Schöner Wohnen für Hühner

Von Udo Pollmer · 05.10.2008
Der Bauernverband fordert eine eigene EU-weite Kennzeichnung für Eier aus sogenannter Kleingruppenhaltung. Bislang ist dafür die gleiche Kennzeichnung vorgesehen wie bei Eiern aus Legebatterien. Ab 2009 ist die Batteriehaltung in Deutschland verboten. In anderen Ländern, die ihre Eier nach Deutschland exportieren, ist sie aber noch weiterhin erlaubt. Dann würden zwei ganz unterschiedliche Haltungssysteme die gleiche Kennziffer tragen.
Was unterscheidet die Kleingruppenhaltung von den üblichen Haltungsformen? Bisher gab es die klassische Käfighaltung, die Bodenhaltung, die Freilandhaltung und schließlich die ökologische Haltung. Bei der Kleingruppenhaltung handelt es sich um eine Käfighaltung, bei der die Tiere nicht mehr zu viert oder zu fünft in niedrigen Käfigen hocken, sondern - vereinfacht gesprochen - alle zusammen in einem großen Käfig, der für bis zu 60 Hennen ausgelegt ist. Das bedeutet eine deutliche größere Bewegungsfreiheit – sowohl in der Fläche als auch in der Höhe. Die Höhe der neuen Ställe beträgt pro Etage etwa einen dreiviertel Meter – innen sind es 50 bis 60 cm.

Das allein bedeutet ja noch keine tiergerechte Haltung. Richtig. Dazu kommen weitere Maßnahmen wie Sitzstangen, Krallenabnutzer, Einstreubereich mit automatischer Nachfüllung sowie Gruppennester mit Vorhängen. Manche Anbieter von Haltungssystemen haben spezielle Staubbadematten entwickelt, in die ein wenig Futter einrieselt. Da sind die Hennen dann beschäftigt. Wie tiergerecht die Haltungsform ist, lässt sich auch an der Zahl der verlegten Eier messen. Und genau da gibt’s keine Probleme. Die biologischen Leistungen der Tiere sind besser als in der Bodenhaltung.

Das ist offenbar ein Fortschritt gegenüber der Batterie. Letztere wurde ja auch damit begründet, dass sie hygienischer sei als die Bodenhaltung. Kriegen wir da jetzt neue Probleme? Die Anlagen sind so gestaltet, dass der Kot durchfällt, getrocknet und abtransportiert wird. Das ist ein gewaltiger Vorteil gegenüber der Freilandhaltung. Im Stall kann der Kot eingesammelt werden und später als Dünger genutzt werden. Bei der Freilandhaltung geht alles ins Grundwasser und die Atmosphäre. Denn dort wo Hühner scharrren, wächst kein Gras mehr. Das Huhn ist im Gegensatz zum Rind kein Weidetier, sondern sucht mit seinen scharfen Krallen nach Insekten. Wenn die Tiere im Stall gehalten werden, sinkt die Seuchengefahr. Wird was eingeschleppt, kann man den Stall desinfizieren. Bei der Freilandhaltung pendelt der neue Erreger alsbald zwischen Tauben, Spatzen und Hühnern hin und her. Den werden wir nie wieder los und infizieren damit unsere heimischen Piepmätze.

Was sagen denn die Tierschützer dazu? Die sind pflichtgemäß dagegen. Der Deutsche Tierschutzbund beanstandet das Federpicken in den neuen Ställen, also wenn sich Hennen gegenseitig blutig picken und töten. Dummerweise stellt der sogenannte Kannibalismus vor allem bei der Boden- und Freilandhaltung aufgrund der großen Herden ein enormes Problem dar – nicht aber bei der Volieren- und Kleingruppenhaltung. In den großen Herden funktioniert die Hackordnung nicht mehr, das stresst die Tiere und macht sie aggressiv. In einem Punkte haben die Tierschützer allerdings recht: Sie sagen, dass bei der Kleingruppe das Risiko für Kannibalismus "aufgrund der höheren Gruppengrößen deutlich höher im Vergleich zum herkömmlichen Käfig eingestuft" wird. Gemeint sind hier die früher üblichen Käfige. Die waren so klein, dass die Hennen nicht mehr hacken konnten. Wenn Tierschützer jetzt die Legebatterie als Vorbild nehmen, bleibt mir die Spucke weg.

Wann kommen die Eier aus dieser Haltungsform in den Handel? Das ist noch nicht ganz klar. Der Lebensmittelhandel will auf Bodenhaltung und Massen-Freilandhaltung setzen. Beides ist in Hinblick auf Tierschutz, Umweltschutz und Verbraucherschutz die schlechtere Alternative. Bei der Bodenhaltung hocken die Viecher alle auf dem Boden in ihrem Kot. Die Todesrate ist weit höher als bei Kleingruppe. Bei der Massen-Freilandhaltung ist es nichts ungewöhnliches, wenn innerhalb eines Jahres ein Drittel der Herde krepiert. Die Kleingruppe ist zwar noch nicht das Ei des Kolumbus, aber es ist neben der Volierenhaltung das Beste, was diese skandalumwitterte Branche in Hinblick auf Umwelt, Tier und Verbraucher bisher zuwege gebracht hat.

Was wird dann aus den Legebatterien? Die werden bleiben – wenn auch hinter der deutschen Grenze. Da die Batterien die hygienischsten Eier liefern, werden sie von den Verarbeitern bevorzugt. Unverzichtbar sind sie für Alten- und Pflegeheime, Krankenhäuser usw. Freilandeier wären für dieses Publikum viel zu riskant.

Literatur:
Kreienbrock L et al: Orientierende epidemiologische Untersuchung zum Leistungsniveau und Gesundheitsstatus in Legehennenhaltungen verschiedener Haltungssysteme. Abschlußbericht, Hannover 2004
Vits A: Evaluierung von Kleingruppenhaltung und ausgestalteten Käfigen für Legehennen hinsichtlich wirtschaftlicher und gesundheitlicher Parameter mit besonderer Berücksichtigung von Legeleistung, Eiqualität und Knochenfestigkeit. Dissertation, Tierärztliche Hochschule Hannover 2005
Maisack C et al: Zur "Stellungnahme der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover zur Legehennenhaltung" vom März 2006. IGN 2006
Deutscher Tierschutzbund: Stichwort "Kleingruppenhaltung" – auch "Kleinvoliere" oder "ausgestalteter Käfig" genannt. Hintergrundpapier, Stand April 2006
Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft e.V.: Handel bevormundet Verbraucher beim Eierkauf. Pressemitteilung, 15. Juli 2008