Schon das richtige Atmen hilft

Von Anna Florenske · 08.06.2013
Das Gebären eines Kindes ist einerseits ein großartiges Ereignis, andererseits auch eine schmerzhafte Angelegenheit. Deshalb raten Hebammen, ohne feste Vorstellungen über den Verlauf, aber gut vorbereitet in eine Geburt zu gehen. Banal klingende Techniken können hilfreich sein.
Evangelisches Krankenhaus Weyertal in Köln. Mitten in einer Geburt. Eine junge Frau steht breitbeinig im Kreißsaal. Die Hände umklammern ein langes Seil, das von der Decke herab hängt. Mit Schreien begleitet die Gebärende die Presswehen. Sie bekommt ihr Kind ganz ohne Schmerzmittel. Dicht neben ihr: eine Hebamme.

Hebamme: "Mit Kraft nach oben, das hilft Dir. Gut, super! Atmen und noch mal. Sehr gut!"

Ausnahmesituation Geburt. Während die meisten Frauen bis in die 1990er-Jahre ihre Kinder vorwiegend liegend bekamen, werden sie heute zunehmend ermutigt, die Geburtsposition einzunehmen, die für sie die angenehmste ist. Und was sich für Außenstehende nach extremem Leiden anhört, nehmen Frauen für sich selbst ganz unterschiedlich wahr, erklärt Claudia Hellmers, Professorin für Hebammenwissenschaften an der Hochschule Osnabrück:

"Grundsätzlich muss man sagen, dass der Geburtsschmerz sehr subjektiv und von außen nicht bewertbar ist. Und damit eben immer individuell zu betrachten ist."

Aus wissenschaftlichen Untersuchungen weiß die Forscherin und gelernte Hebamme zum Beispiel, dass es etliche Mütter gibt, die den Geburtsschmerz für sich nicht negativ empfinden.

"Was in der Regel damit zu tun hat, dass sie ihn besser verarbeitet kriegen. Weil sie Methoden anwenden, mit denen sie den Schmerz regulieren oder, dass diese Methoden so unterstützend sind, dass sie es wirklich gut verarbeiten können."

Schon das richtige Atmen hilft Gebärenden beim Verarbeiten der Schmerzen, bestätigt auch Hebamme Daniela Erdmann vom Geburtshaus in Köln. In den 1970er-Jahren haben Ärzte und Hebammen den Atem-Takt sogar vordiktiert - heute ist meist das ruhige Atmen im eigenen Rhythmus das Ziel.

"Es geht um das Ausatmen bei der Geburt. Also die Frauen immer wieder dabei zu unterstützen, mit dem Ausatmen auch Spannung abzubauen."

Wie hilfreich das sein kann, erfuhr auch Josephine Wiedemann bei drei Geburten.

"Bei der ersten Geburt habe ich immer nur an den Schmerz gedacht - und der war natürlich höllisch. Dann habe ich danach mit Hebammen auch gesprochen und habe dann gezielt versucht, wirklich mich auf die Atmung zu konzentrieren, und nicht auf den Schmerz. Und das war super."


Einfache Maßnahmen können helfen
Wissenschaftliche Untersuchungen zeigen auch, dass einfache Maßnahmen wie Entspannungsbäder, Bewegung und die kontinuierliche Anwesenheit einer Betreuungsperson sehr dabei helfen können, die Schmerzen während einer Geburt zu bewältigen. Reicht das nicht aus, kommen Methoden der Schmerzlinderung ins Spiel, die die Dynamik der Geburt möglichst wenig stören sollen. Auch hier zeigt die Forschung, dass vieles wirkt, weiß Professorin Claudia Hellmers:

"Bei der Akupunktur scheint es so zu sein. Bei der Akupressur gibt es auch eine Wirkung. Da gibt es sogar Untersuchungen, die sagen eher noch Akupressur als Akupunktur noch stärker den schmerzlindernden Effekt ausdrücken. Und ganz generell Massagen auch - hier scheint es Angst mindernde und auch Schmerz erleichternde Funktionen zu geben."

Ganz anders wirkt eine medikamentöse Betäubung: Durch sie lassen sich die Geburtsschmerzen dämpfen oder ganz ausschalten. Das gängigste Verfahren ist die sogenannte Periduralanästhesie, kurz PDA. Dabei gelangt das Betäubungsmittel durch einen Plastikschlauch in den unteren Rücken. Die Frauen sind dann örtlich betäubt - im Bereich des Unterleibes. Für Professor Peter Mallmann - den Leiter der Kölner Uni-Frauenklinik - ist dieses Verfahren ein Segen für die Geburtsmedizin:

"Sie sind ganz klar hellwach, haben bloß die Schmerzempfindung nicht mehr. Ist unter der Geburt ein wunderbares Verfahren, was den Frauen mit höchster Wahrscheinlichkeit die Schmerzen nimmt, ohne das Bewusstsein einzutrüben."

Studien belegen: 96 von 100 Frauen sind mit dieser Form der Schmerzlinderung zufrieden. Auf der anderen Seite bergen medikamentöse Verfahren wie die PDA auch Nebenwirkungen und Risiken: Blutdruckabfälle, Übelkeit und Kreislaufbeschwerden sind bei einer PDA nicht selten. Auch verlängert diese Betäubung oft Geburten und erhöht das Risiko, dass die Babys mit Saugglocke oder Zange aus der Mutter herausgezogen werden müssen.

"Natürlich haben medizinische Interventionen immer Nachteile. Aber sie haben in bestimmten Situationen auch Vorteile. Und wenn eine Situation auftritt wo man sagen würde: Jetzt haben wir die Wahl zwischen Kaiserschnitt oder vielleicht mit einer Periduralanästhesie noch mal in eine Entspannung kommen, um dann vielleicht doch auf normalem Wege das Baby gebären zu können - dann wäre das für mich der weniger invasive Eingriff."

Letztendlich ist es aber immer eine Abwägungssache, welche Form der Schmerzlinderung frau wählt, resümiert die Hebammenwissenschaftlerin Claudia Hellmers:

"Und wenn eine Frau sagt, sie kann diese Schmerzen nicht ertragen und sie will dann auch wirklich eine Periduralanästhesie haben - dann ist das ihre Entscheidung. Weil es ist ihre Geburt und sie wird damit dann in ihrer Biografie weiter leben."
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