Schönes und Harmonisches

Von Marcus Weber · 23.12.2008
Das klassische Weimar ist ihre Wahlheimat und ihre Lieblingsstadt. Und irgendwie passt sie sehr dahin, denn es geht der Malerin Katrin Heesch bei ihrer Kunst nicht darum zu provozieren, zu improvisieren oder zu scheitern. Sie möchte mit ihren Bildern etwas "Gelungenes" schaffen.
Weimar, der Himmel ist wolkenverhangen, die Straße nass vom Regen. Katrin Heesch steht am offenen Fenster ihres Ateliers und schaut hinaus.

"Na da würde jetzt jeder Mensch so sagen: Das ist ja irgendwie ein trüber Tag, das ist alles so furchtbar grau. Und ich sehe eben in diesem Farbton da oben so ein ganz angenehmes Grau-Blau mit einem Hauch von Dunkel-Kirsch-Rot. Ja, und die hellen Bereiche sind teilweise mit Violett."

Ihr Galerist sagt über sie: So wie manche Musiker ein absolutes Gehör haben, habe Katrin Heesch einen absoluten Blick für die Farbe.

Seit zehn Jahren malt die Künstlerin Streifen – farbige Streifen: jeder nur wenige Millimeter breit, horizontal aneinandergereiht, teilweise übereinander, sodass ein feines Relief entsteht.

Heesch: "Das kann man nicht beschreiben. Wenn ich jetzt sagen würde, in der Mitte ist Blau, unten ist ein dünner, kräftiger, orangener Streifen, oben ist eine frühlingshafte Partie mit Weinrot – das ist zu offen."

Das Bild vor ihr auf dem Tisch ist 60 Zentimeter hoch und 1,20 Meter breit. Der Titel "246" steht für die Anzahl der Streifen. Es geht, sagt Katrin Heesch, um die harmonische Anordnung von Farbe. Um eine vollkommene Anordnung.

Heesch: "Ich versuche, kleine Paradiese zu schaffen, Inseln, Paradies-Inseln. Das ist natürlich unmöglich in der realen Welt, ein Paradies zu haben. Das ist auch egoistisch, überall gibt es natürlich Probleme. Aber in den Bildern selber, das ist ein abgeschlossenes System, da ist es möglich."

Heiterkeit und Ruhe sollen ihre Bilder ausstrahlen. Manchmal hat die 35-Jährige nur eine Stimmung im Kopf, einen Eindruck von einer Reise, ein Foto. Sie grundiert die Leinwand, acht Mal. Sie misst, nimmt Klebeband, klebt einen exakt horizontalen Streifen ab, mischt die Farbe.

Heesch: "Oben setze ich zum Beispiel einen grünen Strei¬fen auf die weiße Fläche – und der grüne Streifen fordert einen anderen Streifen in einer gewissen Breite."

Jeder neue Farbstreifen steht im Verhältnis zu den anderen Farben. Es ist wie ein Gespräch, das beginnt, eine Melodie, ein Motiv.

Heesch: "Es gibt Farben, die werden von anderen angesprochen. Und dadurch reden sie miteinander. Und manche stoßen sich ab – und da muss man dann eine Vermittlerposition schaffen. Zwischen zwei kräftige Farben muss man immer einen Übergang schaffen, etwas Sanftes, damit sie sich nicht zerfleischen."

Heesch: "Das ist wie so ein Herausschälen von, von etwas, was anders nicht sein kann. Am Ende merkt man: Wenn man einen kleinen Millimeter von diesem Streifen weglässt, dann funktioniert es nicht mehr."

"Katrin Heesch trägt einen blauen Pullover, ihre Augen leuchten blau, sie lacht. Blau ist ihre Lieblingsfarbe. Sie mag die Weite, die es ausstrahlt. Das Friedfertige."

Katrin Heesch ist in den Achtzigerjahren einer Kleinstadt in der Nähe von Kassel aufgewachsen.

"Ich hatte eine Kindheit, die wahrscheinlich auch der Ursprung ist der Bilder, die ich mache. Es war also extrem heiter und sorglos. Und ja, ich hab immer Geborgenheit gespürt."

Das Talent zum Malen hat sie vom Großvater. In der Schule versucht sie, sich vor dem Unterricht zu drücken, um Zeit für ihre Bilder zu haben. Doch die Ausrede mit den Bauchschmerzen funktioniert nicht – ihr Vater ist Internist, die Mutter Krankenschwester.

Heesch: "Und der Witz ist: Ich hab mich jetzt letztens erinnert, dass ich in der Grundschule schon Streifen gemalt habe. Und zwar mit diesen komischen Eddings. Da hab ich dann nur rot-grün-blau so gemalt. Und die hab ich sogar verkauft für zwei Mark. Obwohl das ja ganz einfach ist zu malen – aber die wollten das von mir kaufen dann. Hmm."

Nach dem Abitur beginnt Katrin Heesch in Weimar ein Studium der Visuellen Kommunikation. Später wechselt sie in die Freie Kunst. Zunächst experimentiert sie mit farbigem Sand und Bindemittel, doch bald entdeckt sie ihre Streifenbilder – die sie bis heute nicht mehr loslassen.

Heesch: "Es hat sehr viel mit Konzentration zu tun und mit Sammlung. Man darf sich in keiner Weise zerstreuen. Und das liebe ich einfach: Wenn man nicht zerstreut ist."

Acht Stunden steht sie im Atelier, an sechs Tagen die Woche. Und dennoch dauert es anderthalb Monate, bis ein Bild fertig ist.

Heesch: "Manchmal kann man gut davon leben, manchmal gar nicht. Also andere sagen: So könnt ich nicht leben. Aber ich könnt auch nicht so leben, dass ich jeden Monat das gleiche Geld kriege und das nicht tun kann, was ich tue. Also die Hauptsache ist immer, dass ich Material kaufen kann und genügend Brot. Und mehr brauch ich nicht."

Gemeinsam mit ihrem Freund, der auch Maler ist, hat sie Arbeitsräume und Wohnung in ihrer Wahlheimat Weimar ausgebaut. In ihrer Freizeit malt sie Ölbilder – das Meer, und Wolkenformationen. Sie habe kaum Freunde, sagt Katrin Heesch, keine Bekannten, keine Kinder. Und sie sieht dabei völlig glücklich aus.

"Die ganzen Dinge, die Menschen tun, tu ich nicht. Sondern ich bin eben hier in dem Atelier. Und, ja da muss man das aufgeben dafür, weil das Herz so sehr an dem anderen hängt, dass man das andere Leben nicht führen kann."