Schön anzusehen
Das Berliner Bauhaus-Archiv wurde komplett leergeräumt. Das posthum errichte Bauwerk von Walter Gropius ist zurzeit Baustelle. Für Besucher bleibt das Haus dennoch geöffnet.
Wir kennen das Berliner Bauhaus-Archiv als musealen Ort, mit abgedunkelten Räumen, damit die Exponate nicht leiden. Leergeräumt, mit geöffneten Fenstern, bietet das Haus plötzlich ganz neue Perspektiven. Die Hallen sind lichtdurchflutet, und draußen auf dem Landwehrkanal winken fröhliche Menschen von Fahrgastschiffen.
Das Spätwerk von Walter Gropius ist bis heute umstritten. Nach der Archiv-Eröffnung 1979 hielt sich der Architekt, Künstler und Bauhaus-Schüler Max Bill mit herber Kritik nicht zurück. Annemarie Jaeggi, Leiterin des Berliner Bauhaus-Archivs:
"Max Bill, der ja jemand war, der sich nie zurückgenommen hat in seiner sehr direkten und provokativen Art zu sprechen, der hat hier also von einem verkorksten Alterswerk von Walter Gropius gesprochen. Das ist eine Kritik, die ich nicht teile, ich sehe die Qualitäten dieses Gebäudes, wir lieben dieses Haus auch, wir haben gelernt damit umzugehen, aber ich muss in der Tat sagen, für ein Museum taugt es nicht."
Jetzt können Berliner Museumsbesucher auch am Landwehrkanal einem beliebten Laster frönen: Spektakuläre Räume anzuschauen, ohne von Exponaten belästigt zu werden. Das hat schon beim Jüdischen Museum geklappt, und neulich auf der Museumsinsel wurden die noch leeren Räume des Neuen Museums regelrecht gestürmt.
Auf der kleinen Piazza, die nicht viel mehr als eine Ausbuchtung an der langen Fußgänger-Rampe in Richtung Eingang ist, erklärt Annemarie Jaeggi ein paar Eigenheiten des Gropius-Baus.
"Sie sehen seine Funktion, die vorher einfach nicht deutlich geworden ist, weil wir auf der einen Seite die Fenster geöffnet haben und Sie direkt in die Hallen hineinschauen können. Und wenn Sie sich vorstellen, dass die Fenster hinter mir auch noch geöffnet wären, dann hätten Sie einen einzigen fließenden Blick quer durch die Architektur. Von hier oben herab schauen Sie ja nicht nur in die große Südhalle, sondern Sie können direkt wieder durch die Fenster hinaus und auf den Landwehrkanal sehen."
Doch das Bauhaus-Archiv ist dann doch mehr als nur ein selbstverliebtes Ausstellungsstück. Im Rahmen eines vielseitigen Sommerprogramms wird im leergeräumten Haus auf ganz unterschiedliche Weise über das Bauhaus nachgedacht. Zum Beispiel über die Kommunikation am Bauhaus, zumal Walter Gropius ein begnadeter Marktstratege war.
Schon der Name Bauhaus ist ein genialer Werbetrick. Er erinnert an altehrwürdige Bauhütten, jeder denkt an solides Handwerk und an Gemeinschaftssinn. Das entsprach einem kollektiven Bedürfnis nach dem Ersten Weltkrieg. Doch schon bald wurde das Bauhaus ein unbändiges Chamäleon: Konzepte wurden umgestoßen, Programme umgeschrieben, Lehrinhalte verändert und der Blick auf die Gesellschaft revidiert. Sichtbarstes Zeichen war der Umzug von Weimar nach Dessau. In Dessau zog Zauberkünstler Gropius ein völlig neues Bauhaus aus dem Hut. Nur der Name blieb als Fels in der Brandung.
Walter Gropius hielt das Bauhaus für seine Erfindung. Er bestand auf das Copyright und setzte alles daran, dass die Nachwelt die Marke Bauhaus mit seinem Namen und seinen Ideen verbindet. Das Berliner Bauhaus-Archiv ist der architektonische Schlussstein dieser Strategie. In seinem selbst entworfenen Walhall wollte Mister Bauhaus unsterblich werden. Es ist dann doch anders gekommen, die Fixierung auf Gropius gibt es heute nicht mehr. Frank Salender vom Berliner Bauhaus-Archiv.
"Man kann zum Einen den Leuten die Möglichkeit geben, mit dem Mythos umzugehen, vielleicht auch Teil des Mythos' zu werden, das heißt an diesem Ort Teil der Geschichte zu werden. Und die zweite Möglichkeit, man kann natürlich diesen Bauhaus-Gedanken soweit abstrahieren, dass man sagt, dieses Bauhaus war immer ein Netzwerk, immer Plattform. Die größte Leistung vielleicht des Bauhauses war's, so viele unterschiedlich kreative Menschen an einen Ort zu versammeln. Und wenn so etwas gelänge in der Neuzeit wieder, die Kreativität hier zu bündeln, das wäre eine kluge Übersetzung."
Annemarie Jaeggi führt schon längst ein offenes Haus, wo keine Facette des Bauhaus-Erbes ausgeblendet wird. Das ambitionierte Sommer-Programm versucht jetzt ganz verschiedenen Positionen zu vernetzen.
1928 wurde der Schweizer Architekt Hannes Meyer Nachfolger von Walter Gropius am Dessauer Bauhaus. Massen- statt Luxusbedarf war seine Devise. Walter Gropius warf er vor, er habe das Bauhaus zu einem Stil verkommen lassen. Das war kurz vor der Weltwirtschaftskrise. Jetzt ist wieder Krise, und kritische Geister wie der neue Dessauer Bauhaus-Direktor Phillip Oswalt betonen bei jeder Gelegenheit ihre Sympathie für das Bauhaus á la Meyer, den Walter Gropius bis zum Ende seiner Tage nur als lästigen Rivalen wahrnehmen konnte. Bis heute reichlich Stoff für Zoff.
Doch das müsste nicht sein. Das leergeräumte Bauhaus Archiv lässt sich mit dem verhüllten Reichstag vergleichen. Eine Katharsis, eine Zäsur, um ohne Übervater Gropius unbeschwert über das vielfältige Bauhaus-Erbe nachzudenken. Es ist auch eine Einladung an Dessau und Weimar, gemeinsam nach vorne zu blicken. Eine einhellige Sichtweise wird es sowieso nicht geben, denn schon längst ist das Bauhaus zum Mythos geworden, einfach nicht fassbar, wie man`s auch streckt, dreht und wendet.
Das Spätwerk von Walter Gropius ist bis heute umstritten. Nach der Archiv-Eröffnung 1979 hielt sich der Architekt, Künstler und Bauhaus-Schüler Max Bill mit herber Kritik nicht zurück. Annemarie Jaeggi, Leiterin des Berliner Bauhaus-Archivs:
"Max Bill, der ja jemand war, der sich nie zurückgenommen hat in seiner sehr direkten und provokativen Art zu sprechen, der hat hier also von einem verkorksten Alterswerk von Walter Gropius gesprochen. Das ist eine Kritik, die ich nicht teile, ich sehe die Qualitäten dieses Gebäudes, wir lieben dieses Haus auch, wir haben gelernt damit umzugehen, aber ich muss in der Tat sagen, für ein Museum taugt es nicht."
Jetzt können Berliner Museumsbesucher auch am Landwehrkanal einem beliebten Laster frönen: Spektakuläre Räume anzuschauen, ohne von Exponaten belästigt zu werden. Das hat schon beim Jüdischen Museum geklappt, und neulich auf der Museumsinsel wurden die noch leeren Räume des Neuen Museums regelrecht gestürmt.
Auf der kleinen Piazza, die nicht viel mehr als eine Ausbuchtung an der langen Fußgänger-Rampe in Richtung Eingang ist, erklärt Annemarie Jaeggi ein paar Eigenheiten des Gropius-Baus.
"Sie sehen seine Funktion, die vorher einfach nicht deutlich geworden ist, weil wir auf der einen Seite die Fenster geöffnet haben und Sie direkt in die Hallen hineinschauen können. Und wenn Sie sich vorstellen, dass die Fenster hinter mir auch noch geöffnet wären, dann hätten Sie einen einzigen fließenden Blick quer durch die Architektur. Von hier oben herab schauen Sie ja nicht nur in die große Südhalle, sondern Sie können direkt wieder durch die Fenster hinaus und auf den Landwehrkanal sehen."
Doch das Bauhaus-Archiv ist dann doch mehr als nur ein selbstverliebtes Ausstellungsstück. Im Rahmen eines vielseitigen Sommerprogramms wird im leergeräumten Haus auf ganz unterschiedliche Weise über das Bauhaus nachgedacht. Zum Beispiel über die Kommunikation am Bauhaus, zumal Walter Gropius ein begnadeter Marktstratege war.
Schon der Name Bauhaus ist ein genialer Werbetrick. Er erinnert an altehrwürdige Bauhütten, jeder denkt an solides Handwerk und an Gemeinschaftssinn. Das entsprach einem kollektiven Bedürfnis nach dem Ersten Weltkrieg. Doch schon bald wurde das Bauhaus ein unbändiges Chamäleon: Konzepte wurden umgestoßen, Programme umgeschrieben, Lehrinhalte verändert und der Blick auf die Gesellschaft revidiert. Sichtbarstes Zeichen war der Umzug von Weimar nach Dessau. In Dessau zog Zauberkünstler Gropius ein völlig neues Bauhaus aus dem Hut. Nur der Name blieb als Fels in der Brandung.
Walter Gropius hielt das Bauhaus für seine Erfindung. Er bestand auf das Copyright und setzte alles daran, dass die Nachwelt die Marke Bauhaus mit seinem Namen und seinen Ideen verbindet. Das Berliner Bauhaus-Archiv ist der architektonische Schlussstein dieser Strategie. In seinem selbst entworfenen Walhall wollte Mister Bauhaus unsterblich werden. Es ist dann doch anders gekommen, die Fixierung auf Gropius gibt es heute nicht mehr. Frank Salender vom Berliner Bauhaus-Archiv.
"Man kann zum Einen den Leuten die Möglichkeit geben, mit dem Mythos umzugehen, vielleicht auch Teil des Mythos' zu werden, das heißt an diesem Ort Teil der Geschichte zu werden. Und die zweite Möglichkeit, man kann natürlich diesen Bauhaus-Gedanken soweit abstrahieren, dass man sagt, dieses Bauhaus war immer ein Netzwerk, immer Plattform. Die größte Leistung vielleicht des Bauhauses war's, so viele unterschiedlich kreative Menschen an einen Ort zu versammeln. Und wenn so etwas gelänge in der Neuzeit wieder, die Kreativität hier zu bündeln, das wäre eine kluge Übersetzung."
Annemarie Jaeggi führt schon längst ein offenes Haus, wo keine Facette des Bauhaus-Erbes ausgeblendet wird. Das ambitionierte Sommer-Programm versucht jetzt ganz verschiedenen Positionen zu vernetzen.
1928 wurde der Schweizer Architekt Hannes Meyer Nachfolger von Walter Gropius am Dessauer Bauhaus. Massen- statt Luxusbedarf war seine Devise. Walter Gropius warf er vor, er habe das Bauhaus zu einem Stil verkommen lassen. Das war kurz vor der Weltwirtschaftskrise. Jetzt ist wieder Krise, und kritische Geister wie der neue Dessauer Bauhaus-Direktor Phillip Oswalt betonen bei jeder Gelegenheit ihre Sympathie für das Bauhaus á la Meyer, den Walter Gropius bis zum Ende seiner Tage nur als lästigen Rivalen wahrnehmen konnte. Bis heute reichlich Stoff für Zoff.
Doch das müsste nicht sein. Das leergeräumte Bauhaus Archiv lässt sich mit dem verhüllten Reichstag vergleichen. Eine Katharsis, eine Zäsur, um ohne Übervater Gropius unbeschwert über das vielfältige Bauhaus-Erbe nachzudenken. Es ist auch eine Einladung an Dessau und Weimar, gemeinsam nach vorne zu blicken. Eine einhellige Sichtweise wird es sowieso nicht geben, denn schon längst ist das Bauhaus zum Mythos geworden, einfach nicht fassbar, wie man`s auch streckt, dreht und wendet.