"... schließlich sind wir es, die entscheiden"

Von Martin Reischke · 06.09.2007
Wie eine Alternative zur grassierenden Politikverdrossenheit aussehen könnte, zeigt die Jugendbildungsstätte Hütten in der südthüringischen Gemeinde Krölpa: In einer Ferienfreizeit sollen rund 40 Thüringer Kinder zwischen acht und zwölf Jahren lernen, wie ein selbst bestimmtes Leben in einer demokratischen Gesellschaft funktioniert.
Sie diskutieren im Dorfrat, ob ein Bürgermeister gewählt oder eine Polizei aufgebaut wird. Sie bereiten ihr Essen zu und organisieren ein Dorffest, kümmern sich um das kulturelle Leben oder produzieren als Journalisten Nachrichten und Dokumentationen für die Dorfgemeinschaft. Oder sie machen etwas ganz anderes - schließlich sind sie es, die entscheiden:

"He, wo ist denn das Bild von den Teppichgespenstern – das war doch hier, hier!"

Aufregung in der Redaktion des "Hüttener Abendblatts". Es ist kurz vor fünf, der Redaktionsschluss drängt, und die Suche nach den letzten Fotos läuft auf Hochtouren.

"Hier ist es – warte, mach ich mal – Moment, hier ist es! – Jetzt!"

Dann ist das Foto endlich gefunden – und die aktuelle Ausgabe der Zeitung nimmt langsam Gestalt an. Doch Berichte über Merkels Chinareise oder die Krise an den internationalen Finanzmärkten sucht man hier vergebens. Stattdessen dreht sich alles um Kinder. Kein Wunder, denn das "Hüttener Abendblatt" erscheint in einem Dorf, wo nur Kinder leben.

Für eine Woche sind 33 Kinder zwischen acht und zwölf Jahren in der Jugendbildungsstätte Hütten in Thüringen zusammengekommen, um gemeinsam zu leben und zu arbeiten. Was sie machen, bestimmen sie selbst, erzählt die 11-jährige Eden Laskowski, die schon zum dritten Mal dabei ist:

"Da gab es einen Zettel mit den verschiedenen Dingen drauf, es gab bis 12 Stimmen, da musste man ankreuzen, da durfte man zwei Dinge ankreuzen."

Am Ende einigen sich die Kinder auf sechs Arbeitsgruppen. Neben der Zeitung gibt es auch eine Hütten-Uni, eine Bau- und eine Umweltgruppe. Einige Kinder arbeiten mit Filz, andere kochen und backen.
Karin Schreibeis arbeitet für das Bildungswerk "Blitz e.V.", den Trägerverein der Jugendbildungsstätte Hütten. Für sie ist das Kinderdorf ein Demokratieprojekt – und damit weit mehr als eine normale Ferienfreizeit.

"Grundidee ist natürlich Partizipation, das ist ganz klar, und es geht darum, die Gruppe der 8- bis 12-jährigen auch einzubinden und eben auch auszutesten, was da schon geht und was nicht geht, was für Ideen die entwickeln und was für Vorstellungen vom Leben sie schon haben oder entwickeln können, wenn es nicht schon einen Rahmen gibt, der gesteckt ist."

Denn ganz ohne Rahmen funktioniert auch das Kinderdorf nicht: Am ersten Tag werden die Kinder einer von fünf Dorffamilien zugelost. Dann wählt jede Familie einen Vertreter, den sie in den Dorfrat schickt. Aber selbst dieses Grundmodell ist nicht unumstößlich.

"Und wir haben diese Struktur erstmal sozusagen eingeführt, das heißt aber nicht, dass sie nicht aufgehoben werden kann. Also wenn die Kinder entscheiden, wir wollen das nicht mehr und wir finden das alles nicht mehr gut und wir sind autonom, dann würden wir das auch erstmal zulassen und schauen was kommt – Grundregel ist immer, dass die Kinder sich nicht verletzen und dass es eben keine Gewalt gibt, sondern die gewaltfreie Lösung gesucht wird."

Gewaltfreie Lösungen, die die Interessen aller Dorfbewohner berücksichtigen, erfordern viel Geduld und Sitzfleisch. Nach dem Abendbrot treffen sich die Familien. Als Dorfratsmitglied berichtet Eden ihrer Familie, was heute im Rat besprochen wurde.

"Kann ich jetzt reden? Also: Wir haben heute verschiedene Themen abgearbeitet, das erste war Bürgermeister, die Bürgermeister-Wahl wird in zwei…, übermorgen sein."
"Das wissen wir jetzt!"
"Lässt du sie mal ausreden!"
"Sonst machst du 100 Liegestütze."

Auch Eden will für den Posten der Bürgermeisterin kandidieren. Noch aber hat sie ein kleines Problem.

"Morgen wird jeder sagen, warum er Bürgermeister werden möchte und da wollte ich euch noch um Hilfe bitten, ich weiß nämlich nicht, warum!"

Steffen Harnack begleitet die Diskussionen von Eden und ihrer Familie. Er ist einer von 12 Betreuern im Kinderdorf. Meistens hält er sich zurück. Doch nicht immer ist er nur stiller Beobachter.

"Weißt du, vielleicht gibt es einige unter uns, die lieber jemand anderen wählen als dich, obwohl du unser Ratsmitglied bist."

Als Student der Kultur- und Medienpädagogik absolviert Steffen Harnack gerade ein Praktikum an der Jugendbildungsstätte in Hütten. Auch für ihn ist es nicht ganz einfach, als Erwachsener in einem selbst bestimmten Kinderdorf immer den richtigen Ton zu treffen.

"Man darf sich nicht ganz zurücknehmen und muss sich doch sehr stark zurücknehmen. Das ist wie ein Tanz auf einer Messerspitze manchmal, und es fällt auch unglaublich schwer, sich dann auch jedes Mal darauf zu konzentrieren, dass man zwar ein bisschen Motivation gibt, vielleicht auch Hinweise, vielleicht auch Möglichkeiten, die man anspricht, aber dass man nichts vorgibt, das ist sehr schwer manchmal."

Pünktlich um neun Uhr am nächsten Morgen versammeln sich die Kinder auf dem großen Innenhof, um mit einem kleinen Spiel in den Tag zu starten. Zwei Gruppen sitzen sich gegenüber, zwischen ihnen ist eine große Wolldecke gespannt. Karin Schreibeis erklärt:

"Dann zählen wir bis drei und lassen die Decke fallen, dann geht die runter und sitzen sich zwei Leute gegenüber, und wer zuerst den Namen von dem anderen brüllt, der hat gewonnen und bekommt die Person in seine Mannschaft."

Voller Aufregung stürzen sich die Kinder ins Spiel.

"uno – dos – tres – Heiner! – Heiner ist wieder da!"

Nach dem Spiel geht es wieder an die Arbeit – doch die muss erstmal verteilt werden. Die Kinder versammeln sich im großen Seminarraum. Zwei Tische werden zusammen geschoben, darauf liegen die Listen mit den Arbeitsgruppen. Jugendbildungsreferent Frank Hofmann beschreibt noch einmal die Regeln, bevor die Kinder sich eintragen können:

"Ok, wer jemandem den Stift aus der Hand reißt, der kommt dann ganz zum Schluss dran – ok, eins, oder, nee: uno – dos – tres."

Doch die Wahl der Arbeitsgruppe wird zum heillosen Durcheinander. Ein klarer Fall für den Dorfrat.

"Stellt mal die Stühle um den Tisch und dann fangen wir an."

Nun erzählt Eden, welche Wünsche und Vorschläge sie aus der Familie mitgebracht hat.

"Wir haben zwei große Themen, Änderungen und Vorschläge. Bei Änderungen nicht auf Blätter stürzen, was wir gemacht haben. Moment, Änderungen von Regeln."

Doch dann geht es erstmal nur noch um das neue Dorfoberhaupt. Ein Bürgermeister und eine Bürgermeisterin sollen gewählt werden – und alle fünf Mitglieder des Dorfrats wollen kandidieren. Die Diskussion um die Wahl der Arbeitsgruppen muss schließlich vertagt werden, denn die Presse wartet schon.

"So, dann haben wir die Aufgaben. Ja, da ist die Presse, die ganze Presse. Pünktlich, seid ihr deutsch."

Beim Gespräch mit den jungen Reportern ist sich Eden gar nicht mehr so sicher, ob sie mit ihrer Kandidatur erfolgreich sein wird.

"Wer denkst denn du, wer wird von euch dreien Bürgermeisterin?"
"Muss ich jetzt antworten?"
"Musst nicht!"
"OK, ich will nicht antworten."

Am Nachmittag stellen sich die Kandidaten den Kindern im Dorf vor. Der zehnjährige Heiner aus Erfurt bewirbt sich schon zum zweiten Mal um den Posten. Dabei soll den Kindern klar werden, warum sie gerade ihm ihre Stimme geben.

"Irgendwas, was euch auf dem Herzen liegt? Apropos Herzen: Immer, wenn ihr was auf dem Herzen oder Probleme habt, könnt ihr immer zu mir kommen!"

Die Kinder sind begeistert – zumindest beim ersten Kandidaten.
Doch jeder Kandidat hat es schwerer als sein Vorgänger. Denn auffällig gleichen sich die Reden. So sind es vor allem die ungeplanten Reaktionen, die wie bei Benjamins Rede für Aufmerksamkeit sorgen.

"Und ich möchte Bürgermeister werden, weil ich möchte mich auch für die Kleinen einsetzen, weil die werden auch manchmal…"
"Du bist doch selber klein."
"Halt’s Maul!"
"Hahahaha."

Eden dagegen setzt voll auf ihre Amtserfahrung. Schon einmal wurde sie schließlich zur Bürgermeisterin gewählt.

"Seid doch mal leise. Ich möchte Bürgermeisterin werden, weil ich schon mal Bürgermeisterin war und mir hat die Stelle gut gefallen, möchte Erfahrung machen und mehr dazu lernen."

Dann ist der offizielle Teil des Wahlkampfs beendet. Doch einen Bürgermeister gibt es immer noch nicht.

Schreibeis: "Ich denke wirklich, dass es wichtig ist, hin und wieder diese Zeit auch einzuräumen und diesen Raum zu geben, das auszuprobieren und diese Entscheidungsprozesse zu begleiten und die Entscheidungsprozesse zu unterstützen, dass man sich eine eigene Meinung bildet, und zwar eine eigene und nicht die Hand hebt, weil jetzt der Nachbar gerade auch die Hand gehoben hat in einer Abstimmung und dann wieder umfällt, weil der die Hand wieder runterzieht, und dann ziehe ich auch gleich zurück, sondern sich wirklich überlegt: Warum will ich das oder warum will ich das vielleicht nicht."

Der acht Jahre alte Simon jedenfalls ist von den Kandidaten nicht sonderlich beeindruckt. Bei der Verteilung der Arbeit ist er heute zu kurz gekommen:

"Die haben ja alle gedrängelt. Ich wollte mich bei Medien anmelden, die haben ja alle gedrängelt, weil die Großen ja immer als Erstes da sind. Ich mach da morgen früh nicht mit."

Bürgermeisterkandidat Heiner hat zwar Abhilfe versprochen. Doch Simon bleibt skeptisch:

"Der Heiner, der hat gesagt: Wenn du mich wählst, dann mach ich das, aber ich weiß nicht, der will ja eigentlich nur gewinnen, ich weiß nicht, ob der das dann wirklich macht."

Am nächsten Morgen ist die Wahl. Vor der Tür des großen Seminarraums warten die Kinder. Zu zweit werden sie hereingebeten.

"Christoph, es können jetzt wieder zwei Leute rein – sind Erwachsene nur noch da, dann warten wir, bis alle Kinder raus sind."

Nach den Kindern sind die Erwachsenen an der Reihe. Gewählt wird in mehreren Wahlkabinen, die aus hohen Stellwänden zusammen geschoben sind. Dann verschwinden die Wahlzettel in einer bemalten Obstkiste, die als Wahlurne dient.

"Die, die fertig sind, gehen mal bitte runter auf den Hof, sonst kommen wir durcheinander."

Dann wird ausgezählt.

"Wir fangen mit den Jungs an, die Jungsstimmen, wir tun erstmal alle Zettel."
"Moment, Moment, Moment!"

Bei den Mädchen ist die Sache klar. Doch bei den Jungen wird es knapp.

"19"
"Gleichstand."
"Sie müssen noch wählen."
"Ahahah, so läuft’s nicht!"

Ein Erwachsener soll die entscheidende Stimme abgeben. Doch Frank Hofmann hat einen anderen Vorschlag.

"Die Frage ist, ob ihr die Zettel noch mal nachzählen wollt? Wollt ihr nicht, OK."

Also verkündet Angelique, die Sekretärin des Dorfrats, schließlich das Ergebnis:

"Es ist folgendes bei der Wahl rausgekommen: Antonia ist die Bürgermeisterin. Mit 20 Punkten lag sie vorne, Eden hatte 11 Stimmen und Irene 13, Benjamin hat 19 Punkte und Heiner auch – Gleichstand."

Doch der Wahlmarathon nimmt noch lange kein Ende. Bildungsreferent Hofmann jedenfalls hat beobachtet, dass bei der Wahl nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist. Das soll im Dorfrat diskutiert werden.

"Es sind 45 abgegebene Stimmen, und davon waren 6 Stimmen entweder falsch angekreuzt oder ungültig gemacht. Sechs muss man abziehen, dann sind es 39, aber es sind 44 für die Mädchen. Also da stimmt irgendwas nicht, da haben sie falsch gerechnet."

Aber ist es die Aufgabe der Erwachsenen, in einem selbst bestimmten Projekt die Kinder auf ihre Fehler aufmerksam zu machen?
Karin Schreibeis findet, dass man in bestimmten Situationen sehr wohl eingreifen muss:

"Dass wir durch gewisse Fragen und Einwürfe ein Stück weit manipulieren, ist uns bewusst, erscheint uns aber manchmal auch notwendig, um manchen Kindern, die vielleicht denken: ´Ich kann ja eh nichts ändern.´ wieder die Möglichkeit oder den Raum zu geben. ´Aha, da gibt es ja noch andere, die das auch so sehen´ Und plötzlich hört man zehn andere auch sagen:´Nee, eigentlich finde ich das auch doof.´"

Nach Hofmanns Eingreifen ist sich der Dorfrat schnell einig.

"Also, was wollt ihr jetzt machen?"
"Wahl wiederholen!"
"Komplett wiederholen?"
"Ja, wenn wir jetzt so unstimmig sind. Wer ist denn alles dafür?"

Doch damit ist noch längst nicht alles geklärt.

"OK, und wie wollt ihr das diesmal organisieren, dass es keine Unregelmäßigkeiten gibt?"

Jetzt wissen die Kinder eine Lösung:

"Dass sie reinkommen, derjenige, der da sitzt, den Zettel gibt und abkreuzt, aber immer nur einen Zettel gibt."

Beim zweiten Anlauf ist die Wahl tatsächlich erfolgreich: Antonia wird als Bürgermeisterin bestätigt, bei den Jungen kann sich schließlich Heiner durchsetzen. Doch die Freude an seinem neuen Amt ist für Heiner nicht ungetrübt. Simon hat erfahren, dass sich die Dorfzeitung nicht nur für Heiners politische Ziele, sondern auch für sein Privatleben interessiert.

"Es gibt ja auch einen Bürgermeister, von dem denken sie immer, dass der verliebt ist, und, warte – da ist hier jetzt so ein Artikel in der Zeitung drinnen: ´Heiners große Liebe – Heiner der Bürgermeister hat seine große Liebe gefunden, der Name seiner Liebe ist jedoch unbekannt´, und da sind sie ihm gestern nachgegangen und haben ihn ausgelacht, das war lustig."

Das sehen nicht alle Kinder so. Auch in der Redaktion des "Hüttener Abendblattes" gehen die Meinungen auseinander. Wird Heiner durch sein Amt als Bürgermeister zur Person des öffentlichen Interesses? Muss sein Privatleben auch weiterhin geschützt werden? Auf jeden Fall, findet Benjamin Broders, der als Redakteur gegen die Veröffentlichung gestimmt hatte:

"Ich wäre jetzt in die Rolle von Heiner geschlüpft, und das wäre natürlich auch total peinlich gewesen. Aber da die Mehrheit natürlich dafür gestimmt hat, da konnte ich dann natürlich nichts mehr, und der Tobias, wir konnten nichts mehr machen."

Am Ende einigt man sich auf einen Kompromiss: Die Nachricht wird veröffentlicht, der Name des Mädchens aber bleibt geheim. Heiner hat aus der Erfahrung vor allem eine Konsequenz gezogen. Mit Journalisten redet er nur noch über seine Amtsgeschäfte.

"Nur über Politik, nur über Sachen, die beschlossen wurden. Ich rede über keine persönlichen Sachen mehr mit ihnen."

So zeigt sich, dass die Abhängigkeiten zwischen Politik und Medien im Kinderdorf denen im wahren Leben durchaus gleichen. Und dass auch ein Skandal seine guten Seiten hat. Denn, so schlussfolgert Karin Schreibeis: Wenn Konflikte offen ausgetragen und diskutiert werden, stellen sich immer wieder neue Fragen:

"Ich kann mir eben vorstellen, dass wir durch dieses viele Fragen natürlich auch hervorrufen, dass Kinder auch wieder mehr fragen oder hinterfragen und vielleicht weniger nur mit Aussagen reden. Wir versuchen ja immer herauszubekommen: Was ist passiert, und warum ist das passiert und was gibt es für Möglichkeiten?"

Eine ständige Auseinandersetzung mit immer neuen Fragen und Problemen. Auch Maren Terp, die Mutter von Heiner, findet das wichtig. Schon beim letzten Besuch im Kinderdorf habe ihr Sohn ganz neue Erfahrungen gemacht:

"Ich habe eher gemerkt, dass er auch merkt, wie viel Arbeit das ist, wie viel Frust das auch manchmal macht, alles auszudiskutieren. Und auch zu merken, wenn man jetzt auf der Seite ist, die was anderes wollen, aber die Mehrheit hat sich halt durchgesetzt. Er hat da viel drüber erzählt, er war zufriedener auch, fand ich, weil es ist nicht so, es wird ein Programm vorgesetzt, sondern es gab auch verschiedene Möglichkeiten, hier sich aktiv einzubringen."

So ist es auch beim Dorffest am letzten Nachmittag. Ein langes Programm wartet auf die Besucher.

"Dann ist noch ein Marionettenspieltheater."
"Gelber Salon."
"Auch im Gelben Salon."
"Mensch, nein, also im Gelben Salon ist eine Planetenausstellung, danach das Marionettenspiel, dann Akrobatik und dann eine Geisterhöhle, so, das war’s."

Viele Eltern sind ins Kinderdorf gekommen. Die Naturgruppe verkauft bemalte Steine, daneben gibt es selbst gebackenes Brot und gefilzte Schals. Am Bratwurststand bildet sich eine lange Schlange. Doch mit Euro bezahlt hier niemand.

"Wir nehmen eigentlich nur Hüttengeld hier."
"Was kostet `ne Bratwurst?"
"20 Hüttengeld, ein Euro umgerechnet. Ja, da oben ist die Wechselstube."

In der Wechselstube werden Euro in Hüttengeld umgetauscht. Schon nach den ersten Tagen hatte der Dorfrat beschlossen, eine eigene Währung einzuführen und Geld drucken zu lassen. Arbeit im Hüttendorf wurde fortan entlohnt, und auch im Dorfrat saßen auf einmal bezahlte Politiker. Nicht allen hat das gefallen. Bildungsreferent Frank Hofmann allerdings hält dies für den richtigen Schritt:

"Natürlich werden diese Stimmen, und das ist im sozialen Bereich oft so, wenn man dann eben anfängt mit diesem Geld zu sagen: ` Ja, jetzt geht’s wieder nur ums Geld und überhaupt`. Aber es ist nun `mal ein Teil unserer Gesellschaft. Also wir verdienen Geld, um überleben zu können, und das ist eben was, was die die Kinder auch spielerisch hier erleben können und wo sie vielleicht hier auch schon mal sich Gedanken darüber machen können, weil zu Hause nicht darüber gesprochen wird, wie geht man damit um."

So spielt Geld auch im Kinderdorf eine Rolle - und das nicht nur, weil der Dorfrat Hüttengeld eingeführt hat. Denn der Besuch der Kinderfreizeit ist nicht umsonst: 100 Euro pro Kind kostet der Aufenthalt in Hütten. Für manche Eltern ist das leicht zu bezahlen. Andere können ihre Kinder nur hierher schicken, weil sie vom Staat unterstützt werden. So erleben die Kinder im Dorf ein soziales Umfeld, mit dem sie sonst oft gar nicht in Berührung kommen.

Hofmann: "Was das Kinderdorf aber hier ist, ist wirklich ein klarer Spiegel, so wie auch die Bundesrepublik Deutschland sich zusammensetzt. Wir haben hier alle verschiedenen Kinder aus Schichten, die hier zusammentreffen und zusammenleben, und es funktioniert. Da gibt es natürlich immer wieder Schwierigkeiten, aber was wir hier den Kindern hier zutrauen, so wie wir das unserer Gesellschaft oft gerne auch zutrauen wollen, ist zu sagen: Regelt euren Alltag und versucht, es gewaltfrei zu machen und das funktioniert."

Die Erfahrung haben auch die meisten Kinder gemacht. Am Ende können sie sagen, wie Ihnen das Dorf gefallen hat.

"Wir machen jetzt noch einmal so eine Auswertung. Was wir schon mal mit Punkten gemacht haben, machen wir jetzt mit Nüssen."

Damit sollen die Kinder über ihr Dorf abstimmen.

"Wir fangen an mit dem Haus. Die Eins ist: Ich hab mich total zu Hause gefühlt, und die vier ist: Ich hab mich hier überhaupt nicht zu Hause gefühlt."

Ein Haus zum Wohlfühlen: Zahlreiche Nüsse klackern in die erste Schale. Und viele Kinder wollen wiederkommen.

"Tschüß, macht’s gut."