Schluss, Aus, Ende!
Vor einigen Wochen verkündete DaimlerChrysler, dass sich der Konzern in Deutschland bis Herbst 2006 von 8500 Mitarbeitern trennen will. 2700 Menschen sollen allein in Bremen ausscheiden, eine wirtschaftliche Katastrophe für den kleinen Stadtstaat und sein Umland.
DaimlerChrysler ist der größte industrielle Arbeitgeber weit und breit. Ersatzjobs gibt es kaum, auch andere Betriebe bauen Stellen ab. Und die Arbeitslosigkeit in der Region liegt schon heute bei 15 Prozent. Nach Ansicht der IG-Metall ist ein Arbeitsplatzabbau in diesem Umfang nicht notwendig. DaimlerChrysler aber hält an seinen Plänen fest, obwohl die Mitarbeiter in den vergangenen Jahren erhebliche Zugeständnisse gemacht haben.
Sven Brundiers trifft man nur am Wochenende in seinem Haus in Jaderberg nördlich von Bremen an. Denn der Lackierer arbeitet im Mercedes-Werk Rastatt, in Baden-Württembergischen rund 600 Kilometer entfernt von Haus und Familie. Die sieht er nur jedes zweite Wochenende, wenn er am Freitag Frühschicht hat und am Montag darauf Spätschicht. An den Wochenenden dazwischen ist es umgekehrt, dann lohnt sich die weite Fahrt nicht.
„Man verpasst ziemlich viel, meine Tochter ist gerade jetzt etwas über zwei Jahre. Also bis zu ihrem Geburtstag und darüber hinweg die wichtigsten Sachen hat man halt verpasst, Entwicklungsstufen. Jeden Tag zu einer bestimmten Uhrzeit ruf ich eben an, frag, wie es ist, ob es Neuigkeiten gibt, ob alle Gesund sind, ob es Schwierigkeiten gibt, wo ich mal helfen kann, vielleicht. "
Seit Anfang des Jahres schon ist ein kleines Hotel in Rastatt Brundiers‘ zweites Zuhause. DaimlerChrysler hat es komplett angemietet, bringt hier über 60 Automobilwerker aus der Hansestadt unter. Insgesamt sind von knapp 14.000 Bremer Mitarbeitern des Konzerns 1300 irgendwo in der Republik ‚auf Abordnung‘, wie das Unternehmen diese Form der Personalverschickung nennt. Das Ganze läuft freiwillig: Die Arbeiter wissen, dass sich die in Bremen gebaute C-Klasse gerade schlecht verkauft und wollen mit ihrer Flexibilität den eigenen Arbeitsplatz trotz Krise langfristig erhalten.
Doch das Zugeständnis hat dem Standort nichts genützt, DaimlerChrysler will sich allein in Bremen von 2700 Leuten trennen.
Nach Ansicht des Betriebsratsvorsitzenden Udo Richter ist diese Zahl zwar zu hoch, im Prinzip hält aber auch er einen Stellenabbau für unvermeidlich.
„Das ist eine Anerkenntnis der realen Rahmenbedingungen. Aber ich erwarte vom Management auch ein bisschen mehr Kreativität, die müssen aggressiver in die Märkte reingehen. Die haben Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Die können nicht noch die Mittel kürzen, sondern die müssen da reinbrettern. Das machen doch andere Hersteller denen vor, wie man das macht. Manche Ideen, die man heute hat, die wirken doch erst in ein, zwei Jahren. "
Richter ist der Meinung, dass Mercedes viel mehr auf Nischenmodelle setzen sollte, die zwar keine hohen Stückzahlen versprechen, aber einen hohen Gewinn pro Fahrzeug. In der Tat wird das Unternehmen demnächst mehr solcher Autos bauen. Zum Beispiel einen kleinen Geländewagen, der ab 2008 in Bremen vom Band läuft. Aber auch wenn dieses Modell ein Erfolg wird, und auch wenn sich die neue C-Klasse ab 2007 gut verkauft, hat DaimlerChrysler ein Problem: Stimmen die Angaben des Managements, dann braucht das Unternehmen mehr Arbeitsstunden für jedes produzierte Auto als die Konkurrenz. Also will der Konzern langfristig mit weniger Personal auskommen und lässt sich diesen Abbau zunächst viel Geld kosten. Abfindungen von zum Teil 100.000 Euro und mehr sollen möglichst viele zum freiwilligen Abschied verführen, außerdem gibt es Frühpensionierungen und Teilzeitprogramme. Kündigungen sind durch eine Betriebsvereinbarung bis zum Jahre 2012 ausgeschlossen.
Betriebsratschef Udo Richter hat den Abfindungsplan zwar mit ausgehandelt, findet aber, dass es sich DaimlerChrysler damit etwas zu leicht macht.
„Hier hat es ja Scharen von Führungskräften gegeben, die nur Vorschläge gemacht haben, wo sie wieder was rausgeben können. Die sollen sich die Birne machen, den Kopf machen, welche Arbeit gehört hier rein, welche Arbeit habe ich reinzuholen. Nicht abfinden, sondern Arbeit finden, dass ist der Punkt. Und zu schaffen für diesen Standort und für diese Region. "
Doch Arbeit gibt es viel zu wenig in Bremen und seinem Umland, vor allem Industriearbeit.
Ähnlich wie das Ruhrgebiet erlebt die Hansestadt seit Jahrzehnten den Niedergang genau jener Branchen, die der Region einstmals Wohlstand brachten. Klaus Möhle, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen in der Bremer Bürgerschaft:
„Die Werftindustrie ist weg, der Vulkan ist weg, die AG Weser ist weg, riesige Werften; die Bremer Baumwollkämmerei, früher mal 4000 Leute, da sind jetzt noch vielleicht 200 knapp: Das sind einfach Strukturwandelprobleme, die sich gewaschen haben. Und wir müssen jetzt gucken, wie wir denn den Arbeitsplatzbestand erhöhen können. Und dazu brauchen wir aber die industriellen Kerne, die noch übergeblieben sind. Und dazu gehört nun auch DaimlerChrysler. Und wenn die Belegschaft abbauen, ist das überhaupt kein gutes Zeichen. "
Wer im Schiffbau oder der Textilindustrie keine Chance mehr hatte, heuerte früher ‚beim Daimler‘ an, jetzt bauen selbst die Hoffnungsträger Jobs ab. Und das gilt nicht nur für DaimlerChrysler, sondern zum Beispiel auch für die hochmodernen und hochprofitablen Bremer Stahlwerke. Viel Hoffnung auf eine neue Anstellung will den Betroffenen deshalb auch Heiner Heseler nicht machen, Planungschef in der Bremer Senatskanzlei.
„Man muss ehrlicherweise sagen: Das ist sehr, sehr schwierig. Es suchen viele nach Arbeitsplätzen. Ich glaube allerdings, dass die Jüngeren oder mittleren in Arbeit stehenden Arbeitskräfte dort ja ziemlich qualifiziert sind, sie haben eine gute Ausbildung gehabt. Ich glaube, dass eröffnet ihnen Möglichkeiten. Aber man muss auch ganz ehrlicherweise sagen: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, und das wird ne schwierige Erfahrung für die. "
Diese Schwierigkeiten sind zwar durch die Abfindungen, die Mercedes bezahlt, leichter zu schultern als ohne, aber eine echte Alternative ist dieser Weg nur für die Älteren. Lackierer Sven Brundiers zum Beispiel, 36 Jahre alt, will sich seinen Arbeitsplatz auf keinen Fall abkaufen lassen: Er muss sein Haus in Jaderberg abbezahlen und seine Familie ernähren, deshalb braucht er eine langfristige Perspektive statt eines schnellen Geldregens. Jenseits von DaimlerChrysler und seinen Tochterfirmen kann Bremen ihm eine solche Perspektive kaum bieten.
Bei ihrer Wirtschaftsförderung setzt die Stadt – wie alle anderen – auf Forschung und High-Tech. DaimlerChrysler spielt dabei trotz Jobabbau für den Planungschef im Rathaus eine wichtige Rolle. Heiner Heseler:
„Zum Beispiel in Fragen der Produktionslogistik oder in Fragen innovativer Materialien, da könnten wir auch das Bremer Werk noch stärker fördern. Auch mit Bremer Geld. Wir sind ja schon in der Lage, Forschung zu fördern, und wir wollen ja sehr stark angewandte Forschung. Wir wollen die Kooperation zwischen der Universität und den Unternehmen hier verstärken, wir haben eine eigene Innovationsagentur. Das würden wir gerne noch mehr machen, mehr mit dem Unternehmen, aber auch da sind wir mit der Geschäftsführung hier gut im Gespräch. "
Aber: Das Bremer Geld ist endlich: Der Stadtstaat ist mit einem Schuldenstand von etwa 13 Milliarden Euro de facto pleite.
Sollte die Region dennoch den nächsten Strukturwandel, diesmal zu einem Forschungs- und High-Tech-Standort, schaffen, dann wird das noch viele Jahre dauern. Wer in den kommenden Monaten seinen Job aufgibt, dem nützt das gar nichts, das weiß auch Heiner Heseler.
„Wir können da nur helfend tätig sein, indem wir sehen: Wie kann man eigentlich Arbeitsplätze in der Region finden? Aber die Maßnahmen, die wir vorschlagen, die sind eher langfristig wirksam, und sie können langfristig die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Das darf man aber nicht unterschätzen, denn wir wissen ja aus dem Kern heraus, dass aufgrund dieser langfristigen Unterstützung dieses Bremer Werk hier richtig gut im Konzernverbund aufgestellt ist, ein modernes Werk ist. Und das hängt sicherlich damit zusammen, dass wir selbst für die Infrastruktur so viel investiert haben. "
Die Stadt hat kurz vor dem Mercedes-Werk den Hemelinger Tunnel gebaut und dahinter ein Industriegebiet für Zulieferbetriebe für die Autoproduktion. Damit machte sich Bremen aber auch abhängig von einer Branche, und das rächt sich jetzt: Wenn das Werk weniger PKWs herstellt, braucht es auch weniger Teile von den Lieferanten, die deshalb mittelfristig ebenfalls Stellen streichen müssen.
Anders als Mercedes verzichten Zulieferer nicht auf betriebsbedingte Kündigungen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten, und auch üppige Abfindungen sind normalerweise nicht in Sicht.
DaimlerChrysler-Mitarbeiter bekommen dagegen zusätzlich eine so genannte Turboprämie, wenn sie sich schnell verabschieden.
Dennoch weiß augenblicklich niemand, wie viele Mitarbeiter das Abfindungsangebot akzeptieren werden. Die meisten hätten stattdessen wohl lieber einen anderen, sicheren Job, das zeigen die vielen Bewerbungen auf jene 640 unbefristeten Stellen, die DaimlerChrysler an anderen Standorten zu bieten hat. Auch Sven Brundiers aus Jaderberg wäre bereit, woanders zu arbeiten als im Mercedes-Hauptwerk in Bremen. Nur allzu weit entfernt von seinem Haus dürfte es nicht sein.
„Angenommen wenn es heißt: Herr Brundiers, Sie können jetzt erst mal schön nach Düsseldorf fahren oder nach Hamburg, dann kann ich hier auch gleich meine Zelte abbrechen und mir dahinten was suchen. Und da, muss ich sagen, besteht nicht unbedingt der Zwang bei mir. Ich hab eineinviertel Jahre insgesamt dann da unten gearbeitet, und ich muss sagen: es reicht! "
Anfang April 2006 endet seine „Abordnung“ nach Rastatt. Für die Zeit danach hat sich Sven Brundies beim Daimler-Schwesterunternehmen Airbus für einen Zeitvertrag beworben. Der Flugzeugbauer betreibt drei Werke in Niedersachsen, die für Brundiers schnell zu erreichen sind. Der Hauptgewinn wäre eine Stelle im sieben Kilometer entfernten Varel. Dann will der Lackierer jeden Tag mit dem Rad zur Schicht fahren. Wenn es klappt, hat Brundies für die nächsten drei bis fünf Jahre einen sicheren Job. Und wie es danach weitergeht, darüber macht er sich auch keine Sorgen.
„Dann kann ich so in mein PKW-Werk wieder reingehen und sagen: So, die Zeit ist um, was machen wir jetzt. Da berufe ich mich auch drauf, was mir gesagt wurde: „Nach der Abordnung sind Sie fester Bestandteil von DaimlerChrysler AG Werk Bremen. Wenn Sie das machen bei Airbus und die Zeit ist um, nehmen wir Sie hier wieder auf.“ "
Brundiers ist davon überzeugt, dass dann genug Arbeit da sein wird, schließlich laufen in den kommenden Jahren allein in Bremen vier neue Mercedes-Modelle an. Andererseits bauen die Hersteller heute ein neues Modell mit bis zu 20 Prozent weniger Personal als das alte.
Und ab 2012 kann bei DaimlerChrysler auch aus betrieblichen Gründen gekündigt werden.
Sven Brundiers trifft man nur am Wochenende in seinem Haus in Jaderberg nördlich von Bremen an. Denn der Lackierer arbeitet im Mercedes-Werk Rastatt, in Baden-Württembergischen rund 600 Kilometer entfernt von Haus und Familie. Die sieht er nur jedes zweite Wochenende, wenn er am Freitag Frühschicht hat und am Montag darauf Spätschicht. An den Wochenenden dazwischen ist es umgekehrt, dann lohnt sich die weite Fahrt nicht.
„Man verpasst ziemlich viel, meine Tochter ist gerade jetzt etwas über zwei Jahre. Also bis zu ihrem Geburtstag und darüber hinweg die wichtigsten Sachen hat man halt verpasst, Entwicklungsstufen. Jeden Tag zu einer bestimmten Uhrzeit ruf ich eben an, frag, wie es ist, ob es Neuigkeiten gibt, ob alle Gesund sind, ob es Schwierigkeiten gibt, wo ich mal helfen kann, vielleicht. "
Seit Anfang des Jahres schon ist ein kleines Hotel in Rastatt Brundiers‘ zweites Zuhause. DaimlerChrysler hat es komplett angemietet, bringt hier über 60 Automobilwerker aus der Hansestadt unter. Insgesamt sind von knapp 14.000 Bremer Mitarbeitern des Konzerns 1300 irgendwo in der Republik ‚auf Abordnung‘, wie das Unternehmen diese Form der Personalverschickung nennt. Das Ganze läuft freiwillig: Die Arbeiter wissen, dass sich die in Bremen gebaute C-Klasse gerade schlecht verkauft und wollen mit ihrer Flexibilität den eigenen Arbeitsplatz trotz Krise langfristig erhalten.
Doch das Zugeständnis hat dem Standort nichts genützt, DaimlerChrysler will sich allein in Bremen von 2700 Leuten trennen.
Nach Ansicht des Betriebsratsvorsitzenden Udo Richter ist diese Zahl zwar zu hoch, im Prinzip hält aber auch er einen Stellenabbau für unvermeidlich.
„Das ist eine Anerkenntnis der realen Rahmenbedingungen. Aber ich erwarte vom Management auch ein bisschen mehr Kreativität, die müssen aggressiver in die Märkte reingehen. Die haben Forschungs- und Entwicklungsabteilungen. Die können nicht noch die Mittel kürzen, sondern die müssen da reinbrettern. Das machen doch andere Hersteller denen vor, wie man das macht. Manche Ideen, die man heute hat, die wirken doch erst in ein, zwei Jahren. "
Richter ist der Meinung, dass Mercedes viel mehr auf Nischenmodelle setzen sollte, die zwar keine hohen Stückzahlen versprechen, aber einen hohen Gewinn pro Fahrzeug. In der Tat wird das Unternehmen demnächst mehr solcher Autos bauen. Zum Beispiel einen kleinen Geländewagen, der ab 2008 in Bremen vom Band läuft. Aber auch wenn dieses Modell ein Erfolg wird, und auch wenn sich die neue C-Klasse ab 2007 gut verkauft, hat DaimlerChrysler ein Problem: Stimmen die Angaben des Managements, dann braucht das Unternehmen mehr Arbeitsstunden für jedes produzierte Auto als die Konkurrenz. Also will der Konzern langfristig mit weniger Personal auskommen und lässt sich diesen Abbau zunächst viel Geld kosten. Abfindungen von zum Teil 100.000 Euro und mehr sollen möglichst viele zum freiwilligen Abschied verführen, außerdem gibt es Frühpensionierungen und Teilzeitprogramme. Kündigungen sind durch eine Betriebsvereinbarung bis zum Jahre 2012 ausgeschlossen.
Betriebsratschef Udo Richter hat den Abfindungsplan zwar mit ausgehandelt, findet aber, dass es sich DaimlerChrysler damit etwas zu leicht macht.
„Hier hat es ja Scharen von Führungskräften gegeben, die nur Vorschläge gemacht haben, wo sie wieder was rausgeben können. Die sollen sich die Birne machen, den Kopf machen, welche Arbeit gehört hier rein, welche Arbeit habe ich reinzuholen. Nicht abfinden, sondern Arbeit finden, dass ist der Punkt. Und zu schaffen für diesen Standort und für diese Region. "
Doch Arbeit gibt es viel zu wenig in Bremen und seinem Umland, vor allem Industriearbeit.
Ähnlich wie das Ruhrgebiet erlebt die Hansestadt seit Jahrzehnten den Niedergang genau jener Branchen, die der Region einstmals Wohlstand brachten. Klaus Möhle, Wirtschaftspolitischer Sprecher der Grünen in der Bremer Bürgerschaft:
„Die Werftindustrie ist weg, der Vulkan ist weg, die AG Weser ist weg, riesige Werften; die Bremer Baumwollkämmerei, früher mal 4000 Leute, da sind jetzt noch vielleicht 200 knapp: Das sind einfach Strukturwandelprobleme, die sich gewaschen haben. Und wir müssen jetzt gucken, wie wir denn den Arbeitsplatzbestand erhöhen können. Und dazu brauchen wir aber die industriellen Kerne, die noch übergeblieben sind. Und dazu gehört nun auch DaimlerChrysler. Und wenn die Belegschaft abbauen, ist das überhaupt kein gutes Zeichen. "
Wer im Schiffbau oder der Textilindustrie keine Chance mehr hatte, heuerte früher ‚beim Daimler‘ an, jetzt bauen selbst die Hoffnungsträger Jobs ab. Und das gilt nicht nur für DaimlerChrysler, sondern zum Beispiel auch für die hochmodernen und hochprofitablen Bremer Stahlwerke. Viel Hoffnung auf eine neue Anstellung will den Betroffenen deshalb auch Heiner Heseler nicht machen, Planungschef in der Bremer Senatskanzlei.
„Man muss ehrlicherweise sagen: Das ist sehr, sehr schwierig. Es suchen viele nach Arbeitsplätzen. Ich glaube allerdings, dass die Jüngeren oder mittleren in Arbeit stehenden Arbeitskräfte dort ja ziemlich qualifiziert sind, sie haben eine gute Ausbildung gehabt. Ich glaube, dass eröffnet ihnen Möglichkeiten. Aber man muss auch ganz ehrlicherweise sagen: Die Arbeitslosigkeit ist hoch, und das wird ne schwierige Erfahrung für die. "
Diese Schwierigkeiten sind zwar durch die Abfindungen, die Mercedes bezahlt, leichter zu schultern als ohne, aber eine echte Alternative ist dieser Weg nur für die Älteren. Lackierer Sven Brundiers zum Beispiel, 36 Jahre alt, will sich seinen Arbeitsplatz auf keinen Fall abkaufen lassen: Er muss sein Haus in Jaderberg abbezahlen und seine Familie ernähren, deshalb braucht er eine langfristige Perspektive statt eines schnellen Geldregens. Jenseits von DaimlerChrysler und seinen Tochterfirmen kann Bremen ihm eine solche Perspektive kaum bieten.
Bei ihrer Wirtschaftsförderung setzt die Stadt – wie alle anderen – auf Forschung und High-Tech. DaimlerChrysler spielt dabei trotz Jobabbau für den Planungschef im Rathaus eine wichtige Rolle. Heiner Heseler:
„Zum Beispiel in Fragen der Produktionslogistik oder in Fragen innovativer Materialien, da könnten wir auch das Bremer Werk noch stärker fördern. Auch mit Bremer Geld. Wir sind ja schon in der Lage, Forschung zu fördern, und wir wollen ja sehr stark angewandte Forschung. Wir wollen die Kooperation zwischen der Universität und den Unternehmen hier verstärken, wir haben eine eigene Innovationsagentur. Das würden wir gerne noch mehr machen, mehr mit dem Unternehmen, aber auch da sind wir mit der Geschäftsführung hier gut im Gespräch. "
Aber: Das Bremer Geld ist endlich: Der Stadtstaat ist mit einem Schuldenstand von etwa 13 Milliarden Euro de facto pleite.
Sollte die Region dennoch den nächsten Strukturwandel, diesmal zu einem Forschungs- und High-Tech-Standort, schaffen, dann wird das noch viele Jahre dauern. Wer in den kommenden Monaten seinen Job aufgibt, dem nützt das gar nichts, das weiß auch Heiner Heseler.
„Wir können da nur helfend tätig sein, indem wir sehen: Wie kann man eigentlich Arbeitsplätze in der Region finden? Aber die Maßnahmen, die wir vorschlagen, die sind eher langfristig wirksam, und sie können langfristig die Wettbewerbsfähigkeit steigern. Das darf man aber nicht unterschätzen, denn wir wissen ja aus dem Kern heraus, dass aufgrund dieser langfristigen Unterstützung dieses Bremer Werk hier richtig gut im Konzernverbund aufgestellt ist, ein modernes Werk ist. Und das hängt sicherlich damit zusammen, dass wir selbst für die Infrastruktur so viel investiert haben. "
Die Stadt hat kurz vor dem Mercedes-Werk den Hemelinger Tunnel gebaut und dahinter ein Industriegebiet für Zulieferbetriebe für die Autoproduktion. Damit machte sich Bremen aber auch abhängig von einer Branche, und das rächt sich jetzt: Wenn das Werk weniger PKWs herstellt, braucht es auch weniger Teile von den Lieferanten, die deshalb mittelfristig ebenfalls Stellen streichen müssen.
Anders als Mercedes verzichten Zulieferer nicht auf betriebsbedingte Kündigungen, wenn sie in Schwierigkeiten geraten, und auch üppige Abfindungen sind normalerweise nicht in Sicht.
DaimlerChrysler-Mitarbeiter bekommen dagegen zusätzlich eine so genannte Turboprämie, wenn sie sich schnell verabschieden.
Dennoch weiß augenblicklich niemand, wie viele Mitarbeiter das Abfindungsangebot akzeptieren werden. Die meisten hätten stattdessen wohl lieber einen anderen, sicheren Job, das zeigen die vielen Bewerbungen auf jene 640 unbefristeten Stellen, die DaimlerChrysler an anderen Standorten zu bieten hat. Auch Sven Brundiers aus Jaderberg wäre bereit, woanders zu arbeiten als im Mercedes-Hauptwerk in Bremen. Nur allzu weit entfernt von seinem Haus dürfte es nicht sein.
„Angenommen wenn es heißt: Herr Brundiers, Sie können jetzt erst mal schön nach Düsseldorf fahren oder nach Hamburg, dann kann ich hier auch gleich meine Zelte abbrechen und mir dahinten was suchen. Und da, muss ich sagen, besteht nicht unbedingt der Zwang bei mir. Ich hab eineinviertel Jahre insgesamt dann da unten gearbeitet, und ich muss sagen: es reicht! "
Anfang April 2006 endet seine „Abordnung“ nach Rastatt. Für die Zeit danach hat sich Sven Brundies beim Daimler-Schwesterunternehmen Airbus für einen Zeitvertrag beworben. Der Flugzeugbauer betreibt drei Werke in Niedersachsen, die für Brundiers schnell zu erreichen sind. Der Hauptgewinn wäre eine Stelle im sieben Kilometer entfernten Varel. Dann will der Lackierer jeden Tag mit dem Rad zur Schicht fahren. Wenn es klappt, hat Brundies für die nächsten drei bis fünf Jahre einen sicheren Job. Und wie es danach weitergeht, darüber macht er sich auch keine Sorgen.
„Dann kann ich so in mein PKW-Werk wieder reingehen und sagen: So, die Zeit ist um, was machen wir jetzt. Da berufe ich mich auch drauf, was mir gesagt wurde: „Nach der Abordnung sind Sie fester Bestandteil von DaimlerChrysler AG Werk Bremen. Wenn Sie das machen bei Airbus und die Zeit ist um, nehmen wir Sie hier wieder auf.“ "
Brundiers ist davon überzeugt, dass dann genug Arbeit da sein wird, schließlich laufen in den kommenden Jahren allein in Bremen vier neue Mercedes-Modelle an. Andererseits bauen die Hersteller heute ein neues Modell mit bis zu 20 Prozent weniger Personal als das alte.
Und ab 2012 kann bei DaimlerChrysler auch aus betrieblichen Gründen gekündigt werden.