Schön, dass Sie uns helfen
In der Weihnachtszeit merkt der Mensch wieder, dass er Mensch ist. Mitmensch, Bruder und Schwester des anderen. Sünder unter Sündern, Sterblicher unter Sterblichen. Lamm unter Lämmern. Das ganze Jahr über wird geschuftet und ausgeteilt, eingesteckt und abgespeichert, gelinkt und abgekocht, doch kurz vor der jahreszeitlichen Wiederkehr der Geburt Jesu Christi wird einem ganz blümerant zumute.
Selbst härteste Manager mit Millionengehältern und meterhoch gestapelten Aktienoptionen werden dann ganz weich, und nicht nur auf den obligatorischen Weihnachtsfeiern sagt der Chef „Du“ zum Nächsten – ob Sekretärin, Pförtner oder Sachbearbeiter.
Kurz: Herz und Seele quellen über vor Freude und Barmherzigkeit. Es drängt die Menschen, dem Bruder und der Schwester zu Hilfe zu eilen. Weil aber „Wohltätigkeitsveranstaltung“ zu sehr nach viktorianischer Epoche und den grauen Vorzeiten der Arbeiterbewegung klingt, wird nun „Charity“ genannt, was einst Geldsammeln für gute Zwecke hieß.
So jagen sich in diesen Wochen „Charity-Events“, bei denen immerhin sorgfältig darauf geachtet wird, dass ihre Organisation nicht mehr Geld verschlingt als sie der schönen Wohltätigkeit einbringen.
Damit weiches Herz und harter Euro zugunsten krebskranker Kinder oder schwer leidender Aidspatienten glücklich zusammen finden, bedarf es jedoch einer Art Zugbrücke – einer zugkräftigen Verbindung von Geld und Gefühl. Sie heißt Prominenz. Denn ohne 1A Prominente macht das Fernsehen nicht mit, ohne Fernsehen kein Millionenpublikum und ohne Millionenpublikum keine Einschaltquote. Fachleute nennen diese Nahrungskette des Gutmenschentums „Attention based Charity“. Zu Deutsch: Wenn man nicht laut und sichtbar trommelt, merkt keiner was. Auch nicht, wie gut der Mensch ist, wenn er nur will.
Manchmal kommt es aber auch auf die coole Location an. So fand die „Clean Winners Charity 2007“ im „Hartl Golf Resort Griesbach“ statt, sponsored by „Antenne Bayern“. Satte 110.000 Euro kamen für kranke Kinder zusammen, gewiss mehr, als Anreise, Hotel, Galadiner und Champagner für alle gekostet haben.
Die zweifellos wichtigste Prominente im boomenden Charity-Business ist derzeit Veronica Ferres. Ohne die Frau vom Checkpoint Charlie, deren zweiter Name „Betroffenheit“ lautet, ist eine echte Charity-Action kaum noch denkbar. So war sie auch bei der ZDF-Spendengala „Ein Herz für Kinder“ die unverzichtbare Laudatorin für Jane Fonda, die ihrerseits für ihr „Goldenes Herz“ ausgezeichnet wurde, was wiederum Veronica Ferres’ Herz sehr rührte. Unter der Regie von Thomas Gottschalk hatte sich ein erst steif stehendes, dann sitzendes Promi-Heer versammelt, um am Telefonhörer den Eingang von Spenden entgegenzunehmen. Ob Johannes B. Kerner oder Yogi Löw, Jenny Elvers oder Verona Pooth, Boris Becker oder Estefania Küster, Sarah Connor oder Mareile Höppner, Til Schweiger oder Henry Maske – alle legten sich ins Zeug für die gute Sache
Und natürlich war BILD auch dabei. Überhaupt BILD. Während Chefredakteur Diekmann auf die 68er eindrischt, segelt BILD immer härter am fortschrittlichen Zeitgeist. Schon bei der Klimakatastrophenweltrettungsaktion „Licht aus!“ war BILD an vorderster Schalterfront mit dabei, natürlich neben Veronica Ferres, Uschi Glas und Greenpeace.
Bei soviel Mitleid gestütztem Glanz & Glamour darf Paris Hilton, das erste Globalluder der Weltgeschichte, nicht fehlen. Kurz vor dem dritten Advent backte, sagen wir doch gleich: buk sie Kekse für die Aktion „Ein Herz für Kinder“. Ohne es zu wissen, stand sie dabei in den zarten Fußstäpfchen von Marie Antoinette, die dem revolutionären Volk von Paris 1789 angeblich empfohlen hatte, einfach Kuchen zu essen, wenn das Brot ausgegangen sei.
„Kein Kind sollte hungrig zu Bett gehen und jedes sollte ein Geschenk zu Weihnachten bekommen“, sagt heute die blonde Paris zu BILD, und ach, sie musste dafür sogar Straußeneier aufschlagen.
Aber klar: Für Charity-Kekse im Adlon reicht kein schlichtes deutsches Hühnerei aus der Käfighaltung im Sinne der Legehennenverordnung.
Man kann es aber auch übertreiben mit dem Charity-Wahn. Das muss Sahra Wagenknecht, die Wiedergängerin von Rosa Luxemburg in der Partei „Die Linke“, gespürt haben, als sie unlängst im Brüsseler Edelrestaurant „Aux Armes“, auf Deutsch: „Zu den Waffen“, Hummer speiste. Die Aktion war sicher gut gemeint, schließlich ging es um die Perspektiven des Sozialismus in Europa. Aber am Ende war es ihr doch ein bisschen unangenehm. So löschte sie heimlich Fotos, die sie beim Hummeressen zeigten.
Wir sehen: Auch hier war der Mensch einfach nur ein Mensch.
Aber er will eben nicht immer dabei beobachtet werden.
Reinhard Mohr, geboren 1955, schreibt für Spiegel Online. Zuvor war Mohr langjähriger Kulturredakteur des „SPIEGEL“. Weiter journalistische Stationen waren der „Stern“, „Pflasterstrand“, die „tageszeitung“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Letzte Buchveröffentlichungen: „Das Deutschlandgefühl“ und „Generation Z“. Mohr lebt in Berlin-Mitte.
Kurz: Herz und Seele quellen über vor Freude und Barmherzigkeit. Es drängt die Menschen, dem Bruder und der Schwester zu Hilfe zu eilen. Weil aber „Wohltätigkeitsveranstaltung“ zu sehr nach viktorianischer Epoche und den grauen Vorzeiten der Arbeiterbewegung klingt, wird nun „Charity“ genannt, was einst Geldsammeln für gute Zwecke hieß.
So jagen sich in diesen Wochen „Charity-Events“, bei denen immerhin sorgfältig darauf geachtet wird, dass ihre Organisation nicht mehr Geld verschlingt als sie der schönen Wohltätigkeit einbringen.
Damit weiches Herz und harter Euro zugunsten krebskranker Kinder oder schwer leidender Aidspatienten glücklich zusammen finden, bedarf es jedoch einer Art Zugbrücke – einer zugkräftigen Verbindung von Geld und Gefühl. Sie heißt Prominenz. Denn ohne 1A Prominente macht das Fernsehen nicht mit, ohne Fernsehen kein Millionenpublikum und ohne Millionenpublikum keine Einschaltquote. Fachleute nennen diese Nahrungskette des Gutmenschentums „Attention based Charity“. Zu Deutsch: Wenn man nicht laut und sichtbar trommelt, merkt keiner was. Auch nicht, wie gut der Mensch ist, wenn er nur will.
Manchmal kommt es aber auch auf die coole Location an. So fand die „Clean Winners Charity 2007“ im „Hartl Golf Resort Griesbach“ statt, sponsored by „Antenne Bayern“. Satte 110.000 Euro kamen für kranke Kinder zusammen, gewiss mehr, als Anreise, Hotel, Galadiner und Champagner für alle gekostet haben.
Die zweifellos wichtigste Prominente im boomenden Charity-Business ist derzeit Veronica Ferres. Ohne die Frau vom Checkpoint Charlie, deren zweiter Name „Betroffenheit“ lautet, ist eine echte Charity-Action kaum noch denkbar. So war sie auch bei der ZDF-Spendengala „Ein Herz für Kinder“ die unverzichtbare Laudatorin für Jane Fonda, die ihrerseits für ihr „Goldenes Herz“ ausgezeichnet wurde, was wiederum Veronica Ferres’ Herz sehr rührte. Unter der Regie von Thomas Gottschalk hatte sich ein erst steif stehendes, dann sitzendes Promi-Heer versammelt, um am Telefonhörer den Eingang von Spenden entgegenzunehmen. Ob Johannes B. Kerner oder Yogi Löw, Jenny Elvers oder Verona Pooth, Boris Becker oder Estefania Küster, Sarah Connor oder Mareile Höppner, Til Schweiger oder Henry Maske – alle legten sich ins Zeug für die gute Sache
Und natürlich war BILD auch dabei. Überhaupt BILD. Während Chefredakteur Diekmann auf die 68er eindrischt, segelt BILD immer härter am fortschrittlichen Zeitgeist. Schon bei der Klimakatastrophenweltrettungsaktion „Licht aus!“ war BILD an vorderster Schalterfront mit dabei, natürlich neben Veronica Ferres, Uschi Glas und Greenpeace.
Bei soviel Mitleid gestütztem Glanz & Glamour darf Paris Hilton, das erste Globalluder der Weltgeschichte, nicht fehlen. Kurz vor dem dritten Advent backte, sagen wir doch gleich: buk sie Kekse für die Aktion „Ein Herz für Kinder“. Ohne es zu wissen, stand sie dabei in den zarten Fußstäpfchen von Marie Antoinette, die dem revolutionären Volk von Paris 1789 angeblich empfohlen hatte, einfach Kuchen zu essen, wenn das Brot ausgegangen sei.
„Kein Kind sollte hungrig zu Bett gehen und jedes sollte ein Geschenk zu Weihnachten bekommen“, sagt heute die blonde Paris zu BILD, und ach, sie musste dafür sogar Straußeneier aufschlagen.
Aber klar: Für Charity-Kekse im Adlon reicht kein schlichtes deutsches Hühnerei aus der Käfighaltung im Sinne der Legehennenverordnung.
Man kann es aber auch übertreiben mit dem Charity-Wahn. Das muss Sahra Wagenknecht, die Wiedergängerin von Rosa Luxemburg in der Partei „Die Linke“, gespürt haben, als sie unlängst im Brüsseler Edelrestaurant „Aux Armes“, auf Deutsch: „Zu den Waffen“, Hummer speiste. Die Aktion war sicher gut gemeint, schließlich ging es um die Perspektiven des Sozialismus in Europa. Aber am Ende war es ihr doch ein bisschen unangenehm. So löschte sie heimlich Fotos, die sie beim Hummeressen zeigten.
Wir sehen: Auch hier war der Mensch einfach nur ein Mensch.
Aber er will eben nicht immer dabei beobachtet werden.
Reinhard Mohr, geboren 1955, schreibt für Spiegel Online. Zuvor war Mohr langjähriger Kulturredakteur des „SPIEGEL“. Weiter journalistische Stationen waren der „Stern“, „Pflasterstrand“, die „tageszeitung“ und die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“. Letzte Buchveröffentlichungen: „Das Deutschlandgefühl“ und „Generation Z“. Mohr lebt in Berlin-Mitte.