Schöne Tiefe

Von Bernhard Doppler · 03.08.2011
Regisseur Peter Stein wollte den unter der Oper durchscheinenden Shakespeare sichtbar machen. In Salzburg zeigt er einen traditionellen, an Aufmärschen reichen "Macbeth", der sich provokativ jeglicher Interpretation verweigert.
Als Peter Stein in den 90er-Jahren Schauspieldirektor bei den Salzburger Festspielen war, hat er in der Felsenreitschule in einem aufwändigen Zyklus voll großer rhetorischer Gesten Shakespeares Römertragödien inszeniert und inszenieren lassen. Im renovierten, mit einem neuen Dach und einer neuen sehr guten Akustik versehenen Festspielort inszeniert er nun, 15 Jahre später, wieder Shakespeare, aber als Oper: Giuseppe Verdis "Macbeth", wobei er den unter dieser Oper durchscheinenden Shakespeare wieder sichtbar machen wollte, wie er erklärte, und da sich Peter Stein gegen Aktualisierungen und Interpretationen des modernen Regietheaters immer wieder polemisch wendet, ist nun – wie zu erwarten – eine traditionelle, an Aufmärschen reiche Aufführung herausgekommen, passend zum Ort: ganz im Stil und Kostüm des Salzburger "Jedermann", das Spiel vom Karriere und Sterben des Politikers Macbeth und seiner Frau, durchaus effektvoll, und in seiner konsequenten Verweigerung jeglicher Interpretation geradezu schon provokativ.

Das Ehedrama der Macbeths, die Psychologie wird in dem historischen Bilderbogen freilich nicht sichtbar. Und was heißt Verdi näher an Shakespeare bringen? Für Stein heißt es weniger opern- und operettenhaft, mehr Theater-Realismus. Stein verwandelt die Chöre der Hexen und die Chöre der von Macbeth gedungenen Mörder in nächtliche, sich im Wind wiegende Bäume im Wald, während drei bzw. vier Schauspieler als Hexen bzw. Mörder agieren. (Der Wald von Birnam am Schluss sind hingegen naturalistisch mit Zweigen getarnte Soldaten im Kettenhemd) Das ist sicherlich realistisch plausibler und ähnlich dem Sprechtheater. Dem grotesken operettennahen Can-Can-artigen Tanz von Verdis Hexenmusik wird dies aber kaum gerecht. Überhaupt traut Stein dem bitterbösen ironischen Kommentar von Verdis Musik nicht. Auch die – eigentlich höhnische – Bühnenmusik der Aufmärsche und des Festgelages lässt Stein todernst aufmarschieren. Vor allem Macbeth Festmahl erinnert an die Tafel Jedermanns.

Vermutlich wird jedoch Riccardo Muti an Peter Steins Inszenierung großen Gefallen gefunden haben, auch Muti schätzt zeitgenössische Musiktheaterregie meist nicht, wenngleich er Verdis "Macbeth" schon in ganz unterschiedlichen Inszenierungen – etwa von Graham Vick an der Mailänder Scala – dirigiert hatte. Zu seinem Abschied von Salzburg hatte Muti sich gerade diese Oper gewählt, mit der er sich ein Leben lang beschäftigt hatte. Mit den Wiener Philharmonikern arbeitet er durchaus die depressiven leisen Stellen heraus, wenngleich die gezogene Pianissimi und das langsame Tempo etwa in der Ballettmusik, die als Ouvertüre dem dritten Akt vorangestellt wird, manchmal maniriert wirken. In Zeljko Lucic als Macbeth und Tatjana Serjan als Lady Macbeth ist dabei ein Sängerpaar gefunden worden, das durch Energie, aber für allem durch Weichheit und Wärme und bei Tatjana Serjan auch durch eine schöne Tiefe sehr beeindrucken.

Das Salzburger Publikum dankte den altverdienten Festspielkünstlern Stein und Muti – und den Sängern – mit heftigem Applaus.

Salzburger Festspiele
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