Schriftsteller Cyrano de Bergerac

"Die Vernunft allein ist meine Königin"

Cyrano de Bergerac fliegt über den Himmel und zieht den Hut.
Cyrano de Bergerac: der Schriftsteller in einer Illustration aus dem 17. Jahrhundert. © imago/Leemage
Von Maike Albath · 06.03.2019
Mit seiner "Reise zum Mond" schuf er quasi den ersten Science-Fiction-Roman. Das Werk erschien postum, zu Lebzeiten war Cyrano der Bergerac vor allem als Komödienautor bekannt und als ungestümer Haudegen. Vor 400 Jahren wurde er geboren.
Um 1650 herum will ein Mann hoch hinaus, so hoch, wie es überhaupt nur geht. Zum Mond nämlich:
"Als ich, nach der Rechnung, die ich später darüber anstellte, mehr als drei Viertel des Weges von der Erde zum Monde zurückgelegt hatte, sah ich plötzlich meine Beine nach oben fallen, obwohl ich auf keinerlei Art gestürzt war."
Der Schauspieler Gérard Depardieu im historischen Kostüm des Cyrano de Bergerac mit der für die Figur charakteristischen großen Nase.
1990 spielte Gérard Depardieu Cyrano de Bergerac.© imago/Entertainment Pictures
Der Erfinder dieser wundersamen Reise war ein ungestümer junger Adliger, der sich regelmäßig in Duelle verwickelte, freigeistige Freundschaften pflegte und für seine scharfe Feder berüchtigt war: Cyrano de Bergerac. Ein Libertin.

Realpolitiker auf der Seite des Absolutismus

Es war die Zeit der Fronde, einer Folge von bürgerkriegsähnlichen Zerwürfnissen. Während der Erhebungen des Volkes und des Parlaments 1649 in Paris nahm Cyrano in einem glänzenden politischen Brief Partei für die Königin und ihren verhassten Minister Mazarin:

Wider die Frondeure
Monsieur,

es ist wahr, ich bin ein Mazarin-Anhänger […]. Hätte ich um den Beifall von Paris gebuhlt, würde ich zugunsten der Fronde geschrieben haben, denn zu nichts ist das Volk leichter zu bereden, als was es leichthin glauben kann; weil aber auch nichts deutlicher eine gemeine Seele beweist, als zu denken wie das gemeine Volk, tue ich mein möglichstes, dem schnellen Lauf des Stromes zu widerstehen und mich nicht mit dem großen Haufen wegtragen zu lassen.

Der quecksilbrige Satiriker schlug sich auf die Seite des Absolutismus und erwies sich als Realpolitiker. Vielleicht musste er deshalb bald darauf seine Phantasie ins Kraut schießen lassen und über Mondbewohner schreiben. Als Anhänger der materialistischen Philosophie Epikurs verteidigte Cyrano das kopernikanische Weltbild, was kurz nach den Prozessen gegen Galilei und Keppler äußerst kühn war.
Auch literarisch war seine Reise auf den Mond, der noch eine zweite auf die Sonne folgen sollte, bemerkenswert, weil er mit seinen Paradoxien und der geographischen Verfremdung den Roman der Aufklärung vorwegnahm. Die Manuskripte verschloss der Verfasser aber zunächst in einer Kassette. Er wusste um die Sprengkraft:
"Meine Herren, […] so will ich jetzt eine Abhandlung vortragen. Es ist die Erklärung des Anfangs der Welt von der Ewigkeit her."

Inspiration für Molière

Cyrano de Bergerac wurde am 6. März 1619 in Paris geboren. Schon als Jugendlicher war er wild und wissbegierig, besuchte die Vorlesungen des avantgardistischen Philosophen Pierre Gassendi, kämpfte mit dem Regiment der Gascogner die letzten Schlachten des Dreißigjährigen Krieges und wurde schwer verwundet.
Zurück in Paris brachte der mit einer prominenten Nase ausgestattete Schriftsteller Theaterstücke heraus, wie die vor Sprachwitz überberstende Komödie "Der getäuschte Pedant", die Molière zu seiner Dienerfigur Scapin inspirierte. Vor allem aber blieb Cyrano unabhängig:
"Ich unterwerfe mich keiner Autorität, wenn sie nicht mit der Vernunft einhergeht: die Vernunft allein ist meine Königin, der ich aus freiem Willen die Hand reiche."

Bewundert von Jonathan Swift, Voltaire und Casanova

Schon zu Lebzeiten umrankten Cyrano de Bergerac unzählige Legenden. 1654 fiel ihm ein Dachbalken auf den Kopf, unter Umständen, die sich nie klären ließen: war es ein Unfall, war es ein Anschlag? Cyrano wurde von Nonnen gepflegt; unterdessen verschwanden einige seiner Originalschriften.
Als es ihm besser ging, ließ er sich zu seinem Cousin bringen, bei dem er sich sicherer fühlte. Aber nur wenige Wochen später - am 28. Juli 1655 - starb Cyrano de Bergerac mit nur 36 Jahren.
Erst nach seinem Tod erschien seine Reise zu den Mondstaaten und Sonnenreichen in einer stark zensierten Fassung. Der Verfasser sprach sich gegen Krieg und Todesstrafe aus und stieß vor allem in der nächsten Generation bei Jonathan Swift, Voltaire und Casanova auf Bewunderung.

Edmond Rostands Komödie "Cyrano de Bergerac"

Aus den vielen Geschichten, die über den Feuerkopf kursierten, schuf Edmond Rostand 1897 seine Komödie Cyrano de Bergerac mit einem ebenso rasant fechtenden wie dichtenden Helden, der 1990 auch in dem gleichnamigen Historienfilm von Jean-Paul Rappenau Furore machte:
"Den Witz hab‘ ich zum Zierrat mir erkoren. Ich lass‘ die Wahrheit klirren, statt der Sporen. Freilich, Handschuh trag ich nicht, und weil mit ihm nichts anzufangen war, warf ich ihm einen Lumpen ins Gesicht!" "Strolch, Keipel, Hundsfott, Harlekin!" "Ahhhh. Und ich bin Cyrano Herkules von Bergerac."
Der große Erfolg des Stücks löste eine Renaissance der Schriften Cyrano de Bergeracs aus. Seine phantastischen Reiseberichte gelten heute als Höhepunkte der utopischen Barockliteratur.
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