Schmidt und Sadat

Zwei Staatschefs und drei Weltreligionen

Helmut Schmidt und Muhammar Anwar as-Sadat stoßen ihre Gläser an und lachen
Bundeskanzler Helmut Schmidt (links) und der ägyptische Präsident Muhammad Anwar as-Sadat © Sven Simon/Imago
Karl-Josef Kuschel im Gespräch mit Winfried Sträter · 25.12.2018
Tief beeindruckt war Helmut Schmidt von Ägyptens Präsidenten Muhammad Anwar as-Sadat. Besonders ein Gespräch Ende der 70er-Jahre blieb dem Bundeskanzler in Erinnerung: Darin erläuterte Sadat Schmidt die Gemeinsamkeiten der Weltreligionen.
In der Silvesternacht 1977 führten der damalige ägyptische Präsident Sadat und Bundeskanzler Helmut Schmidt ein denkwürdiges Gespräch: Sadat klärte Schmidt über die gemeinsamen Wurzeln der drei monotheistischen Weltreligionen auf.
Beide Politiker wären im Dezember 2018 hundert Jahre alt geworden. Sadat war ein tiefgläubiger Muslim, Schmidt hatte ein distanziertes Verhältniss zur Religion. Von dieser Nacht aber – und von der Persönlichkeit Sadats – war Schmidt zutiefst beeindruckt. "Ich habe ihn geliebt", bekannte er später wiederholt.

Drei Religionen, eine Ursprungserzählung

Sadat hatte ihn davon überzeugt, dass in den Weltreligionen eine Frieden stiftende Kraft steckt, wenn sie ihre Gemeinsamkeiten entdecken. Alle drei monotheistischen Religionen haben ihre Wurzeln in der Abraham-Erzählung und berufen sich auf den Propheten Moses, der auf dem Berg Sinai die Gebote Gottes empfing. Zeitlebens machte Helmut Schmidt seinem Ärger darüber Luft, dass die Gemeinsamkeiten von Judentum, Christentum und Islam so wenig hervorgekehrt werden.
Der Tübinger Theologe Karl-Josef Kuschel hat in seinem Buch "Dass wir alle Kinder Abrahams sind" das Religionsgespräch von Sadat und Schmidt in der Silvesternacht 1977 akribisch untersucht und ist überzeugt: Die Erinnerung an dieses Gespräch ist in der religiös aufgeheizten Gegenwart eine Chance, die immer wieder neu aufgerissenen Gräben zu überwinden.
"Jahrhunderte lang hat man die heiligen Schriften gegeneinander gelesen", sagt Karl-Josef Kuschel, "und jetzt erst lernen wir, aufeinander zuzugehen, weil es lebensgefährlich geworden ist, die religiösen Hintergründe zu leugnen."

Karl-Josef Kuschel: "Dass wir alle Kinder Abrahams sind"
Patmos Verlag, Ostfildern 2018
240 Seiten, 25 Euro

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