Schriftsteller mit grenzenloser Gier nach Bildung
Heute gilt Guillaume Apollinaire als Wegbereiter der Moderne und Verfasser der bedeutendsten Gedichte des frühen 20. Jahrhunderts, zu Lebzeiten war er allerdings umstritten. Charakteristisch für sein Schaffen sind Gegensätze. Er war strenger Formkünstler und Experimentator, Modernist und Traditionalist, ein fortschrittsgläubiger Entdecker, mystischer Magier und Clown.
Auf sein Konto gehen ebenso todessehnsüchtige Liebesgedichte wie eine skandalträchtige Pornopersiflage. Seine Gier nach Bildung war grenzenlos: Apollinaire verschlang Druckerzeugnisse jeder Art und verleibte sich nicht nur die französischen Klassiker ein, sondern auch Zauberbücher, religionsgeschichtliche Werke und natürlich den "Giftschrank" der Nationalbibliothek.
Gemeinsam mit seinen Freunden Max Jacob, Braque und Picasso prägte er die Kunstszene des Montmatre und wurde zum Impresario der Moderne. 1914 war er wie viele seiner Zeitgenossen vom Schauspiel des Krieges fasziniert.
Im Pariser Café Flore am Boulevard St. Germain-des-Prés tagte die Redaktion der Zeitschrift Les soirées de Paris. Guillaume Apollinaire, Kunstförderer, Schnurrbartträger, berüchtigter Frauenheld, Dichter und Herausgeber des Blattes, stürmte herein. Maler und Schriftsteller nahmen auf abgewetzten Stühlen Platz und drängelten sich um die kleinen Tische; man diskutierte über die Aufspaltung der Perspektive, über Futurismus und Kubismus. Apollinaire begeisterte sich für die Bilder seiner Freunde Picasso, Braque und Matisse, die ihrerseits große Stücke auf seine Lyrik hielten. Im Frühjahr 1913 erschien der erste Gedichtband Apollinaires, Alcool in einer Auflage von 600 Stück.
"Zuletzt bist du müde dieser veralteten Welt
O Eiffelturm Hirte die Herde der Brücken blökt heute morgen
Du hast es satt zu leben im griechischen und römischen Altertum
Sogar die Automobile sehen veraltet aus
Die Religion nur ist neu geblieben die Religion
Ist einfach geblieben wie die Flughafen-Hangars"
Autos, Flugzeuge, Plattenspieler in Gedichten – ungeheuerlich. Apollinaire propagierte eine Ästhetik der Überraschung: Er wollte die Wörter befreien, eine Sprache der Leidenschaften erfinden und Tabus brechen. Die Kritiker waren ratlos: was sollten sie mit diesem Durcheinander anfangen? Auf jeder Seite wimmelte es von Spitzbuben, Tagedieben, käuflichen Frauen und anderen Randgestalten. Das passte zu Apollinaire, der eigentlich Guglielmo Albert Wladimir Alexandre Apollinaire di Kostrowitzky hieß, am 26. August 1880 als unehelicher Sohn einer polnisch-italienischen Adligen und eines bourbonischen Offiziers in Rom geboren wurde und sich in Frankreich als Außenseiter empfand.
"Du stehst am Schanktisch einer wüsten Bar
Du trinkst einen Kaffee für zwei Sous inmitten von Unglücklichen
Nun beuge ich meinen Mund zu einer ärmlichen Hure mit grässlicher Lache
Du bist allein bald wird es Morgen"
Apollinaire litt unter dem Makel seiner Geburt. Sein Vater machte sich schon früh aus dem Staub, die Mutter, chronisch in Geldnot, vagabundierte durch Frankreich und bemühte sich, die Familienkasse im Spielcasino aufzubessern – ohne Erfolg, versteht sich. Trotz allem schloss Apollinaire das Gymnasium mit Auszeichnung ab, fand als Ausländer in Paris aber keine Anstellung. Schließlich wurde er Hauslehrer, reiste quer durch Europa und begann zu schreiben. Als er 1903 nach Paris zurückkehrte, hielt er sich mit Rezensionen und Kunstkritiken mühsam über Wasser. Eine rauschhafte Textproduktion setzte ein: in einem fort entstanden Gedichte, Erzählungen, Dramen, Romane. Mit ähnlichem Tatendrang stürzte er sich von einer Liebesgeschichte in die nächste, die alle in Katastrophen endeten. Allmählich verbreitete sich Apollinaires Ruhm. Ausgerechnet in jenem Moment, im August 1911, wurde er in den Diebstahl der Mona Lisa verwickelt: ein zwielichtiger Bekannter hatte das Bild aus dem Louvre entwendet, Apollinaire war entsetzt, gab es sofort zurück, geriet dennoch unter Verdacht und kam für einige Tage ins Gefängnis. Nach Kriegsausbruch wollte sich der patriotisch gesonnene Dichter freiwillig verpflichten, doch wieder fehlte ihm die richtige Staatsbürgerschaft. Als er schließlich an die Front durfte und 1916 endlich eingebürgert wurde, traf ihn ein Granatsplitter am Kopf.
"Die Kanonen Geschlechtsorgane
Schwängern die verliebte Erde.
Die Uhr steht auf brutale Zeiten
Wie die Liebe so der Krieg."
Sehnsüchtig nach einem geruhsamen Eheleben heiratete der stark geschwächte Apollinaire im Mai 1918 Jacqueline Kolb. Sein Trauzeuge war Picasso. Bald darauf wurde ihm die spanische Grippe zum Verhängnis. Der Lyriker und Weggefährte Giuseppe Ungaretti erinnerte sich:
"Ich war in der Champagne und Apollinaire hatte mich gebeten, ihm auf dem Rückweg Zigarren mitzubringen, die er sehr mochte. Ich kam also in Paris an und ging sofort zu seiner Wohnung am Boulevard St. Germain. Es war der Tag des Waffenstillstands, auf den Straßen herrschte ein ungeheurer Trubel, überall riefen die Leute, "Abatt Guillaume, abatt Guillaume", also Sieg über Wilhelm, den deutschen Kaiser. Diese Rufe machten mich ganz unruhig, und als ich Apollinaires Zimmer betrat, erblickte ich ihn auf seinem Bett mit einem schwarzen Taschentuch über dem Gesicht. Er war tot. Über ihm hing das Bild, das Picasso ihm zur Hochzeit geschenkt hatte. Eine furchtbare Erinnerung: diese Schreie "Abatt Guillaume" und das Ende dieses großartigen Mannes."
Gemeinsam mit seinen Freunden Max Jacob, Braque und Picasso prägte er die Kunstszene des Montmatre und wurde zum Impresario der Moderne. 1914 war er wie viele seiner Zeitgenossen vom Schauspiel des Krieges fasziniert.
Im Pariser Café Flore am Boulevard St. Germain-des-Prés tagte die Redaktion der Zeitschrift Les soirées de Paris. Guillaume Apollinaire, Kunstförderer, Schnurrbartträger, berüchtigter Frauenheld, Dichter und Herausgeber des Blattes, stürmte herein. Maler und Schriftsteller nahmen auf abgewetzten Stühlen Platz und drängelten sich um die kleinen Tische; man diskutierte über die Aufspaltung der Perspektive, über Futurismus und Kubismus. Apollinaire begeisterte sich für die Bilder seiner Freunde Picasso, Braque und Matisse, die ihrerseits große Stücke auf seine Lyrik hielten. Im Frühjahr 1913 erschien der erste Gedichtband Apollinaires, Alcool in einer Auflage von 600 Stück.
"Zuletzt bist du müde dieser veralteten Welt
O Eiffelturm Hirte die Herde der Brücken blökt heute morgen
Du hast es satt zu leben im griechischen und römischen Altertum
Sogar die Automobile sehen veraltet aus
Die Religion nur ist neu geblieben die Religion
Ist einfach geblieben wie die Flughafen-Hangars"
Autos, Flugzeuge, Plattenspieler in Gedichten – ungeheuerlich. Apollinaire propagierte eine Ästhetik der Überraschung: Er wollte die Wörter befreien, eine Sprache der Leidenschaften erfinden und Tabus brechen. Die Kritiker waren ratlos: was sollten sie mit diesem Durcheinander anfangen? Auf jeder Seite wimmelte es von Spitzbuben, Tagedieben, käuflichen Frauen und anderen Randgestalten. Das passte zu Apollinaire, der eigentlich Guglielmo Albert Wladimir Alexandre Apollinaire di Kostrowitzky hieß, am 26. August 1880 als unehelicher Sohn einer polnisch-italienischen Adligen und eines bourbonischen Offiziers in Rom geboren wurde und sich in Frankreich als Außenseiter empfand.
"Du stehst am Schanktisch einer wüsten Bar
Du trinkst einen Kaffee für zwei Sous inmitten von Unglücklichen
Nun beuge ich meinen Mund zu einer ärmlichen Hure mit grässlicher Lache
Du bist allein bald wird es Morgen"
Apollinaire litt unter dem Makel seiner Geburt. Sein Vater machte sich schon früh aus dem Staub, die Mutter, chronisch in Geldnot, vagabundierte durch Frankreich und bemühte sich, die Familienkasse im Spielcasino aufzubessern – ohne Erfolg, versteht sich. Trotz allem schloss Apollinaire das Gymnasium mit Auszeichnung ab, fand als Ausländer in Paris aber keine Anstellung. Schließlich wurde er Hauslehrer, reiste quer durch Europa und begann zu schreiben. Als er 1903 nach Paris zurückkehrte, hielt er sich mit Rezensionen und Kunstkritiken mühsam über Wasser. Eine rauschhafte Textproduktion setzte ein: in einem fort entstanden Gedichte, Erzählungen, Dramen, Romane. Mit ähnlichem Tatendrang stürzte er sich von einer Liebesgeschichte in die nächste, die alle in Katastrophen endeten. Allmählich verbreitete sich Apollinaires Ruhm. Ausgerechnet in jenem Moment, im August 1911, wurde er in den Diebstahl der Mona Lisa verwickelt: ein zwielichtiger Bekannter hatte das Bild aus dem Louvre entwendet, Apollinaire war entsetzt, gab es sofort zurück, geriet dennoch unter Verdacht und kam für einige Tage ins Gefängnis. Nach Kriegsausbruch wollte sich der patriotisch gesonnene Dichter freiwillig verpflichten, doch wieder fehlte ihm die richtige Staatsbürgerschaft. Als er schließlich an die Front durfte und 1916 endlich eingebürgert wurde, traf ihn ein Granatsplitter am Kopf.
"Die Kanonen Geschlechtsorgane
Schwängern die verliebte Erde.
Die Uhr steht auf brutale Zeiten
Wie die Liebe so der Krieg."
Sehnsüchtig nach einem geruhsamen Eheleben heiratete der stark geschwächte Apollinaire im Mai 1918 Jacqueline Kolb. Sein Trauzeuge war Picasso. Bald darauf wurde ihm die spanische Grippe zum Verhängnis. Der Lyriker und Weggefährte Giuseppe Ungaretti erinnerte sich:
"Ich war in der Champagne und Apollinaire hatte mich gebeten, ihm auf dem Rückweg Zigarren mitzubringen, die er sehr mochte. Ich kam also in Paris an und ging sofort zu seiner Wohnung am Boulevard St. Germain. Es war der Tag des Waffenstillstands, auf den Straßen herrschte ein ungeheurer Trubel, überall riefen die Leute, "Abatt Guillaume, abatt Guillaume", also Sieg über Wilhelm, den deutschen Kaiser. Diese Rufe machten mich ganz unruhig, und als ich Apollinaires Zimmer betrat, erblickte ich ihn auf seinem Bett mit einem schwarzen Taschentuch über dem Gesicht. Er war tot. Über ihm hing das Bild, das Picasso ihm zur Hochzeit geschenkt hatte. Eine furchtbare Erinnerung: diese Schreie "Abatt Guillaume" und das Ende dieses großartigen Mannes."