Schmutzige Geschäfte

Von Leslie Rowe |
Die "Toiletten-Mafia" hält die Hand auf und kümmert sich ansonsten nicht um saubere Geschäfte. Fast jede sechste Reinigungskraft arbeitet illegal oder putzt und schrubbt mehr als offiziell gemeldet. So beschäftigte die Firma München Clean GmbH bis zu 200 Beschäftigte, aber nur 22 waren offiziell gemeldet. Der Münchner Flughafen und Gaststätten wurden gesäubert - von Schwarzarbeitern. Kein Einzelfall.
Münchner Clean GmbH - der Name klang sauber, die Geschäfte waren es nicht. Nun sitzen Geschäftsführer Horst R. und Muharrem Y., Generalbevollmächtigter der Firma München Clean hinter Gittern. Mercedes und Maßanzug hatten sie sich mit schmutzigen Geschäften im Reinigungsgewerbe verdient. Bis zu 200 Beschäftigte ließen sie kehren, staubsaugen und wischen, aber nur 22 waren amtlich gemeldet.

Der Münchner Flughafen glänzte, der Fiskus rieb sich die Augen. Der Schaden ging in die Millionen.
Die Münchner Clean ist ein Beispiel, die unsauberen Machenschaften im Reinigungsgewerbe gehen weiter.

Irina kommt aus dem ehemaligen Jugoslawien. In der Firma in der sie arbeitet, kennt sie kein Mensch, denn sie kommt nur nachts, wenn die Computer ausgeschaltet und die Büros verlassen sind. Dann wandert die ältere rundliche Frau mit ihrem Putzeimer durch die leeren Gänge und beseitigt im fahlen Neonlicht die Unordnung des Vortages. Nacht für Nacht. In den frühen Morgenstunden, wenn die ersten Mitarbeiter wieder ins Büro kommen macht sich Irina auf den Heimweg und mit ihr die anderen Putzfrauen, die in dem Unternehmen nachts für Sauberkeit sorgen.

Irina und ihre Kolleginnen sind bei einer Münchner Reinigungsfirma angestellt. Eine von vielen, die ihre billigen, meist ausländischen Reinigungskräfte mit ihren Dienstleitung zu Dumpingpreisen auf dem Markt anbieten. Der Konkurrenzdruck ist groß. Weil selbst große Unternehmen nicht bereit sind, viel Geld fürs Putzen auszugeben, drücken die Reinigungsfirmen ihre Personalkosten nach unten. So weit, dass oft nur noch Schwarzarbeit rentabel ist. Solche Fälle landen dann meist irgendwann vor Gericht. Dietrich Weder hat oft damit zu tun. Er ist Richter am Landgericht München 1, Mitglied der 4. Strafkammer für Wirtschaftsstrafsachen. Gerade hat er wieder ein Urteil gesprochen. Die Fälle im Reinigungsgewerbe gleichen sich alle.

Werder: "Es herrscht ein enormer Kostendruck auf dem Markt, die Auftraggeber versuchen möglichst niedrige Preise zu bezahlen. Und viele haben offensichtlich den Eindruck, dass es schwer ist in diesen Konkurrenzkampf zu bestehen, wenn man nicht selbst zur Schwarzarbeit greift. Womit aber dann der Konkurrenzdruck jedes Mal weiter angeheizt wird. "

Herr Hassan, wie wir ihn hier nennen wollen hatte vor etwa drei Jahren gemeinsam mit einem irakischen Landsmann und einer deutschen Frau eine Gebäudereinigungsfirma gegründet – eine von vielen. Die deutsche Reinigungsbranche boomt, jährlich werden Aufträge in der Höhe von gut zehn Milliarden Euro erledigt und das hat einen Grund: Reinigungsfirmen brauchen als Startkapital hauptsächlich billige Arbeitskräfte.

Werder: " Wer regelmäßig seine Wohnung putzt, der wird selber erlebt haben, dass er für Reinigungsmittel nicht viel Geld ausgibt und das lästige am Putzen in erster Linie die Arbeit ist. Das mag mal jeder überschlagen, wie viel Stunden pro Jahr er putzt, und wie viel Geld er für Putzmittel ausgibt. Beim gewerblichen Putzen ist das natürlich ein bisschen anders, da mögen Reinigungsmaschinen dazukommen, aber es ändert sich nicht daran, dass Putzen in erster Linie eine lohnintensive, eine arbeitsintensive Tätigkeit ist und nicht so sehr eine kapitalintensive. Deshalb ist es ja auch relativ leicht eine Gebäudereinigungsfirma aufzumachen. Sie brauchen nicht so wahnsinnig viel Geld für Anfangsinvestitionen, sie müssen ein paar zuverlässige Leute kennen und dann mag das schon mal in Gang kommen. "

Herr Hassan kannte zuverlässig Leute. Seine Familie kommt aus dem kurdischen Teil des Iraks und er hatte auch in München gute Kontakte zu Landsleuten. Die finden aufgrund ihrer schlechten Sprachkenntnisse meist schwer eine Arbeit. Zum Teil haben sie nicht einmal eine Aufenthaltsgenehmigung und sind deshalb dankbar für jeden Job - egal wie schlecht er bezahlt ist. Reinigungsfirmenchefs stammen speziell in München eher aus dem ausländischen Milieu und: Sie beschäftigen meist Mitarbeiter aus der eigenen Heimat, sagt Staatsanwältin Andrea Wagner. Sie arbeitet bei einer Abteilung, die für Steuer- und Wirtschaftstraftaten zuständig ist – oder anders gesagt: Für Schwarzarbeit.

Wagner: " Das ist natürlich auch ein gewisses Ausbeute-Schema in der eigenen Volksschicht. Die verständigen sich auch in der Sprache, meistens sind noch nicht einmal die Unternehmer so des Deutschen mächtig, dass sie sich mit dem Auftraggeber verständigen könnten. Das geht nur Bruchstückhaft und die nehmen sich auch in ihrem Volkskreis ihre Arbeitnehmer mit denen sie sich unterhalten können. "

Das Steuerbetrugsmodell der Reinigungsfirmen ist austauschbar. Da oft eine Schlüsselfigur – wie im Fall der "München Clean" der Geschäftsführer Herr R.– auch für andere Firmen Scheinrechnungen ausstellte, sind viele Fälle miteinander verwoben. Ermittlungen in einem Fall führen oft schon zum Nächsten. Herrn Hassans Putzfrauen verdienten nur zwei bis drei Euro in der Stunde, und auch das offenbar nur dann, wenn er gerade genug Bargeld in der Tasche hatte.

Wagner: "Wir haben die Erfahrung gemacht, dass sie bei und in an Moscheen angegliederten Cafes angeworben werden, wo diese Personen sich dann treffen und vermittelt werden. Da vermitteln auch Männer ihre Frauen, die sowieso zuhause eher etwas unterdrückt werden. Da ist in diesen Bevölkerungsschichten auch üblich und bekannt. Die werden zur Arbeit geschickt und das Geld wird zuhause kassiert – wenn es denn welches gibt. Und diese Personen trauen sich sowie so nicht sich an die Öffentlichkeit zu wenden. "

Sozialversicherungsabgaben, Umsatz- und Lohnsteuer, das waren Fremdworte für Herr Hassan. Es war wie so oft im Reinigungsgewerbe: Ein paar Arbeitnehmer und Löhne hat er offiziell angegeben, allerdings immer sehr viel weniger, als tatsächlich in der Firma beschäftigt waren. So sind im Laufe der Zeit mehr als 200.000 Euro Lohnsteuer über 400.000 Euro Umsatzsteuer hinterzogen worden. Alles in allem entstand ein Schaden von rund einer Million Euro. Geld mit dem Hassan seinen luxuriösen Lebensstil finanzierte. Eine schicke Wohnung, schnelle Autos, teuere Kleidung – das schafft Neider. So sind es oft Nachbarn, Bekannte oder die eigenen Mitarbeiter, die irgendwann dem Geschäft ein Ende setzen.

Wagner: "Es ging los mit anonymen Anzeigen und wir vermuten, dass es sogar eine der Arbeitnehmerinnen war – es war eine Toilettenfrau in einer Großgaststätte, die offensichtlich nicht als geringfügig Beschäftigte tätig war, sondern deutlich höhere Stundenleistungen erbrachte und aufgrund dieser anonymen Anzeige der Steuerfahndung kamen die Ermittlungen in Gang. "

Anonyme Anrufe sind mittlerweile die Hauptinformationsquelle der Ermittlungsbehörden, die illegale Machenschaften im Reinigungsgewerbe aufdecken. "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" nennt sich eine Abteilung, die seit einem Jahr die Aufklärungsarbeit der Zollbehörden unterstützt. Die FKS - wie sich die neue Behörde nennt - hat sogar eine eigene Hotline eingerichtet, wo täglich solche Anrufe entgegengenommen werden. Bis zu 15 Mal am Tag klingelt dort das Anzeigen-Telefon.

Mitarbeiter der Reinigungsfirmen, - wie im Fall von Herrn Hassan - zeigen ihren eigenen Chef nur selten an. Das hat viele Gründe: Die Abhängigkeit vom Arbeitgeber, der illegale Aufenthaltsstatus, oder auch die sprachlichen Problemen der überwiegend ausländischen Angestellten in dem Gewerbe. Meistens sind es deshalb Hinweise aus der Bevölkerung, die den Ermittlern die dunklen Flecken auf den scheinbar weißen Reinigungswesten zeigen. Wenn mehrere Anrufe gleichzeitig zu einer Firma kommen – umso besser: Dann rüstet die Zollamtsrätin Bärbel Stemmberger zum Einsatz.

Stemberger: "Wir haben die Möglichkeit so genannte Verdachtsunabhängige Prüfungen zu machen, das heißt wir haben noch gar keinen Anfangsverdacht. Wir können aufgrund des Schwarzarbeitergesetzes zu Prüfungen gehen, können uns zu den Geschäftszeiten bei den Firmen die Unterlagen zeigen lassen. Anhand derer können wir dann Kontrollen vornehmen. "

Über Hundert Beamte arbeiten allein im Hauptzollamt München für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Sie kontrollieren auf dem Bau, in der Altenpflege und eben auch im Reinigungsgewerbe – über all dort, wo schwarzgearbeitet wird. Alleine im ersten Halbjahr 2005 wurden Schäden in Höhe von 3,2 Million Euro aufgedeckt, Tendenz steigend. Lange Zeit galt der Bau als die Hochburg für den Betrug am Finanzamt und den Sozialkassen, doch während auf dem Bau, nicht zuletzt durch die gestiegenen Kontrollen, mittlerweile die Arbeitsverhältnisse sauberer geworden sind, sieht es im Reinigungsgewerbe eher schwarz aus.

Stemmberger: "Schwarzarbeit im Reinigungsgewerbe findet man überall, wo saubergemacht werden muss. Das kann nun mal sein in Gaststätten Hotels auch Fitnessstudios oder öffentlichen Gebäuden, das ist ein breit gefächertes Spektrum. "

Auch Herr Hassan arbeitete nach diesem Prinzip. Seine Putztruppen waren in Großgaststätten im Einsatz – hauptsächlich Toilettenfrauen, die als geringfügig beschäftigt gemeldet waren. Doch es putzten mehr Frauen, länger und öfter als angegeben. Vor zwei Jahren geriet er ins Visier der Steuerfahnder. Der Grund: Firmen hatten Honorare in ihrer Buchhaltung, die sie an ihn gezahlt hatten. Gleichzeitig gab es aber keine Anhaltspunkte, dass er diese Einnahmen versteuert hatte. Die anonymen Hinweise ergaben den Rest: Ein Fall für die Finanzkontrolle Schwarzarbeit. Etwa 20 Mitarbeiter wurden zu den Vorgängen in der Firma verhört – vor Gericht landeten aber nur die drei Köpfe des Unternehmens: Herr Hassan, seine deutsche Buchhalterin und der irakische Kurde, der zunächst ein einfacher Firmen-Mitarbeiter war, später aber als Strohmann für die Geschäftsführung diente. Den Ermittlern geht es in solchen Fällen vor allem darum, schriftliches Material in die Finger zu bekommen. Die Toilettenfrau ohne Aufenthaltsgenehmigung oder die schwarzarbeitende Putzkraft sind auch für die Staatsanwaltschaft weniger wichtig. Am unteren Ende der Nahrungskette ist schließlich auch kein Geld zu holen. Sie untersuchten deshalb das Büro und die Wohnung von Herr Hassan. Dort hatte der Chef der Reinigungsfirma nicht gerade für Ordnung gesorgt. Richter Dietrich Weder.

Weder: "Im vorliegenden Fall ist das so gewesen, dass uns Zeugen berichtet haben, dass bei den Durchsuchungen haarsträubende Zustände sichtbar wurden. Also die Lohnbuchhaltungsunterlagen, die erforderlich waren, um zu klären, wer war wo, wann, für was zuständig, befanden sich verstreut bei einem Steuerberater, zwei verschiedenen Buchhaltungsservices, dann in der Wohnung unseres Herrn Hassan, dann in der Garage des Herrn Hassan, teilweise eingetütet in Müllbeuteln in einem katastrophal- ungeordneten Zustand und obendrein auch nicht vollständig. "

Bis heute kennt nur Herr Hassan selbst die genauen Zahlen, wie viele Menschen in den letzten Jahren tatsächlich für Ihn gearbeitet haben. Weil er seine Mitarbeiter auch noch unregelmäßig bezahlte, geben selbst Schätzungen, die für die Staatsanwaltschaft in solchen Fällen üblich sind, keinen genaueren Anhaltspunkt. Selbst die deutsche Buchhalterin, die für die Abrechnungen und die Meldungen an das Finanzamt zuständig gewesen wäre, hatte keinen Überblick. Sie und ihr Kollege stellten Hassan nur fingierte Rechnung aus, die er teilweise sogar selbst unterschrieb. So konnte er sich aus seiner eigenen Kasse bedienen. Auch das ist üblich im Gewerbe, sagt Staatsanwältin Andrea Wagner.

Wagner: "Weil man natürlich versuchen muss, die erzielten Umsätze wieder aus der Kasse herauszunehmen, wenn man keine Betriebsausgaben geltend machen kann, weil man keine Arbeitnehmer beschäftigt sind oder die Arbeitnehmer schwarzarbeiten, dann kann man ja keine Luftbuchen machen, indem man einfach in die Kasse greift – ich brauche eine Gegenposition. Üblicherweise funktioniert das so, dass man einen angeblichen Subunternehmer beschäftigt, der für einen diese Arbeitsleitungen erbringt, der aber tatsächlich nicht arbeitet, sondern sich in der Buchhaltung als Subunternehmer wieder findet. Dieses Geld kann der sich dann aus der Kasse nehmen ohne dass es auffällt. Damit bezahlt er seine Schwarzarbeiter und dem Subunternehmer, dem zahlt er einen kleinen Anteil für die Arbeit des Rechnungserstellens. "

Im Reinigungsgewerbe machen die Personalkosten bis zu 70 Prozent des Firmenetats aus. Deshalb lohnt es sich für die Firmen besonders, genau hier zu sparen. 70 Prozent ist auch die Grundlage auf der die Staatsanwaltschaft dann bei der Anklage die Höhe der fehlenden Lohn-, Umsatzsteuer und Sozialabgaben schätzt. Der tatsächliche Schaden liegt meist höher und er wächst allein in Bayern Tag für Tag. Unternehmen, die solche Reinigungsfirmen beschäftigen, merken meist nichts von den unsauberen Machenschaften hinter den Kulissen. Sofern die Buchhaltung seriöse Rechnungen ausstellt, und Büros, Toiletten oder Fitnessstudios jeden morgen sauber strahlen, bekommen sie auch keinen Grund, Fragen zu stellen. Dass die Reinigungsfirmen für ihre Arbeit Personalkosten veranschlagen, die unter normalen, rechtmäßig geregelten Umständen kaum zu finanzieren sind, interessiert dabei die wenigsten. Den Schaden trägt der Staat, die Sozialkassen, und das Reinigungspersonal, das um den rechtmäßigen Lohn gebracht wird - sei es, weil sie von ihrem Arbeitgeber oder sogar als billige Arbeitskraft von der eigenen Familie ausgebeutet werden.

Wenn die Putzfrau Irina morgens mit tiefen Augenrändern ihren Arbeitsplatz verlässt und sich auf den Weg nachhause zu ihrer Familie macht, weiß vielleicht nicht einmal sie selbst, was sie wirklich in dieser Nacht verdient hat. Geschweige denn, was sie unter geregelten Umständen verdienen hätte können.

Herr Hassan wurde am 23. November diesen Jahres zu drei Jahren und sechs Monaten Haft ohne Bewährung verurteilt. Horst R. und sein Chef, der Inhaber der Münchner Clean GmbH haben Gesellschaft bekommen. Die Schwarzarbeit im Reinigungsgewerbe geht weiter.