Schöne neue Welt
Lieber reich und gesund, als arm und krank. Diese Volksweisheit gewinnt ihren bösartigen Sinn im Angesicht der sich verändernden Ernährungsgewohnheiten. Vorneweg sei der politischen Korrektheit halber erwähnt, dass weltweit viele Menschen Hunger leiden und an Mangelernährung sterben.
Aber hier geht es nicht um stellvertretende Betroffenheit über fernes Elend, sondern um kopfschüttelnde Verwunderung im Angesicht des kollektiven Selbstmords mit Messer und Gabel vor der eigenen Haustüre.
Kulinarisch gesehen verlaufen die Fastfood-Fronten zwischen Döner und Dürüm auf der einen Seite, Doppelburgern und Pressfleischklopsen auf der anderen. Das Schlachtfeld sind die Verdauungstrakte der Deutschen. Essen hat seine Qualität, übrigens auch als soziales Ereignis, eingebüßt. Wie verstreut grasende Wiederkäuer irren mampfende Menschen tagsüber durch die Innenstädte, um dann abends zu Hause einsam bei einer Tüte Kartoffelchips Kerners Kochshow zu genießen.
Doch Rettung naht von den lesenden, ja vielleicht sogar genießenden Klassen. Eine nicht zu unterschätzende, am Ende gar stilbildende Minderheit beginnt, sich ernsthaft Gedanken über die Ernährung zu machen. Diesen Eindruck gewinnt zumindest, wer sich die Umfärbung der Supermärkte anschaut. Überall schillert es jetzt dort bio-grün.
Vom Käse ohne Kinderarbeit bis zum Müsli aus garantiert organischer Bodenhaltung bieten uns seit neuestem sogar Aldi und Lidl gutes Gewissen in der biologisch abbaubaren Einwegverpackung an. Zu entsprechenden Preisen versteht sich. Und wer gar als bekennender Biogourmet auf sich hält, der hütet das Geheimnis der letzten Laichplätze des Naturlachses, den er für teures Geld über drei Ecken aus Norwegen bezieht, wie einen sicheren Börsentipp.
Man möchte meinen, der Klassengegensatz manifestiere sich jetzt deutlich auf den Tellern. Wer zahlt, isst gut. Glaubt man den epidemiologischen Studien, dann hängen ernährungsbedingte Krankheiten mit Bildung und Einkommen zusammen. Natürlich nur rein statistisch gesehen.
Bei Tageslicht betrachtet ist der Zusammenhang paradox: die technisch-industriell aufwendig hergestellte Nullnahrung der Fastfoodanbieter wird zu niedrigen Preisen, aber mit hohen Profitmargen, an die Massen verfüttert, während die - möglichst unbehandelten, möglichst in ihrem ursprünglichen Zustand verbliebenen - Naturprodukte für teures Geld an die Kundschaft gebracht werden. Die erwirbt nicht nur Nahrungsmittel, sondern als symbolische Dreingabe auch Gewissensberuhigung.
Aber der Kampf geht weiter. Kaum beißt man guten Gewissens in den Bioapfel schon warnt das seriöse Verbrauchermagazin vor erhöhten Pestizidrückständen gerade in den angeblich so gesunden Naturprodukten. Was tun? Back to Burger? Selber anbauen? Oder wie der Dalai Lama nur mehr lauwarmes Wasser trinken?
Ist inzwischen auch schon die Jute-statt-Plastik-Fraktion dem schnöden Mammon verfallen und setzt die ertragsfördernde Giftspritze an? Der reflexive Genießer ist verunsichert. Da ist man nun in der Nahrungskette so weit nach vorne gerobbt, knabbert praktisch direkt vom Feld weg Frischgemüse und kauft Biofleisch, nur um dann feststellen, dass es letztlich keinen richtigen Hasen im Falschen gibt.
Aber da helfen weder Kennzeichnungspflicht, noch blumig die Natürlichkeit garantierende Gütesiegel. Solange Nahrungsmittel auf Märkten gewinnbringend als Waren gehandelt werden, bleibt das Risiko gezielter Vergiftung der Konsumenten bestehen. Vielleicht sollte man in Abwandlung einer berühmten Empfehlung zum richtigen Tagesablauf zurückkehren und morgens jagen, mittags fischen, um abends dann philosophierend selber zu kochen.
Dr. Reinhard Kreissl, geboren 1952, ist Soziologe und Publizist. Er studierte in München, promovierte in Frankfurt/Main und habilitierte an der Universität Wuppertal. Kreissl hat unter anderem an den Universitäten San Diego, Berkeley und Melbourne gearbeitet. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Publikationen verfasst und schrieb regelmäßig für das Feuilleton der "Süddeutschen Zeitung". Buchpublikationen unter anderem: "Die ewige Zweite. Warum die Macht den Frauen immer eine Nasenlänge voraus ist". Gerade erschienen ist bei Diedrichs im Hugendubel Verlag: "Feinde. Alle, die wir brauchen." Kreissl lebt in München und Wien.
Kulinarisch gesehen verlaufen die Fastfood-Fronten zwischen Döner und Dürüm auf der einen Seite, Doppelburgern und Pressfleischklopsen auf der anderen. Das Schlachtfeld sind die Verdauungstrakte der Deutschen. Essen hat seine Qualität, übrigens auch als soziales Ereignis, eingebüßt. Wie verstreut grasende Wiederkäuer irren mampfende Menschen tagsüber durch die Innenstädte, um dann abends zu Hause einsam bei einer Tüte Kartoffelchips Kerners Kochshow zu genießen.
Doch Rettung naht von den lesenden, ja vielleicht sogar genießenden Klassen. Eine nicht zu unterschätzende, am Ende gar stilbildende Minderheit beginnt, sich ernsthaft Gedanken über die Ernährung zu machen. Diesen Eindruck gewinnt zumindest, wer sich die Umfärbung der Supermärkte anschaut. Überall schillert es jetzt dort bio-grün.
Vom Käse ohne Kinderarbeit bis zum Müsli aus garantiert organischer Bodenhaltung bieten uns seit neuestem sogar Aldi und Lidl gutes Gewissen in der biologisch abbaubaren Einwegverpackung an. Zu entsprechenden Preisen versteht sich. Und wer gar als bekennender Biogourmet auf sich hält, der hütet das Geheimnis der letzten Laichplätze des Naturlachses, den er für teures Geld über drei Ecken aus Norwegen bezieht, wie einen sicheren Börsentipp.
Man möchte meinen, der Klassengegensatz manifestiere sich jetzt deutlich auf den Tellern. Wer zahlt, isst gut. Glaubt man den epidemiologischen Studien, dann hängen ernährungsbedingte Krankheiten mit Bildung und Einkommen zusammen. Natürlich nur rein statistisch gesehen.
Bei Tageslicht betrachtet ist der Zusammenhang paradox: die technisch-industriell aufwendig hergestellte Nullnahrung der Fastfoodanbieter wird zu niedrigen Preisen, aber mit hohen Profitmargen, an die Massen verfüttert, während die - möglichst unbehandelten, möglichst in ihrem ursprünglichen Zustand verbliebenen - Naturprodukte für teures Geld an die Kundschaft gebracht werden. Die erwirbt nicht nur Nahrungsmittel, sondern als symbolische Dreingabe auch Gewissensberuhigung.
Aber der Kampf geht weiter. Kaum beißt man guten Gewissens in den Bioapfel schon warnt das seriöse Verbrauchermagazin vor erhöhten Pestizidrückständen gerade in den angeblich so gesunden Naturprodukten. Was tun? Back to Burger? Selber anbauen? Oder wie der Dalai Lama nur mehr lauwarmes Wasser trinken?
Ist inzwischen auch schon die Jute-statt-Plastik-Fraktion dem schnöden Mammon verfallen und setzt die ertragsfördernde Giftspritze an? Der reflexive Genießer ist verunsichert. Da ist man nun in der Nahrungskette so weit nach vorne gerobbt, knabbert praktisch direkt vom Feld weg Frischgemüse und kauft Biofleisch, nur um dann feststellen, dass es letztlich keinen richtigen Hasen im Falschen gibt.
Aber da helfen weder Kennzeichnungspflicht, noch blumig die Natürlichkeit garantierende Gütesiegel. Solange Nahrungsmittel auf Märkten gewinnbringend als Waren gehandelt werden, bleibt das Risiko gezielter Vergiftung der Konsumenten bestehen. Vielleicht sollte man in Abwandlung einer berühmten Empfehlung zum richtigen Tagesablauf zurückkehren und morgens jagen, mittags fischen, um abends dann philosophierend selber zu kochen.
Dr. Reinhard Kreissl, geboren 1952, ist Soziologe und Publizist. Er studierte in München, promovierte in Frankfurt/Main und habilitierte an der Universität Wuppertal. Kreissl hat unter anderem an den Universitäten San Diego, Berkeley und Melbourne gearbeitet. Er hat zahlreiche wissenschaftliche Publikationen verfasst und schrieb regelmäßig für das Feuilleton der "Süddeutschen Zeitung". Buchpublikationen unter anderem: "Die ewige Zweite. Warum die Macht den Frauen immer eine Nasenlänge voraus ist". Gerade erschienen ist bei Diedrichs im Hugendubel Verlag: "Feinde. Alle, die wir brauchen." Kreissl lebt in München und Wien.

Der Soziologe und Publizist Reinhard Kreissl.© privat