Schmerz und Sehnsucht nach Idylle
Wovon träumen Juden, wenn es Weihnachten wird? Davon, dass sie die freien Tage gut nutzen können, um sich mit Freunden zu treffen, die Wohnung zu streichen oder endlich die Steuererklärung zu erledigen. Sollte man meinen. Doch wovon träumen sie noch?
„I‘ m dreaming of a White Christmas.“
O nein – o ja: Juden träumen – oder träumten zumindest in den USA – von weißer Weihnacht. Denn der Komponist und Textdichter von White Christmas war ein Jude: Irving Berlin, ein Auswanderer aus Russland. Kein Wunder, dass in White Christmas – geschrieben 1940 – kein Heiland vorkommt, nicht einmal ein Nikolaus oder Santa Claus. Nur das Wort Weihnachten respektive Christmas und eben: der Schnee. Der übernimmt überhaupt in Weihnachtsliedern amerikanisch-jüdischer Komponisten gerne mal die Hauptrolle. So auch bei Sammy Cahn und Jule Styne und ihrem Song „Let it snow“.
„Oh the weather outside is so frightful / But the fire is so delightful / And since we've no place to go / let it snow / let it snow.“
Das muss man erst einmal schaffen: ein allseits anerkanntes Weihnachtslied zu schreiben, in dem Weihnachten nicht vorkommt. Keine Geschenke, kein Weihnachtsmann, vom Jesuskind ganz zu schweigen. Stattdessen bloß die weißen Flocken. Weil Sammy Cahn zu Weihnachten nichts einfiel, musste er halt vom Wetter reden.
„Let it snow“ handelt von einem Liebespaar, das es drinnen schön warm hat, während es draußen schneit. Mit dieser Handlung könnten doch alle einverstanden sein: Christen, Juden, Hindus, Muslime, Atheisten.
Doch nicht nur die jahreszeitliche Wetterlage hilft beim Umgehen weihnachtlichen Tiefsinns, sondern auch die dazugehörigen Tiere. Neben Schlittenhunden sind das natürlich Rentiere. Rudy the Red Nosed Raindeer. Rudolph, das Rentier mit der Roten Nase. Der jüdische Autor des Songs Johnny Marks hatte sich übrigens regelrecht auf Weihnachtslieder spezialisiert.
„Rudy the Red nose reindeer / had a very shiny nose / and if you ever saw it you would say it glows / And all the other raindeer used to laugh and call him names / They never let poor Rudy join in any rain deer games.“
Rudy hatte eine leuchtend rote Nase, musste sich beschimpfen lassen, und kein anderes Rentier wollte mit ihm spielen. Der Journalist Hannes Stein sieht darin eine typisch jüdische Außenseitererfahrung. Kein Eintritt in die goijschen Clubs und dann auch noch der kaum verschlüsselte Hinweis auf die jüdische Nase- nicht schön das alles.
Natürlich gibt es ein typisch amerikanisches Happy End: Rudys Nase wird zum Fernlicht von Santas Schlitten und damit die Schwäche zum Erfolgsrezept. Doch kehren wir zurück zum Alpha und Omega, zum Aleph und Taw der von Juden geschriebenen Weihnachtslieder: Zu White Christmas
Von dem deutsch-jüdischen Philosophen Theodor Adorno stammt das Diktum, dass „jedes Kunstwerk eine abgedungene Untat sei“. Dass das auch auf Irving Berlins Song zutrifft, ist in Judy Rosens Buch „White Christmas – The story of an American Song“ nachzulesen.
Berlins früheste Kindheitserinnerung waren Pogrome im Winter in Russland. Gut möglich, dass die zur Weihnachtszeit geschahen. Der Wunsch, dass der Schnee weiß bleiben möge, ist mithin alles andere als unschuldig. Wer der Melodie von White Christmas lauscht, der hört darin viel Schmerz und Sehnsucht nach Idylle, weil die Welt, wie sie ist, eben nicht „merry and bright“ ist.
„I‘ dreaming of a white Christmas / with every christmas card I write / May your days be merry and bright / and may all your christmasses be white.“
O nein – o ja: Juden träumen – oder träumten zumindest in den USA – von weißer Weihnacht. Denn der Komponist und Textdichter von White Christmas war ein Jude: Irving Berlin, ein Auswanderer aus Russland. Kein Wunder, dass in White Christmas – geschrieben 1940 – kein Heiland vorkommt, nicht einmal ein Nikolaus oder Santa Claus. Nur das Wort Weihnachten respektive Christmas und eben: der Schnee. Der übernimmt überhaupt in Weihnachtsliedern amerikanisch-jüdischer Komponisten gerne mal die Hauptrolle. So auch bei Sammy Cahn und Jule Styne und ihrem Song „Let it snow“.
„Oh the weather outside is so frightful / But the fire is so delightful / And since we've no place to go / let it snow / let it snow.“
Das muss man erst einmal schaffen: ein allseits anerkanntes Weihnachtslied zu schreiben, in dem Weihnachten nicht vorkommt. Keine Geschenke, kein Weihnachtsmann, vom Jesuskind ganz zu schweigen. Stattdessen bloß die weißen Flocken. Weil Sammy Cahn zu Weihnachten nichts einfiel, musste er halt vom Wetter reden.
„Let it snow“ handelt von einem Liebespaar, das es drinnen schön warm hat, während es draußen schneit. Mit dieser Handlung könnten doch alle einverstanden sein: Christen, Juden, Hindus, Muslime, Atheisten.
Doch nicht nur die jahreszeitliche Wetterlage hilft beim Umgehen weihnachtlichen Tiefsinns, sondern auch die dazugehörigen Tiere. Neben Schlittenhunden sind das natürlich Rentiere. Rudy the Red Nosed Raindeer. Rudolph, das Rentier mit der Roten Nase. Der jüdische Autor des Songs Johnny Marks hatte sich übrigens regelrecht auf Weihnachtslieder spezialisiert.
„Rudy the Red nose reindeer / had a very shiny nose / and if you ever saw it you would say it glows / And all the other raindeer used to laugh and call him names / They never let poor Rudy join in any rain deer games.“
Rudy hatte eine leuchtend rote Nase, musste sich beschimpfen lassen, und kein anderes Rentier wollte mit ihm spielen. Der Journalist Hannes Stein sieht darin eine typisch jüdische Außenseitererfahrung. Kein Eintritt in die goijschen Clubs und dann auch noch der kaum verschlüsselte Hinweis auf die jüdische Nase- nicht schön das alles.
Natürlich gibt es ein typisch amerikanisches Happy End: Rudys Nase wird zum Fernlicht von Santas Schlitten und damit die Schwäche zum Erfolgsrezept. Doch kehren wir zurück zum Alpha und Omega, zum Aleph und Taw der von Juden geschriebenen Weihnachtslieder: Zu White Christmas
Von dem deutsch-jüdischen Philosophen Theodor Adorno stammt das Diktum, dass „jedes Kunstwerk eine abgedungene Untat sei“. Dass das auch auf Irving Berlins Song zutrifft, ist in Judy Rosens Buch „White Christmas – The story of an American Song“ nachzulesen.
Berlins früheste Kindheitserinnerung waren Pogrome im Winter in Russland. Gut möglich, dass die zur Weihnachtszeit geschahen. Der Wunsch, dass der Schnee weiß bleiben möge, ist mithin alles andere als unschuldig. Wer der Melodie von White Christmas lauscht, der hört darin viel Schmerz und Sehnsucht nach Idylle, weil die Welt, wie sie ist, eben nicht „merry and bright“ ist.
„I‘ dreaming of a white Christmas / with every christmas card I write / May your days be merry and bright / and may all your christmasses be white.“