Schöner schimpfen
Vergiftete Komplimente oder scharfe Worte - der Publizist Hans Rath hat eine Kulturgeschichte der Beleidigung geschrieben. Unter Kollegen rät er dazu, Beschimpfungen "nach oben zu führen und dann auch saftig". Über Konsequenzen sollte man sich im Klaren sein.
Christopher Ricke: Es sind Kleinigkeiten, an denen man Bildungsbürger erkennt: Die können zum Beispiel Verben stark beugen und sagen, der Hund boll in der Nacht - oder sie haben ihren Max Weber gelesen und wissen, dass man harte Bretter bohrt und nicht etwa dicke, und sie bitten auch darum, dass man sie im Arsche leckt und nicht am. Heute, am 450. Todestag des Götz von Berlichingen, beschäftigen wir uns mit dem Schimpfen, mit dem Beleidigen. Geschimpft wird immer – ein paar Beispiele aus dem vergangenen Jahrhundert von Klaus Kinski, Rudi Völler, Franz Josef Strauß und Herbert Wehner. (Einspielung O-Töne) Wer zu sehr austeilt, bekommt eben auch mal einen Ordnungsruf. Ich sprach mit Hans Rath, der über die Kunst der Beleidigung ein ganz ordentliches Buch geschrieben hat. Seien Sie mir gegrüßt, Herr Rath.
Hans Rath: Schönen guten Tag, Herr Ricke!
Ricke: Wie beleidigen Sie denn am liebsten - mit dem eleganten Florett oder mit dem groben Säbel?
Rath: Wenn ich denn muss, mit dem eleganten Florett, wobei manchmal auch der Säbel rausgeholt werden muss. Das heißt, die Wahl der Waffen, die ist auch bei der Beleidigung natürlich entscheidend. Aber ehrlich gesagt, am liebsten beleidige ich überhaupt nicht.
Ricke: Aber warum schreiben Sie dann ein Buch über so was?
Rath: Weil ich es spannend fand und nichts gefunden habe in der Richtung bis auf Beleidigungssammlungen. Und ich wollte mal wissen, wie ist eigentlich so die Funktion der Beleidigung, warum macht man das und was ist, wenn man sich die Geschichte mal anschaut, an großen Beleidigern – wir haben ja eben einen gehört -, was ist an großen Beleidigern unterwegs gewesen und was haben die so gemacht und mit welchem Erfolg oder Misserfolg ist das passiert und wie sieht es dann jetzt neuerdings aus. Das ist ein bisschen so die Idee zu dem Buch gewesen, also eine kleine Kulturgeschichte der Beleidigung, wenn man so will.
Ricke: In dieser Kulturgeschichte ist auch ein bisschen ein Ratgeberaspekt drin. Den möchte ich jetzt gerne abfragen, denn wenn ich meine Kollegen beleidige, dann möchte ich ja, dass sie ordentlich leiden – das Wort "Leiden" ist ja drin in der Beleidigung -, die sollen mich auch richtig hassen, aber sie sollen mich weder beim Chefredakteur noch bei der Gleichstellungsbeauftragten anschwärzen können. Wie stelle ich das an?
Rath: Das wird schwierig.
Ricke: Darum frage ich Sie. Wie stelle ich das am besten an?
Rath: Na ja, eigentlich geht es gar nicht. Wenn Sie die Beleidigung durchziehen, in dem Moment muss man wissen, dass es halt eben justiziabel werden kann im schlimmsten Fall. Also man sollte immer so ein bisschen planen, wenn man jetzt im alltäglichen Leben beleidigt, das kann schon mal ein Monatsgehalt kosten, wenn es den Falschen trifft, und das sollte man im Hinterkopf behalten. Beleidigungen, die man dann nachher zurückzieht, oder wo man nachher sich versucht, links oder rechts daran vorbeizufummeln, die funktionieren eigentlich nicht. Eine Beleidigung ist schon eine scharfe Waffe und wenn man sie führt, muss man wissen, vielleicht vorher ganz kurz überlegen, ob und wie man die Kollegen beleidigen will, und wenn Sie es dann unbedingt machen möchten, genießen Sie es, weil die anschließende Standpauke, die Sie dann an höherer Stelle ertragen müssen, die müssen Sie dann auch wie ein Mann wegstecken.
Ricke: Wie ist es denn mit dem vergifteten Kompliment, wenn ich also sage, Herr Rath, also für Ihre Verhältnisse haben Sie heute wirklich ausgezeichnet gekocht? Ist das schon eine Beleidigung?
Rath: Nein, das ist noch keine Beleidigung. Das ist sehr schön. Da würde ich dann wahrscheinlich erwidern, so eine Frage habe ich von Ihnen auch erwartet oder so eine Bemerkung. Also mit vergifteten Komplimenten kann man eine ganz schöne Konversation führen und am Schluss ist man sich auch nicht grün dabei. Also nicht schlecht!
Ricke: Wie sieht es denn mit der Beleidigungskultur im nationalen Vergleich aus? Gibt es deutsche Stämme, die in diesen Bereichen weiter vorne stehen als andere?
Rath: Ich glaube, es gibt sogar eine Studie, die das mal untersucht hat, aber ohne nennenswerte Unterschiede. Das heißt, es gibt natürlich deftigere Begriffe, wenn man jetzt irgendwie in den Süden geht, aber man kann jetzt nicht sagen, dass da eleganter, gewitzter, besonderer oder besonders deftig beleidigt wird. Es gibt immer mal wieder, ich sage jetzt mal, nationale Größen, die dann sich so hervortun, beispielsweise in Frankreich Voltaire oder solche schillernden Persönlichkeiten, die dann sich das zu eigen machen. Aber dass man jetzt von einer Nationalität reden könnte, die besonders gut beleidigt, wüsste ich jetzt nicht.
Ricke: Es gibt die Beleidiger und die brauchen natürlich dringend die Leider. Zum Beleidigtsein gehört vielleicht auch ein bisschen ein Opferwillen. Welche Gruppe Menschen ist denn hier besonders geeignet?
Rath: Beim Beleidigen ist es so, dass häufiger man die Nerven verliert, wenn man einem Menschen, ich sage jetzt mal, ausgeliefert ist. Deswegen ist die Beamtenbeleidigung so beliebt, weil man sich ungerecht behandelt fühlt und dann rutscht einem halt eine Beleidigung raus. Das ist typisch. Es ist also eher selten so, dass man nach unten hin beleidigt. Das macht man dann auch, ist aber auch, finde ich, kein Zeichen von gutem Stil, das zu tun. Ich schlage eigentlich eher vor, die Beleidigung wenn, dann nach oben zu führen und dann auch saftig. Um bei Ihrem Beispiel von eben zu bleiben: Überlegen Sie doch mal, wann Sie denn den Vorgesetzten beleidigen müssen, und vielleicht bringt das ja sogar was. Das kann eine Beleidigung natürlich auch. Sie kann Dinge anschwärzen, die vielleicht zurecht angeschwärzt werden.
Ricke: Herr Rath, Menschen in unserem fortgeschrittenen Alter, also zwischen 40 und 50, fühlen ja, dass es immer schlimmer wird, dass die Jugend nur noch pöbelt, in der U-Bahn keiner mehr aufsteht, dass viel beleidigt wird. Diese gefühlte Verrohung der Sitten, ist die auch sachlich zu belegen?
Rath: Wissenschaftlich, würde ich jetzt sagen, nicht unbedingt. Allerdings habe ich auch das Gefühl, dass natürlich die Welt ein bisschen härter wird und die Globalisierung da auch eine Reihe von neuen oder schärferen Winden mit sich bringt. Wir haben ja auch festgestellt, jetzt irgendwie durch Bankenkrise und so, dass plötzlich ganze Berufsstände in Misskredit geraten, ob jetzt zu Recht oder zu Unrecht. Da fühlt man sich dann auch natürlich als Bankkunde ein bisschen beleidigt, wenn dann Leute, die Milliarden verschleudern, von einem selbst verlangen, dass man bitte schön bescheiden auftritt, wenn man Geld haben möchte.
Ricke: Heute ist der 450. Todestag des schwäbischen Reichsritters Götz von Berlichingen. Ich sprach mit Hans Rath, dem Autor des Büchleins "Die Kunst der Beleidigung". Vielen Dank, Herr Rath!
Rath: Ich bedanke mich auch. Danke, auf wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Hans Rath: Schönen guten Tag, Herr Ricke!
Ricke: Wie beleidigen Sie denn am liebsten - mit dem eleganten Florett oder mit dem groben Säbel?
Rath: Wenn ich denn muss, mit dem eleganten Florett, wobei manchmal auch der Säbel rausgeholt werden muss. Das heißt, die Wahl der Waffen, die ist auch bei der Beleidigung natürlich entscheidend. Aber ehrlich gesagt, am liebsten beleidige ich überhaupt nicht.
Ricke: Aber warum schreiben Sie dann ein Buch über so was?
Rath: Weil ich es spannend fand und nichts gefunden habe in der Richtung bis auf Beleidigungssammlungen. Und ich wollte mal wissen, wie ist eigentlich so die Funktion der Beleidigung, warum macht man das und was ist, wenn man sich die Geschichte mal anschaut, an großen Beleidigern – wir haben ja eben einen gehört -, was ist an großen Beleidigern unterwegs gewesen und was haben die so gemacht und mit welchem Erfolg oder Misserfolg ist das passiert und wie sieht es dann jetzt neuerdings aus. Das ist ein bisschen so die Idee zu dem Buch gewesen, also eine kleine Kulturgeschichte der Beleidigung, wenn man so will.
Ricke: In dieser Kulturgeschichte ist auch ein bisschen ein Ratgeberaspekt drin. Den möchte ich jetzt gerne abfragen, denn wenn ich meine Kollegen beleidige, dann möchte ich ja, dass sie ordentlich leiden – das Wort "Leiden" ist ja drin in der Beleidigung -, die sollen mich auch richtig hassen, aber sie sollen mich weder beim Chefredakteur noch bei der Gleichstellungsbeauftragten anschwärzen können. Wie stelle ich das an?
Rath: Das wird schwierig.
Ricke: Darum frage ich Sie. Wie stelle ich das am besten an?
Rath: Na ja, eigentlich geht es gar nicht. Wenn Sie die Beleidigung durchziehen, in dem Moment muss man wissen, dass es halt eben justiziabel werden kann im schlimmsten Fall. Also man sollte immer so ein bisschen planen, wenn man jetzt im alltäglichen Leben beleidigt, das kann schon mal ein Monatsgehalt kosten, wenn es den Falschen trifft, und das sollte man im Hinterkopf behalten. Beleidigungen, die man dann nachher zurückzieht, oder wo man nachher sich versucht, links oder rechts daran vorbeizufummeln, die funktionieren eigentlich nicht. Eine Beleidigung ist schon eine scharfe Waffe und wenn man sie führt, muss man wissen, vielleicht vorher ganz kurz überlegen, ob und wie man die Kollegen beleidigen will, und wenn Sie es dann unbedingt machen möchten, genießen Sie es, weil die anschließende Standpauke, die Sie dann an höherer Stelle ertragen müssen, die müssen Sie dann auch wie ein Mann wegstecken.
Ricke: Wie ist es denn mit dem vergifteten Kompliment, wenn ich also sage, Herr Rath, also für Ihre Verhältnisse haben Sie heute wirklich ausgezeichnet gekocht? Ist das schon eine Beleidigung?
Rath: Nein, das ist noch keine Beleidigung. Das ist sehr schön. Da würde ich dann wahrscheinlich erwidern, so eine Frage habe ich von Ihnen auch erwartet oder so eine Bemerkung. Also mit vergifteten Komplimenten kann man eine ganz schöne Konversation führen und am Schluss ist man sich auch nicht grün dabei. Also nicht schlecht!
Ricke: Wie sieht es denn mit der Beleidigungskultur im nationalen Vergleich aus? Gibt es deutsche Stämme, die in diesen Bereichen weiter vorne stehen als andere?
Rath: Ich glaube, es gibt sogar eine Studie, die das mal untersucht hat, aber ohne nennenswerte Unterschiede. Das heißt, es gibt natürlich deftigere Begriffe, wenn man jetzt irgendwie in den Süden geht, aber man kann jetzt nicht sagen, dass da eleganter, gewitzter, besonderer oder besonders deftig beleidigt wird. Es gibt immer mal wieder, ich sage jetzt mal, nationale Größen, die dann sich so hervortun, beispielsweise in Frankreich Voltaire oder solche schillernden Persönlichkeiten, die dann sich das zu eigen machen. Aber dass man jetzt von einer Nationalität reden könnte, die besonders gut beleidigt, wüsste ich jetzt nicht.
Ricke: Es gibt die Beleidiger und die brauchen natürlich dringend die Leider. Zum Beleidigtsein gehört vielleicht auch ein bisschen ein Opferwillen. Welche Gruppe Menschen ist denn hier besonders geeignet?
Rath: Beim Beleidigen ist es so, dass häufiger man die Nerven verliert, wenn man einem Menschen, ich sage jetzt mal, ausgeliefert ist. Deswegen ist die Beamtenbeleidigung so beliebt, weil man sich ungerecht behandelt fühlt und dann rutscht einem halt eine Beleidigung raus. Das ist typisch. Es ist also eher selten so, dass man nach unten hin beleidigt. Das macht man dann auch, ist aber auch, finde ich, kein Zeichen von gutem Stil, das zu tun. Ich schlage eigentlich eher vor, die Beleidigung wenn, dann nach oben zu führen und dann auch saftig. Um bei Ihrem Beispiel von eben zu bleiben: Überlegen Sie doch mal, wann Sie denn den Vorgesetzten beleidigen müssen, und vielleicht bringt das ja sogar was. Das kann eine Beleidigung natürlich auch. Sie kann Dinge anschwärzen, die vielleicht zurecht angeschwärzt werden.
Ricke: Herr Rath, Menschen in unserem fortgeschrittenen Alter, also zwischen 40 und 50, fühlen ja, dass es immer schlimmer wird, dass die Jugend nur noch pöbelt, in der U-Bahn keiner mehr aufsteht, dass viel beleidigt wird. Diese gefühlte Verrohung der Sitten, ist die auch sachlich zu belegen?
Rath: Wissenschaftlich, würde ich jetzt sagen, nicht unbedingt. Allerdings habe ich auch das Gefühl, dass natürlich die Welt ein bisschen härter wird und die Globalisierung da auch eine Reihe von neuen oder schärferen Winden mit sich bringt. Wir haben ja auch festgestellt, jetzt irgendwie durch Bankenkrise und so, dass plötzlich ganze Berufsstände in Misskredit geraten, ob jetzt zu Recht oder zu Unrecht. Da fühlt man sich dann auch natürlich als Bankkunde ein bisschen beleidigt, wenn dann Leute, die Milliarden verschleudern, von einem selbst verlangen, dass man bitte schön bescheiden auftritt, wenn man Geld haben möchte.
Ricke: Heute ist der 450. Todestag des schwäbischen Reichsritters Götz von Berlichingen. Ich sprach mit Hans Rath, dem Autor des Büchleins "Die Kunst der Beleidigung". Vielen Dank, Herr Rath!
Rath: Ich bedanke mich auch. Danke, auf wiederhören!
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