Schönheitsoperationen

Schnitt ins Fleisch

Popstar Michael Jackson am 13.11.2002 vor einem Gericht im kalifornischen Santa Maria. Dort muss er sich gegen Vorwürfe von Vertragsbruch verteidigen. Der Münchner Konzertveranstalter Marcel Avram hat den «King of Pop» wegen Betrugs und Vertragsbruchs auf über 21 Millionen Dollar Schadenersatz verklagt.
Auch Michael Jackson war ein Kunde von Schönheitschirurgen. © picture alliance / dpa / Foto: epa afp Los Angeles Times
Von Stefan Keim · 16.04.2014
Nasen-OP, Falten wegspritzen, Fett absaugen - die Möglichkeiten der körperlichen Verschönerung sind umfangreich. Regisseurin Angela Richter hat für ihr Theaterstück auch mit Michael Jacksons ehemaligen Hausarzt gesprochen.
Schaufensterpuppen. Die Spielfläche der Halle Kalk des Kölner Schauspiels ist voll von ihnen. Manche bilden Gruppen, andere stehen allein herum. Aus diesem Ensemble lösen sich Schauspieler und Statisten am Beginn des Abends "Brain and Beauty“ von Angela Richter.
Fast nur Frauen wollen Falten tilgen
Die Regisseurin recherchiert ihre Themen in der Realität und baut ihre Abende aus vielen Interviews zusammen. Diesmal geht es um Schönheitschirurgen und ihre Patientinnen. Fast nur Frauen streben danach, die Spuren des Verfalls aus ihren Gesichtern zu tilgen, alterslos zu werden wie die Puppen. Nur von einem männlichen Patienten ist die Rede, von Michael Jackson.
Angela Richter hat mit seinem ehemaligen Hautarzt gesprochen, der schlaksige Yuri Englert verkörpert Dr. Arnold William Klein aus Beverly Hills nun auf der Bühne. Englert ist eine Art Prototyp für die Art des Schauspiels, die Angela Richter braucht. Er tappt nicht in die Authentizitätsfalle, bleibt auf Distanz, stellt die Rolle aus, kommentiert aber nur unterschwellig. Diese Gratwanderung ist nötig, um nicht in die Satire abzurutschen und Doppelbödigkeit zu bewahren. Denn natürlich will man über diese Menschen etwas erfahren.
Geschwätziger Hausarzt
Jacksons Hautarzt hat sich was getraut. Weil er eine neue Operation für sinnlos hielt, der Popstar aber darauf bestand, hat er ihn einfach auf den OP-Tisch gelegt, narkotisiert, nichts gemacht und wieder aufgeweckt. Jackson soll sehr zufrieden gewesen sein mit dem Ergebnis des Eingriffs. Aber der Arzt ist auch ein eitler Schwätzer, der über die angebliche Bisexualität von Angelina Jolie und Drew Barrymore schwafelt und sie an ihren "viel zu männlichen“ Körpern fest macht.
Ein von Malte Sundermann verkörpert Kollege begreift sich gar als Künstler, als Bildhauer, der eine Vision vom menschlichen Körper entwickelt. Bald, sagt dieser Schönheitschirurg, werde ein Besuch bei ihm so normal sein wie ein Termin beim Friseur. Und Falten könne man sich mit einer speziellen Technologie ohnehin zu Hause selbst aus dem Gesicht ziehen.
Die Leute erzählen brav ihre Geschichten
Diese Monologe sind die Höhepunkte eines unterhaltsamen Abends, der aber auch einige Längen hat. Die Berichte der genervten Patientinnen bringen nicht viel Neues, werden aber fulminant und leicht am Rande der Charge gespielt. Angela Richter hätte die Themen mehr gliedern und zuspitzen, die vielen Erzählungen vielleicht auch miteinander verschneiden können. Das würde dem Abend mehr Biss und Drive geben. So läuft er ab wie eine Nummernrevue, die Leute erzählen brav nacheinander ihre Geschichten und treten nur selten in Interaktion.
Der Musiker Malakoff Kowalski läuft manchmal in blauen OP-Klamotten über die Bühne, setzt aber wenig Akzente. Es tut nichts weh, das Publikum bleibt auf Distanz und wird nur einmal von Melanie Kretschmann direkt angegangen mit der Aufforderung, die für viel Geld gekauften Brüste anzufassen. Doch auch das ist nicht mehr als ein hübscher Gag. So bleibt "Brain & Beauty“ etwas gefällig. Doch in dem Thema und auch in Angela Richters Material steckt viel Bühnenpotenzial. Man müsste sich vielleicht auch mal einen Schnitt ins Fleisch trauen.

Vorstellungstermine von "Brain & Beauty" sind am 17., 22. und 30. April und am 4., 6., 8., 11., 13.,14., 16., 20., 22. und 23. Mai. Weitere Informationen finden Sie auf der Homepage des Schauspiel Köln. 

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