Schneidige Schnittmuster

Von Ulrike Rückert · 28.07.2009
Aenne Burda hat das Schnittmuster nicht erfunden, aber sie hat ein Millionengeschäft daraus gemacht. Aus einer maroden Klitsche machte die Frau den größten Modeverlag der Welt.
1949 - die Bundesrepublik wird gegründet, Rosinenbomber fliegen Berlin an, "Caprifischer" ist der Hit des Jahres. Und im badischen Offenburg entdeckt Aenne Burda, dass ihr Mann eine Geliebte hat, die mit seinem Geld eine Modezeitschrift mit Schnittmustern herausgibt. Die betrogene Ehefrau verlangt "Wiedergutmachung": Sie fordert das erfolglose Blatt der Rivalin, dessen Redaktion im Hinterzimmer einer Dorfwirtschaft residiert. Im Januar 1950 erscheint es mit neuem Titel: "burda Moden. Mode, Wäsche, Handarbeiten. Mit allen Modellen auf 2 Schnittbogen"

"Ich suchte nach Betätigung und suchte nach Arbeit, nach einer Aufgabe, besser gesagt. Und die ergriff ich wirklich mit Wonne."

Mit 40 fängt Aenne Burdas Leben erst richtig an. Geboren wird sie am 28. Juli 1909 als Anna Magdalena Lemminger. Der Vater ist Lokomotivheizer, die Mutter will ihr Bescheidenheit beibringen. Davon hält Aenne überhaupt nichts, sie will nach oben. Mit 21 heiratet sie Franz Burda, Besitzer einer Druckerei, Verleger einer Rundfunkzeitschrift und vom gleichen Ehrgeiz beseelt. Es geht nach oben, doch zufrieden ist Aenne Burda nicht.

"Weil ich immer schon was tun wollte und mein Mann es mich in seinem eigenen Unternehmen nicht tun ließ. Hat vielleicht Angst gehabt, ich red ihm rein, oder ich weiß net was."

Mit dem Modeblatt zeigt sie, was sie kann. Vier Jahre nach dem Krieg ist die Sehnsucht nach schönen Kleidern groß und das Geld knapp. Selberschneidern ist angesagt.

"Ich will eine tragbare, schöne Mode machen, rundum schön. Die Frauen schön machen."

Ob "hinreißend elegantes Complet" oder "schickes Faltenrockkostümchen", Modelle für "die Landfrau am Sonntag" oder die "frohe Jungmädchenzeit" – Aenne Burda trifft den richtigen Stil.

"Wir sind net hausbacken. Wir sind – wir sind tragbar! Ich nenn' unsere Mode mit einem Wort tragbar."

"Der Markt war so aufnahmefähig und so gierig auch, dass wir natürlich ... Ich hab jeden Monat mehr verkauft. Die Auflage stieg und stieg und stieg."

Drei Jahre nach dem Start gibt es"Burda Moden" in halb Europa, in Nord- und Südamerika. 1957 verkaufen sich jeden Monat 500.000 Hefte, 1967 anderthalb Millionen, dazu etliche Millionen Einzelschnittmuster. Zeitweise verdient Aenne Burda mehr als Ehemann Franz mit der "Bunten" und seinen anderen Illustrierten.

"Es war eine herrliche Zeit."

In den 70er-Jahren stellt sie einen begabten jungen Designer ein: Wolfgang Joop. 1987 startet "Burda Moden" in Russland mit einer Modenschau in Moskau. Neben der Herausgeberin sitzt Raissa Gorbatschowa und sagt, dies sei ihr Beitrag zur Demokratisierung der Frauen in der Sowjetunion.

"Dass man eine westliche Zeitschrift in Russland einführen kann, das war selbst mir ganz unvorstellbar."

"Burda Moden" ist die größte Modezeitschrift der Welt. Aenne Burda ist die Chefin, Punktum.

"Wenn ich überzeugt bin, das ist richtig und das will ich so, dann kann natürlich kein Mensch kommen und sagen, ich mach das anders. Das akzeptier ich nicht."

Schnittmuster, Kochrezepte, Haushalt und Familie – die Welt von "Burda Moden" ist nicht die Welt von Aenne Burda. Sie verabscheut Hausarbeit, und nähen kann sie auch nicht.

"Nein. Ich kann das nicht. Ich hab an sowas nie Interesse gehabt."

Ihre Welt sind schnelle Cabrios und der Starfriseur in Paris, porträtieren lässt sie sich von Andy Warhol. Erst mit 85 Jahren gibt sie das Szepter ganz aus der Hand. Da ist Selberschneidern zwischen Designerkult und Billigketten ein exotisches Hobby geworden, die Auflage schrumpft rapide. 2005 stirbt Aenne Burda mit 96. Sie war da angekommen, wo sie hinwollte: ganz oben.

"Ich wollte ja Erfolg haben. Ich wollte Erfolg haben schon als junges Mädchen, und wo hätte ich mehr Erfolg haben können wie in diesem Falle als Verlegerin."