Schmelztiegel der Kulturen
Rund 2000 Jahre alt sind die Skulpturen, Porträtbüsten, Reliefs, Gefäße und Schmuckstücke, die in der Bonner Kunsthalle zu sehen sind. Sie haben eine weite Reise zurückgelegt: Die meisten von ihnen stammen aus Museen in Pakistan und Afghanistan und vermitteln uns Eindrücke aus einer Weltgegend, die hierzulande immer mit Krisen und Konflikten in Verbindung gebracht wird und nur selten mit Kultur.
Das, was alle wissen, kommt in der Bonner Bundeskunsthalle ganz zuletzt: Im März 2001 sprengten die Taliban im Tal von Bamiyan in Afghanistan zwei monumentale Buddha-Statuen aus dem sechsten Jahrhundert. Die beiden Kultbilder, eines über 30, das andere über 50 Meter hoch, waren in Nischen postiert, die in einen steilen Felsabriss gehauen waren. Nur Stein und Geröll blieben übrig – und die Hoffnung, eines Tages rekonstruieren zu können, was im Tal von Bamiyan durch diesen barbarischen Gewaltakt zerstört worden ist. Im Rahmen eines Projekts des UNESCO-Weltkulturerbes arbeiten Wissenschaftler der technischen Hochschule Aachen daran mit und versetzen mit einer 3D-Animation in der Ausstellung die Besucher an den Ort des Geschehens.
Die gesprengten Buddhas waren späte Werke einer Epoche, die kurz nach der Zeitenwende in ihrer höchsten Blüte stand. Die Gandhara-Kultur hatte ihr Zentrum in Nordwestpakistan in der Nähe der heutigen Stadt Peshawar. Und ihre einmalige Besonderheit gewinnt sie dadurch, dass sie vielfältige Einflüsse der Kulturen und Religionen widerspiegelt, die sich in dieser Region entlang der antiken Seidenstraße überkreuzt, überlagert und abgewechselt haben. Zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Einflüsse entwickeln sich dabei zu tragenden Säulen der Gandhara-Epoche: die Verbindung zur griechischen und später römischen Kultur einerseits und andererseits zum Buddhismus: Im vierten vorchristlichen Jahrhundert erobert Alexander der Große das Gebiet, wenig später kommt die Lehre von Buddha, dem Erleuchteten, aus Indien. Das Resultat nimmt der Betrachter wahr als ein spannendes Wechselspiel zwischen Fremdem und Vertrautem. Dem Kurator Dr. Christian Luczanits ist es nicht anders ergangen.
"Dadurch, dass Alexander der Große das baktrische Königreich im nördlichen Pakistan verursacht hat, die Grundlagen dafür geschaffen hat und dadurch ständige Handelsbeziehungen zum Mittelmeerraum und offenbar Handwerker-Austausch stattgefunden hat, sind manche Elemente, die man in der Gandhara-Kunst findet, sehr vertraut und manche rein auf griechischen oder römischen mythologischen Themen beruhend."
Da begegnet man zum Beispiel einer jugendlichen Göttin: unter dem Helm quellen lange Locken hervor, ein Arm, der nur als Fragment erhalten ist, trug die Lanze, das Gewand ist nach griechischer Mode direkt unter dem Busen mit einem Band gehalten, zwei Fibeln raffen es von den Schultern zurück und es fällt, die Körperformen der zarten, mädchenhaft Gestalt geschmeidig nachzeichnend, in elegantem Faltenwurf nach unten. Das muss Athene sein, aber Vorsicht, warnt der Kurator, die wunderschöne Figur aus dem Museum in Lahore ist sicher nicht so ohne weiteres gleichzusetzen mit der kriegerisch gerüsteten Göttin der Weisheit, die wir aus den griechischen Sagen kennen.
"Der Faltenwurf der Gewänder wird immer verglichen, es gibt die ganzen Reliefs, die mit dem Dionysos-Kult in Verbindung gebracht werden, die mit dem Kult um Wein und der Satyrn und Mänaden, die sich auch in Gandhara findet, nur muss man annehmen, dass es ein verändertes Kultverständnis gegeben hat."
Die Formen wurden übernommen und variiert, neu zugeordnet und in ihrer Bedeutung anders interpretiert, den neuen religiösen Zusammenhängen anverwandelt. Das gilt natürlich vor allen Dingen für die zentrale Figur des Buddhas, der in der Gandhara-Kultur um die Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert erstmals überhaupt in körperlicher Gestalt wiedergegeben wird. Frühere buddhistische Bildwerke aus Indien kannten nur symbolische Darstellungen des Erleuchteten in Zeichen wie dem Baum oder dem Rad. Nun tritt uns Buddha als stehende oder sitzende Gestalt entgegen, in die üppigen Stoffhüllen von Tunika und Toga gekleidet. Und doch gibt es einen fundamentalen Unterschied zu Bildwerken aus unserer abendländischen Vergangenheit.
"Vor allem stößt man drauf, wenn man den Buddha sieht, der eigentlich wie eine römische Gewandfigur gekleidet ist, aber natürlich in seinem Aspekt ganz anders ist, der keine Emotion zeigt, eine eher ausgewogene, aber auch strenge Haltung hat und einen meditativen Aspekt, das ist, was man in westlichen Kulturen wieder nicht findet."
Zwischen Vertrautem und Fremdem bewegt man sich überall in dieser Ausstellung, deren 300 Objekte durchweg von bestechender künstlerischer Qualität und größtenteils gut konserviert sind. Die Schauwände und Vitrinen sind nach dem Modell einer buddhistischen Klosteranlage angeordnet, ausgehend vom zentralen Rund der Stupa, des Heiligtums in der Mitte. An den Außenwänden erzählen fein gearbeitete und reich gestaltete Reliefs wie ein phantastischer Bilderbogen aus dem Leben des Buddhas. Die Kushana-Herrscher, die zur Blütezeit der Gandhara-Kultur das Reich regierten, waren übrigens keine Anhänger dieses Glaubens, den sie gleichwohl förderten. Ebenso wie die Kulte der traditionellen Naturgottheiten oder der Gottheiten Shiva und Brahma, die aus dem indischen Hinduismus nach Gandhara gekommen waren.
"Klar ist, dass es tatsächlich ein Schmelztiegel gewesen sein muss, und grundsätzlich lernt man aus der Geschichte Asiens, dass nur die Reiche erfolgreich waren, die alle Religionen unterstützt haben, und das ist ein wichtiger Aspekt, den man heute in die Politik mitnehmen könnte."
Heute ist Pakistan eine islamische Republik, und bei der Pressekonferenz gab es kritische Nachfragen an den Vertreter der Kulturbehörden nach der Wertschätzung und Bewahrung des kostbaren buddhistischen Erbes, das nun im Ausland so glanzvoll präsentiert wird. Auch Kurator Christian Luczanits glaubt, dass die vielfältige Kultur von Gandhara im öffentlichen Bewusstsein eine wichtigere Rolle spielen könnte.
"Grundsätzlich wäre es eine größere Möglichkeit. Umgekehrt muss ich sagen, die Museen sind sehr oft sehr gut besucht und da wird natürlich auch die Gandhara-Galerie besucht und mit Aufmerksamkeit betrachtet. Was wir in den Medien kriegen, sind Extrem-Meinungen. Es gibt eine große, gebildete, tolerante Schicht in Pakistan, die eigentlich keine Stimme hat in den Medien. Es wäre natürlich schön, wenn andere Aspekte, auch in Pakistan in den Medien, in den Vordergrund gestellt würden."
Service:
Gandhara – das buddhistische Erbe Pakistans
Bonn, Bundeskunsthalle 21.11.-15.3.09
Berlin, Martin Gropius Bau 9.04.-10.08.2009
Zürich, Museum Rietberg ab September 2009
Die gesprengten Buddhas waren späte Werke einer Epoche, die kurz nach der Zeitenwende in ihrer höchsten Blüte stand. Die Gandhara-Kultur hatte ihr Zentrum in Nordwestpakistan in der Nähe der heutigen Stadt Peshawar. Und ihre einmalige Besonderheit gewinnt sie dadurch, dass sie vielfältige Einflüsse der Kulturen und Religionen widerspiegelt, die sich in dieser Region entlang der antiken Seidenstraße überkreuzt, überlagert und abgewechselt haben. Zwei auf den ersten Blick sehr unterschiedliche Einflüsse entwickeln sich dabei zu tragenden Säulen der Gandhara-Epoche: die Verbindung zur griechischen und später römischen Kultur einerseits und andererseits zum Buddhismus: Im vierten vorchristlichen Jahrhundert erobert Alexander der Große das Gebiet, wenig später kommt die Lehre von Buddha, dem Erleuchteten, aus Indien. Das Resultat nimmt der Betrachter wahr als ein spannendes Wechselspiel zwischen Fremdem und Vertrautem. Dem Kurator Dr. Christian Luczanits ist es nicht anders ergangen.
"Dadurch, dass Alexander der Große das baktrische Königreich im nördlichen Pakistan verursacht hat, die Grundlagen dafür geschaffen hat und dadurch ständige Handelsbeziehungen zum Mittelmeerraum und offenbar Handwerker-Austausch stattgefunden hat, sind manche Elemente, die man in der Gandhara-Kunst findet, sehr vertraut und manche rein auf griechischen oder römischen mythologischen Themen beruhend."
Da begegnet man zum Beispiel einer jugendlichen Göttin: unter dem Helm quellen lange Locken hervor, ein Arm, der nur als Fragment erhalten ist, trug die Lanze, das Gewand ist nach griechischer Mode direkt unter dem Busen mit einem Band gehalten, zwei Fibeln raffen es von den Schultern zurück und es fällt, die Körperformen der zarten, mädchenhaft Gestalt geschmeidig nachzeichnend, in elegantem Faltenwurf nach unten. Das muss Athene sein, aber Vorsicht, warnt der Kurator, die wunderschöne Figur aus dem Museum in Lahore ist sicher nicht so ohne weiteres gleichzusetzen mit der kriegerisch gerüsteten Göttin der Weisheit, die wir aus den griechischen Sagen kennen.
"Der Faltenwurf der Gewänder wird immer verglichen, es gibt die ganzen Reliefs, die mit dem Dionysos-Kult in Verbindung gebracht werden, die mit dem Kult um Wein und der Satyrn und Mänaden, die sich auch in Gandhara findet, nur muss man annehmen, dass es ein verändertes Kultverständnis gegeben hat."
Die Formen wurden übernommen und variiert, neu zugeordnet und in ihrer Bedeutung anders interpretiert, den neuen religiösen Zusammenhängen anverwandelt. Das gilt natürlich vor allen Dingen für die zentrale Figur des Buddhas, der in der Gandhara-Kultur um die Wende vom ersten zum zweiten Jahrhundert erstmals überhaupt in körperlicher Gestalt wiedergegeben wird. Frühere buddhistische Bildwerke aus Indien kannten nur symbolische Darstellungen des Erleuchteten in Zeichen wie dem Baum oder dem Rad. Nun tritt uns Buddha als stehende oder sitzende Gestalt entgegen, in die üppigen Stoffhüllen von Tunika und Toga gekleidet. Und doch gibt es einen fundamentalen Unterschied zu Bildwerken aus unserer abendländischen Vergangenheit.
"Vor allem stößt man drauf, wenn man den Buddha sieht, der eigentlich wie eine römische Gewandfigur gekleidet ist, aber natürlich in seinem Aspekt ganz anders ist, der keine Emotion zeigt, eine eher ausgewogene, aber auch strenge Haltung hat und einen meditativen Aspekt, das ist, was man in westlichen Kulturen wieder nicht findet."
Zwischen Vertrautem und Fremdem bewegt man sich überall in dieser Ausstellung, deren 300 Objekte durchweg von bestechender künstlerischer Qualität und größtenteils gut konserviert sind. Die Schauwände und Vitrinen sind nach dem Modell einer buddhistischen Klosteranlage angeordnet, ausgehend vom zentralen Rund der Stupa, des Heiligtums in der Mitte. An den Außenwänden erzählen fein gearbeitete und reich gestaltete Reliefs wie ein phantastischer Bilderbogen aus dem Leben des Buddhas. Die Kushana-Herrscher, die zur Blütezeit der Gandhara-Kultur das Reich regierten, waren übrigens keine Anhänger dieses Glaubens, den sie gleichwohl förderten. Ebenso wie die Kulte der traditionellen Naturgottheiten oder der Gottheiten Shiva und Brahma, die aus dem indischen Hinduismus nach Gandhara gekommen waren.
"Klar ist, dass es tatsächlich ein Schmelztiegel gewesen sein muss, und grundsätzlich lernt man aus der Geschichte Asiens, dass nur die Reiche erfolgreich waren, die alle Religionen unterstützt haben, und das ist ein wichtiger Aspekt, den man heute in die Politik mitnehmen könnte."
Heute ist Pakistan eine islamische Republik, und bei der Pressekonferenz gab es kritische Nachfragen an den Vertreter der Kulturbehörden nach der Wertschätzung und Bewahrung des kostbaren buddhistischen Erbes, das nun im Ausland so glanzvoll präsentiert wird. Auch Kurator Christian Luczanits glaubt, dass die vielfältige Kultur von Gandhara im öffentlichen Bewusstsein eine wichtigere Rolle spielen könnte.
"Grundsätzlich wäre es eine größere Möglichkeit. Umgekehrt muss ich sagen, die Museen sind sehr oft sehr gut besucht und da wird natürlich auch die Gandhara-Galerie besucht und mit Aufmerksamkeit betrachtet. Was wir in den Medien kriegen, sind Extrem-Meinungen. Es gibt eine große, gebildete, tolerante Schicht in Pakistan, die eigentlich keine Stimme hat in den Medien. Es wäre natürlich schön, wenn andere Aspekte, auch in Pakistan in den Medien, in den Vordergrund gestellt würden."
Service:
Gandhara – das buddhistische Erbe Pakistans
Bonn, Bundeskunsthalle 21.11.-15.3.09
Berlin, Martin Gropius Bau 9.04.-10.08.2009
Zürich, Museum Rietberg ab September 2009