Schrauben bis zum letzten Bit

Von Tarik Ahmia |
Wieso sind eigentlich die meisten Computer grau? Das haben sich schon vor Jahren einige Bastler gefragt. Seitdem beschäftigt sich eine quirlige Szene damit, alle Erwartungen vom Aussehen eines Computers auf den Kopf zu stellen. "Je schicker, auffälliger und verrückter desto besser", lautet das Motto der Casemodder.
Wenn Maico Bensien seinen Computer einschaltet, dann gleicht dieser keinem anderen. Denn der pfiffige Bastler aus Hamburg ist ein Meister, genauer gesagt der Deutsche Meister für selbst gebastelten PC-Gehäuse. Den Titel gibt es wirklich…

Maico Bensien: "Ich komm aus der Autobranche und habe eben viel an meinen Autos herumgeschraubt: tiefer, breiter, schneller, diese Geschichten..."

Maico Bensien gehört zu den besten einer Szene, die schon seit ein paar Jahren entschlossen daran arbeitet, dem Einheitsgrau der vor sich hin dümpelnden Personal Computer ein Ende zu bereiten. "Case Construction" – kurz "casecon" - heißt die Disziplin, in der sich immer mehr Computerbastler mit verrückten, spektakulären und witzigen Computergehäusen überbieten.

Ungewöhnliches und edles Aussehen ist das Ziel der "Casecons". Kreativität, handwerkliches Können und oft hunderte Arbeitsstunden führen dorthin. Monatelang sägen, feilen, löten und schrauben die Tüftler an ihren Computer-Unikaten. Verwendet werden alle denkbaren Materialien: viel Acrylglas, aber auch Holz, verrostetes Metall für den Retro-Look oder Gehäuse komplett aus LEGO-Steinen.

Maico Bensien: "Ich habe irgendwann angefangen komplette Gehäuse aus Acrylglas zu bauen. Erstmal waren es normale Quader. Das wurde mir dann aber zu langweilig, weil ich gemerkt habe, die anderen ziehen nach und machen es auch so. Und dann habe ich gesagt: okay, machen wir es ein bisschen extremer und habe dann schon bei einigen Wettbewerben teilgenommen und habe dann aus Acrylglas mit Beleuchtung einen ganz eigenen Stil entwickelt; es ist nichts Eckiges mehr, es geht schon ins Design rein. "

PC-Tuning hat sich in den letzten Jahren zu einer großen Szene entwickelt, die ohne ihre Internet-Foren nicht denkbar wäre. Hier ist der Marktplatz für die neusten Entwürfe. Tausende Bilder von PC-Umbauten werden in den Internet-Galerien zur Schau gestellt und als "lamer" – ‚Versager’ - verrissen oder mit "Respekt!" gewürdigt. LAN-Parties sind beliebte Anlässe, die neusten Designs im wahren Leben zu präsentieren. Es gibt wohl nichts, in das man keinen PC einbauen könnte. Zu den Klassikern der Casecons gehört ein Aquarium, ein funktionsfähiges Bierfass, eine Flugzeugturbine, ein Puppenhaus, eine Gitarre, eine Schaufensterpuppe und ein Kondomautomat.

Maico Bensien: "Wir bauen keine Spoiler an die Autos oder dicke Räder. Wir versuchen uns selber zu verwirklichen, unsere Ideen, die wir haben – so krank die auch manchmal sind – einfach auch nicht nur aufzumalen, sondern das ganze dann auch umzusetzen, dass es funktioniert. Wo viele Leute die Hände übern Kopf zusammenschlagen und sagen: "Ey, das kriegst Du nie hin!". Das wird so gemacht. Und das wird dann auch durchgezogen bis zum bitteren Ende. Einfach nur um sich das auch selbst zu beweisen dass man’s kann."

Wer weder das Können noch die Zeit hat, seinem PC ein Facelifting zu verpassen, für den gibt es Fertiglösungen zum "casemodden". Im Gegensatz zur "Case Construction" handelt es sich beim "Casemodding" um das Aufmotzen von Standard PCs. Die Firma "Caseking" ist dafür der größte Spezialversand in Europa. Beliebt sind bei den Kunden vor allem jede Menge optische und akustische Effekte, so Geschäftsführer Toni Sonn:

Toni Sonn: "Populär ist alles was leuchtet. Eins der simpelsten Produkte, um seinen Rechner in neuem Licht erstrahlen zu lassen, sind Kaltkathoden. Das sind Lampen, die in den PC eingesetzt werden. Das kann man sich vorstellen wie eine Leuchtstoffröhre. Die gibt es in verschiedenen Farben. Die sorgen dafür, dass so ein geheimnisvolles blaues Leuchten aus dem PC erstrahlt. Was auch noch sehr beliebt ist, sind beleuchtete Lüfter. Da gibt es auch unendlich viele Farbvarianten, die man teilweise steuern kann, mit Blitzeffekten, mit Soundmodulen, die im Takt zur Musik irgendwelche Lichtshows bieten. "

Einiges ist sogar für den gemeinen PC-Anwender sinnvoll. Wasserkühlungen sind zum Beispiel der Modding-Szene zu verdanken, mit denen sich absolut geräuschlose PCs bauen lassen. Wie beim Autozubehör gibt es aber auch beim Casemodding eine Menge Firlefanz: phosphorizierende Leuchtschnüre, beleuchtete Standfüße oder gar "Theme Screws" - nach Themen designte Schrauben im Alien- oder Gladiator-Design. An echte Hardcore-Modder richtet sich wohl auch das Mauspad aus Panzerglas, das laut Hersteller "ein völlig neuartiges Gleiterlebnis" verspricht.

Die Königsklasse der PC-Tuner bleibt aber die "Case Construction". Für seinen Deutschen Meistertitel hat Maico Bensien neun Monate am Gehäuse im Stil eines Alien-Kopfes getüftelt. Mit Geld wäre die investierte Arbeit nicht zu bezahlen gewesen. Bensien versteht es als Hobby, in dem er sich kreativ verwirklichen kann.

Maico Bensien: "Mir liegt ein bisschen daran, mich abzukanzeln von der Allgemeinheit und mein eigenes Ding durchzuziehen.
Show … es ist reine Show … aber es sind funktionierende Rechner."