Schmuckstücke wie Landschaften

Von Bettina Ritter |
Ihre Broschen sehen aus wie ein aufbrechendes Eismeer aus Titan. Landschaften stehen Pate für die Werke der Schmuckkünstlerin Ann Schmalwasser. Besonders der kalte Norden hat es der Berlinerin angetan. Sie, die bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, hat sich jetzt für ein Stipendium in Finnland beworben.
" Ich hab das noch nie real gesehen, also zum Beispiel Eisberge. Aber ich stell’s mir wunderschön vor. Und auch nicht fassbar irgendwie. "

Ann Schmalwasser sitzt in ihrem Lieblings-Café im studentischen Ost-Berliner Stadtteil Friedrichshain. Orange gewischte Wände, helle Holzmöbel – alternativ. So ist auch der Stil von Ann Schmalwasser. Das Gesicht ungeschminkt, die hennarot-braunen Haare zum Pferdeschwanz, ein gestreifter Rock über der langen Hose. Vorsichtig öffnet sie eine graue Box und holt fünf große Broschen heraus.

" Die hier heißt "Marktplatz" oder "Putbus", das ist ne Stadt auf Rügen. Die ist bekannt für ihren Marktplatz, der ist umgrenzt von klassizistischen Häusern, und die Grundfarbe ist Weiß. "

Schmalwasser nimmt das dunkelgraue Schmuckstück vorsichtig in die Hand. Der Rand der runden Form ist eingesägt und hochgeklappt, wie ein kleines Nest. Einritzungen im dicken Aluminium sind mit weißer Farbe ausgepinselt. Tatsächlich: Ein Marktplatz von oben gesehen. "Putbus" ist ein Teil ihrer Diplomarbeit. Andere Broschen sind eckig, aus leichtem Material wie Kupfer oder Titan. Alle erinnern an Landschaften und Orte.

" Ich hab in der Diplomzeit noch mal geguckt, was ich in der Vergangenheit so gemacht habe, und das waren schon oft diese flächigen Sachen, dass dann was aus dem Blech herausgekommen ist. Da hab ich gedacht, das sieht aus wie so kleine Landschaften, die man von oben sieht. Und dann bin ich lustigerweise auch noch mit nem Flugzeug geflogen in der Nähe von Halle, also, dieses Bild auf die Landschaft von oben hat genau das getroffen, was meine Arbeiten schon ausgedrückt haben. "

Aufgewachsen ist Ann Schmalwasser als Einzelkind im Osten Berlins. Die Mutter ist Sachbearbeiterin, der Vater Maler und Leiter einer Galerie. Kunst umgibt sie von klein auf. Sie zeichnet und lernt, mit Keramik zu arbeiten. Aber erst nach dem Abitur entdeckt sie den Schmuck als künstlerische Ausdrucksform. Sie lässt sich zur Goldschmiedin ausbilden.

" Als ich dann wusste, dass es diesen Beruf gibt, dann wollte ich nur noch das machen. Und das war nicht so einfach. Ich habe, glaub ich, mit allen Goldschmieden in Berlin telefoniert. Es gibt kaum Ausbildungsplätze, und wenn, dann sind die zwei Jahre vorher vergeben, und es war dann wirklich Glück. "

Vier Jahre dauert die Ausbildung. Schnell merkt Ann Schmalwasser, dass ihr das reine Handwerk nicht genügt. Sie spürt mehr Kreativität in sich und beginnt ein Studium im Fach Schmuck an der renommierten Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein in Halle an der Saale. Schnell werden Galerien auf sie aufmerksam. Sie stellt erste Werke aus und gewinnt Preise, darunter den Marzee Graduate Prize der Galerie Marzee im niederländischen Nijmegen, einer in Schmuckkreisen wichtigen Adresse.

" Preise sind auf jeden Fall wichtig. Also, man ist ja nicht immer motiviert, es gibt ja auch Krisen. Aber wenn man Anerkennung bekommt, motiviert das unheimlich. "

Während des Studiums verbringt Ann Schmalwasser ein Auslandssemester in Estland. Zuerst ist sie skeptisch, denkt, dass der Norden nicht ihr Fall ist. Dann aber ist sie fasziniert von der Freundlichkeit der Menschen und der Schroffheit der Küstenlandschaft. Eindrücke, die sie auch in ihrer Arbeit umsetzt.

" Diese Arbeiten zu dem Thema sind einerseits deswegen entstanden, weil ich dafür ne Faszination habe, aber eben auch, weil mich das Material Metall dort hinführt. Das Material ist einfach so hart, und ruft Assoziationen hervor von eher kühlen, schroffen Landschaften und von diesem Ausgangspunkt bin ich zu den nordischen Landschaften und Eisbergen … das hat sich so entwickelt."

Ihre Broschen aus dieser Zeit tragen Namen wie "Eismeer", "Winter" oder "Landschaft mit Schnee". Eine weiß emaillierte Fläche erinnert an ein verschneites Feld, ein hellblaues Viereck, in der Mitte aufgeritzt, die Kanten nach oben gebogen, an eine aufbrechende Eis-Fläche. Kantige Formen, kalte Farben. Der Norden lässt Ann Schmalwasser nicht los – jetzt hat sie sich für ein Stipendium in Finnland beworben.

Von ihrem Schmuck allein kann Ann Schmalwasser nicht leben. Ihren Lebensunterhalt verdient sie nach wie vor als Goldschmiedin. In ihrer Werkstatt in Halle nimmt sie Aufträge an und erledigt Reparaturen. Ihr Hobby? Hat auch mit Natur zu tun, sagt sie lächelnd.

" Ich hab nen Schrebergarten (lacht). Seit dem letzten Jahr. (…) Ich arbeite sehr viel, und das ist für mich ein ganz guter Ausgleich. Ich fühle mich dann ganz schnell erholt. Ich mag einfach Pflanzen. Gemüse, ein Kräuterbeet haben wir, und ganz viele Erdbeeren."

Irgendwann möchte sie wieder nach Berlin ziehen, sagt Ann Schmalwasser und lächelt schüchtern. Der Austausch mit anderen Künstlern fehlt ihr. Jetzt hat aber erst einmal das Privatleben Vorrang. Ihr Lebensgefährte, der auch Kunst studiert hat, bewirbt sich um Jobs. Egal, wo er hinziehen wird, sie kommt mit, sagt sie und packt ihre Broschen in die graue Box.

Service:
Arbeiten von Ann Schmalwasser sind ab dem 28. Februar 2008 auf der Messe "Schmuck 2008" in München zu sehen.