus unseren Landen…"

Es sind vor allem rüstige Rentner, die den Chor am Leben halten. Viele von ihnen waren einst Edelsteinschleifer. Denn ganz in der Nähe liegt Idar-Oberstein, mit rund 30.000 Einwohnern die größte Stadt des Landkreises, einst ein blühendes Zentrum der deutschen Edelsteinverarbeitung. Doch die besten Zeiten sind lange vorbei. Heute liegen in der Region viele Edelstein-Schleifereien still. Die Einwohnerzahl geht zurück. Wie in Pirmasens die Schuhindustrie, ist in Birkenfeld die Edelsteinverarbeitung nach Asien abgewandert. Chorleiter Friedel Schmidt:

"Das Handwerk ist natürlich hier in unserer Gegend bestimmt durch das Schleifen der Edelsteine. Wir hatten nach dem Kriege 20.000 Edelstein verarbeitende Betriebe, jetzt sind es noch 7000. Viele Firmen lassen in Asien für sich schleifen, weil es einfach günstiger ist."

Im Zentrum der Edelstein-Stadt Idar-Oberstein stehen inzwischen viele Häuser leer. Die Innenstadt schrumpft. Die Stadtverwaltung hat begonnen, hier systematisch Häuser abzureißen. Die Baulücken, die dadurch entstehen, werden nicht mehr zugebaut. Diejenigen, die noch hier wohnen wollen, sollen mehr Platz bekommen für Parkplätze oder kleine Gärten. Christine von der Burg, Leiterin des Bauamtes von Idar-Oberstein:

"Da gibt es sanierungsbedürftige Objekte, da gibt es Objekte, die lohnt es nicht mehr, sie zu sanieren. Sie sehen hier eine sehr verdichtete Bauweise im unteren Bereich. Da muss man Platz schaffen, damit diejenigen, die schöne Häuser haben, parken können, Gartenland haben und dort Freizeitflächen bekommen."

Die Schrumpfung der Innenstadt von Idar-Oberstein wird aktiv gestaltet. Das Ziel:
Zu verhindern, dass die Jungen weiterhin weggehen aus der Stadt und aus dem Landkreis Birkenfeld. Weggehen wie bisher meist nach Westen, ins Rhein-Main-Gebiet und nach Baden-Württemberg. Dort sind die Jobs für die Jungen. Die Alten bleiben und singen:

"Lustig singen die Gesellen, doch es ist ein falsches Lied."

In Unterjeckenbach singt man gemeinsam noch nicht einmal mehr falsche Lieder. Wo sollte man sich auch treffen, um zu singen? Längst gibt es in dem schrumpfenden Dorf in der Westpfalz kein Gemeinschaftsleben mehr. Kein Gemeindehaus, keine Kneipe, keinen Laden. Nichts.

Mann: "Der Ort ist eigentlich sehr schön, auch ruhig gelegen und auch idyllisch. Aber man sieht ja, wie es rückwärts geht. Wenn man daheim ist, dann zählt man die Leute. Und es werden immer weniger. Dann zieht einer weg, dann stirbt einer. Und es kommt niemand dazu, niemand, wirklich."

Frau: "Weil die Arbeit nicht da ist. Ich meine, die die da sind, fahren eine Stunde wenigstens. Ist ja gart nichts. Ne Stunde muss man schon einkalkulieren. Oder sie kommen nur am Wochenende nach hause, weil sie im Württembergischen arbeiten oder so."

Mann: "Die Zukunft, die sieht hier ganz, ganz schlecht aus. Weil Infrastruktur ist gar nichts. Ich bin vor 40 Jahren hier hingekommen, da waren wir, wenn ich mich recht erinnere noch 113, so ungefähr. Und jetzt sind wir noch 78. Und davon sind 20 Leute um die 80 Jahre alt. Und vier Kinder haben wir noch unter 18. Da weiß man was los ist."

Für einen Kinderchor wie im ebenfalls schrumpfenden Pirmasens reicht es in Unterjeckenbach jedenfalls nicht mehr:

"Komm Du doch nach Pirmasens, damit Du uns kennenlernst,
egal, wen die Freunde nennst, keiner wird verkannt…"

Die Stadt Pirmasens, der Landkreis Birkenfeld, das Dorf Unterjeckenbach. Drei Orte an der westlichen Peripherie der Republik, drei unterschiedliche Haltungen zum Thema Schrumpfung. Eines haben sie jedoch gemeinsam. Es sind Orte, deren Zukunft offen ist. Deren Perspektiven zwischen völligem Verschwinden von der Landkarte und neuem Erblühen liegen.

Die Schrumpfung bringt ein Akzeptanz-Problem mit sich, das "Schrumpfkopf-Image" eben. Wachstum ist zwar auch nicht immer sexy. Vor allem Ökologen ist es ein Dorn im Auge. Aber Wachstum hat eindeutig einen besseren Ruf als Schrumpfung, das weiß auch der Kabarettist Volker Pispers:

"Es ist von allem zu viel da, aber wir brauchen Wachstum. Auf dem Grabstein des Kapitalismus wird später stehen, zuviel war nicht genug."

Zuviel war nicht genug – solche Überfluss-Probleme hat man in der Westpfalz vielerorts nicht mehr. Hier muss man versuchen, das "Schrumpfkopf-Image" zu vermeiden und ein "Qualitätsschrumpfen" zu organisieren.

Es gibt sehr unterschiedliche Wege, zu schrumpfen. In Pirmasens versucht man, die Stadt wieder attraktiv zu machen für junge Leute. Vor allem für die Jugend der Stadt, die nicht auf Dauer weggehen soll. Oder, wenn sie mal woanders war, dann doch wieder zurück nach Pirmasens kommen soll, um was zu unternehmen. Leerstehende Gebäude gibt es ja genug.

"Bis schließlich das neu besiedelt wird von irgendwelchen Aussteigern, die neue Zentren schaffen. Künstler und Musiker und junge Leute, die wieder leben da reinbringen, die müssen es entdecken."

"Ich glaube, das kann interessant sein, weil kreative Studenten, die diese freien Flächen besetzen, dort neues schaffen werden."

"Selbstverständlich, da müssen nur die richtigen Anreize geboten werden."

Die richtigen Anreize – dazu zählt die Pirmasenser Stadtspitze auch gute Straßenverbindungen ins Rheintal, für die man kämpft. Pirmasens will der Schrumpfung mit neuem Wachstum begegnen. Etwa mit Straßenwachstum. Der Pirmasenser Oberbürgermeister Bernhard Matheis plädiert schon seit langem dafür, für die Infrastruktur eine Art "Soli West" zu schaffen – nach dem Modell des Soli für den Aufbau Ost:

"Wir haben ähnliche Probleme im Strukturwandel in der Westpfalz, wie das in den vergangenen Jahren in den neuen Bundesländern der Fall war."

Die Stadtspitze will eine durchgehend vierspurige Schnellstraße von Pirmasens in die boomenden Metropolregionen am Rhein. Für Pendler, die in Pirmasens wohnen und auf der Rheinschiene Arbeit finden. Weil die geplante Schnellstraße durch das Biosphärenreservat Pfälzer Wald verläuft, gibt es aber Ärger mit Naturschützern und auch mit Eveline Lemke, der grünen stellvertretenden Ministerpräsidentin des Landes Rheinland-Pfalz:

"Wir wollen die Weichen anders stellen und wir wollen auch gleichzeitig die Umwelt stärker schützen in Rheinland-Pfalz. Der Naturschutz als solcher hat hier keine große Rolle gespielt. Rheinland-Pfalz hat keinen Naturpark, das wollen wir ändern."

Anders als in Pirmasens hört man das Stichwort "Naturpark" im schrumpfenden Landkreis Birkenfeld gern. Denn hier will man der Schrumpfung nun nicht mehr länger neue Wachstumsideen entgegensetzen, sondern noch mehr Schrumpfung. Der Rückgang der menschlichen Zivilisation wird hier offensiv zum Konzept gemacht. Teile des Landkreises sollen nämlich zur Wildnis werden. Der erste Nationalpark des Landes Rheinland-Pfalz soll im Hunsrück-Hochwald, dem nördlichsten Gebiet des Kreises geschaffen werden, so Landrat Matthias Schneider:

"Für uns ist dieses Projekt allein aus strukturpolitischen Gesichtspunkten sehr, sehr wichtig. Wenn alles im Zielkorridor bleibt und die Region "Ja" sagt zu dem Nationalpark, dann hoffe ich, dass wir die Findungsphase in ein oder zwei Jahren beenden können; dass wir dann den Nationalpark im Hochwald etablieren."

So unterschiedlich die Schrumpfungspolitik in der Stadt Pirmasens und im Landkreis Birkenfeld jedoch aussieht, eines haben die Verantwortlichen in beiden Regionen gemeinsam: Sie wollen die Schrumpfung nicht tatenlos geschehen lassen. Sie stellen sich dem Prozess des Kleinerwerdens. Entwickeln Konzepte, schmieden Pläne. Ob dann alle umgesetzt werden können, ist eine andere Frage. Aber in Pirmasens und im Kreis Birkenfeld ist man aktiv.

Anders im Dorf Unterjeckenbach. Hier erduldet man die Schrumpfung bestenfalls. Hier erträgt man sie in einer Mischung aus Traurigkeit und Fatalismus. In Unterjeckenbach hat man keine Idee, wie man das Schrumpfen steuern könnte, wie man das Kleinerwerden erträglicher machen könnte. Vielleicht ist Unterjeckenbach einfach schon zu klein, um sich während des weiteren Schrumpfens noch aktiv zu verhalten. Hier nimmt man das langsame Verschwinden des Sozialen schicksalhaft hin:

"Als wir kamen, gab es noch donnerstags immer einen Gemeindeabend, wo wir uns getroffen haben, ist alles eingeschlafen."

"Die Leute ziehen in die Stadt und die Alten bleiben hier und das war es. In fünf oder zehn Jahren steht ein Drittel der Häuser leer, ein Drittel."

Du hast keine Chance, aber nutze sie. Dieser Sponti-Spruch passt zu Pirmasens und zum Landkreis Birkenfeld. Nicht zu Unterjeckenbach. Hier lässt man die Schrumpfung geschehen, schaut zu. Weder von neuen Wachstumsideen noch von einer Wildnis als Konzept träumt man in Unterjeckenbach. Man träumt gar nicht. Man ist realistisch und leidet.

"Ja, ich will heim nach Pirmasens.
Ich bin schon in Landau, nur noch ein paar Kilometer…"

Schrumpfung ist nicht sexy – daran gibt es nichts zu rütteln. Doch es gibt eben sehr unterschiedliche Arten, mit schrumpfenden Orten umzugehen. Hochschulen sind Hoffnungsträgerinnen für Regionen, in denen Kasernenareale oder Fabrikgebäude frei werden und Landesregierungen Geld zur Verfügung stellen, damit man dort den so genannten "Strukturwandel" anpackt.

"'Ne Universität wäre zum Beispiel da ganz gut, um die ganze Sache wachsen zu lassen im Endeffekt."

"…und mit der Uni dann ein neues Viertel entsteht, ein neues Campusviertel entsteht. Dort wieder neue Werte geschaffen werden und auf den freien Flächen dem Schrumpfungsprozess dann wieder mit Wachstum begegnet wird."

In Pirmasens und im Landkreis Birkenfeld sind auf alten US-Kasernenarealen jeweils Außenposten von Fachhochschulen entstanden, die ihren Sitz in Großstädten des Landes haben. Der sogenannte "Umweltcampus Birkenfeld" auf dem Gelände eines aufgegebenen US-Krankenhauses im Landkreis gilt als eine Erfolgsgeschichte.

Rund zweieinhalb tausend Studierende gibt es hier und 50 Professoren. Rund 500 Menschen können auf dem Campus leben. Da kann man schon einiges los machen. Professor Manfred König, Leiter des Kompetenzzentrums Innovation an der Fachhochschule Ludwigshafen:

"Gerade Birkenfeld bietet denke ich mal für Deutschland ein einmaliges Konzept, was es sonst nicht gibt. Also diese Hochschule integriert quasi das, was sie lehrt in die Hochschule selbst. Nicht nur, dass sie sich mit Energie selbst versorgt und insofern ökologisch interessant ist. Die Studierenden lernen dort in der Hochschule an den dort vorhandenen Dingen, sei es Bautechnologie, sei es Abwasser und so weiter. Das ist ein einmaliges Konzept, das ich zumindest sonst nicht kenne in Deutschland."

Einmalig ist auch der Edelstein-Design-Studiengang in der schrumpfenden Edelstein-Hochburg Idar-Oberstein. Ein weiterer Außenposten der Fachhochschule Trier. Allerdings ein sehr einsamer. Hier unterrichten drei Professoren und eine Handvoll wissenschaftliche Mitarbeiter Edelstein- und Schmuckdesign für rund 30 Studierende. Lisa Grüber hat in Idar-Oberstein studiert, ihr fehlte hier die Anregung einer lebendigen Kunstszene wie etwa in Düsseldorf oder Berlin:

"Schwierig, was fehlt ist halt der Bezug zu anderen Kunstrichtungen, was das Studium angeht. Wir alle haben halt Interesse an Kunst und Design. Und das kommt hier zu kurz, weil es keine Ausstellungen gibt, keine Veranstaltungen auch nicht so ein großes Kulturangebot und das ist, gerade wenn man in der Richtung was studiert, ein bisschen schade."

Auch auf einem Kasernengelände in schrumpfenden Pirmasens gibt es seit einigen Jahren einen Hochschul-Außenstandort. Der gehört zur rund 30 Kilometer entfernten Fachhochschule Kaiserslautern. Studieren kann man in Pirmasens etwa Pharmazie oder Logistik und Produktionsmanagement. Versprochen werden "persönliche Atmosphäre" und enger Kontakt zwischen Studierenden und Dozenten. Ob man hier etwas losmachen kann, hängt davon ab, was in der Stadt Pirmasens los ist. Und in Zukunft los sein wird:

"Komm Du doch nach Pirmasens, damit Du uns kennenlernst,
egal, wen die Freunde nennst, keiner wird verkannt…"

Die Stadt Pirmasens, der Landkreis Birkenfeld, das Dorf Unterjeckenbach: Drei Pfälzer Schrumpfungs- Orte in einem Umfeld, in dem alles auf Wachstum gepolt ist. Normalerweise spielt die Musik in wachsenden Ballungsräumen, die das Geschehen bis weit ins Umland hinein bestimmen. In der Pfalz suchen nun kleiner werdende Orte ihren Weg zwischen "Qualitätsschrumpfen" und Schrumpfkopf- Image.

Das Fazit lautet: Es gibt keinen Königsweg der Schrumpfung! Pirmasens kämpft um die Zukunft der Stadt – man setzt dabei auf neues Wachstum. Der Kreis Birkenfeld traut der Wachstumsideologie nicht mehr ungebrochen und will wieder Wildnis zulassen.
Und Unterjeckenbach ? Das schrumpft vorerst einfach weiter.