Schleichwerbung auf dem Vormarsch
Der Deutsche Presserat zeigt sich besorgt: Immer häufiger verwischen die Grenzen zwischen Werbung und redaktionellem Angebot in den deutschen Zeitungen und Zeitschriften. Auf der Bilanzpressekonferenz hieß es, die Verstöße gegen den sogenannten Trennungsgrundsatz hätten zugenommen.
328 Beschwerden hat der Presserat im vergangenen Jahr behandelt, und dieses Jahr werden es voraussichtlich etwa eben so viele sein. Rund ein Viertel aller Beschwerden richten sich gegen die Verletzung des sogenannten "Trennungsgrundsatzes" – also die deutliche Trennung von Werbung und redaktionellem Teil. Einige Beispiele, die der Pressrat gerügt hat: Da wird im Klatschblatt "BUNTE" schon mal auf einer ganzen Seite das neue "AUDI-Modell" gepriesen - Fotos und Artikel sind aufgemacht wie ein redaktioneller Text, und sogar die Fotos stammen zum Teil von der PR-Agentur des Autoherstellers. Im Fußballmagazin "Kicker" wirbt Philip Lahm grinsend von mehreren Fotos, sodass der Leser denken könnte, diese gehörten zum Artikel dazu. Am dreistesten versuchte ein Stadtmagazin, an zusätzliches Geld zu kommen: "Redaktionelle Berichterstattung nur gegen Schaltung einer bezahlten Anzeige" hieß es in einer E-Mail, die dem Presserat zugespielt wurde. Das Problem hat an Bedeutung zugenommen, meint der Sprecher des Deutschen Presserats, Manfred Protze. In vielen Redaktionen herrsche gerade beim Thema Trennung von Werbung und redaktionellem Teil Unsicherheit:
"Viele haben das Gefühl, der Presserat hat allgemeine Regeln, knapp formuliert, davon gibt es Ausnahmen, da gibt es Spielräume, aber ob wir diese Spielräume richtig nutzen, erfahren wir erst, wenn sich jemand beschwert, und der Presserat entscheidet. Das ist unbefriedigend, und wenn da ein Bedarf ist, den der Presserat durch die Erfahrungen seiner Spruchpraxis befriedigen kann, wenn man so will in einer Art redaktioneller Weiterbildung, dann wird er das tun. Da ist er ganz in der Rolle der Serviceeinrichtung für die Presse."
Ein erster Schritt wird die Erarbeitung eines Handbuchs für Redaktionen sein. Das wichtigste Problem ist, dass die ganze Szene der Werbung so schnelllebig ist, dass Redaktionen manchmal kaum ein sicheres Gespür entwickeln, was zulässig ist, und was nicht. Und dennoch wehren sich manche Redaktionen gegen die Rügen des Presserats, wie etwa die "BILD"-Zeitung, die auch schon mal öffentlich das Gremium kritisiert. Ein Ärgernis, gibt Manfred Protze zu, das aber nicht stellvertretend für die gesamte Branche stehe:
"Wer eine Missbilligung oder eine Rüge kassiert, ist deswegen nicht glücklich mit dem Presserat, das ist naheliegend und menschlich. Wir haben natürlich eine wachsende Wehrhaftigkeit der Redaktionen und Verlage in dem Sinne, dass sie sehr hohen Aufwand betreiben, um Rügen zu vermeiden. Da gibt es aus meiner Sicht nur eine vernünftige Erklärung: Zum modernen Geschäftsmodellen im Medienbereich passen Rügen nicht."
Die "BILD"-Zeitung verweigert sich jedoch manchmal und spielt auch schon mal mit dem Presserat. Erst vor einigen Tagen erschien ein Artikel in dem Boulevardblatt, dessen Überschrift andeute, man dürfe einen Sexualstraftäter nicht "Schwein" nennen, denn der Presserat verbiete so etwas ja. Doch das ist völlig abwegig, denn das Bekenntnis zur Achtung der Wahrheit, zur Wahrung der Menschenwürde, wie der Pressekodex es vorschreibt, ist freiwillig. Auch wenn die "darf nicht"-Formulierung, die "BILD" über das Wort "Schwein" geschrieben hat, einen anderen Eindruck erweckt: Niemand hat " BILD" eine solche Berichterstattung im Vorfeld verboten. Dieser Fall ist ein neuerlicher Höhepunkt im Streit zwischen dem Massenblatt und dem Presserat.
Im nächsten Jahr dürften noch mehr Aufgaben auf den Presserat zukommen, denn ab 2009 wird das Gremium auch für Online-Medien zuständig sein – Kernbereich bleiben dabei die Portale der etablierten Zeitungen und Zeitschriften. Die bewegten Bilder, also kurze Videos, die auf den Internetportalen vieler Verlage erscheinen, will und kann der Presserat erst einmal nicht bewerten, das könne sich in einigen Jahren aber ändern. Die Internettagebücher, die "Blogs" will man nur dann überprüfen, wenn es sich dabei um professionelle, von Journalisten gemachte Internetseiten handelt. Eine Art "Internetpolizei" will der Presserat daher nicht werden, so Manfred Protze:
"Wir usurpieren diese Zuständigkeit nicht, sondern machen das sozusagen On demand im Zweifelsfall – und wenn sich dann jemand meldet, und sagt: Okay ich akzeptiere den Kodex, ich akzeptiere die Sanktionen, dann schauen wir noch mal, ob das wirklich ein veritables Medium ist, oder nur eine Eintagsfliege."
Der Presserat sieht neben der Medienkritik, die immer nur hinterher stattfinden kann, seinen zweiten Hauptaufgabenbereich in der Verteidigung der Pressefreiheit. Diese ist zunehmend bedroht durch Gesetzesinitiativen wie etwa die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, die sechs Monate lang den Ermittlungsbehörden Zugang verschaffen soll zu Kommunikationsdaten der Journalisten und ihrer Informanten. Diese ist heute vom Bundesverfassungsgericht bis zur endgültigen Entscheidung erst einmal eingeschränkt worden. Auch das am Mittwoch dieser Woche von der Großen Koalition beratene "BKA-Gesetz" beurteilt der Vorsitzende des Presserats, Lutz Tilmanns, als höchst problematisch:
"Auch da ist es in Zukunft jetzt möglich, dass das Bundeskriminalamt in Zukunft die Möglichkeit hat, sämtliche Kommunikation inhaltlich abzuschöpfen, und auch da sind die Kontakte zwischen den Journalisten und den Informanten nicht geschützt, die sind offen. (…) Es ist der Quellenschutz, der uns da Sorge bereitet, der Quellenschutz ist da nicht genügend durch Sonderregelungen für Journalisten, wie auch für Ärzte, Anwälte, abgesichert."
Der Deutsche Presserat sieht hier noch dringenden Handlungsbedarf und appelliert deshalb an den Deutschen Bundestag, dem Regierungsentwurf zum BKA-Gesetz in diesem Punkt die Zustimmung zu verweigern.
Um sich besser Gehör in der Politik zu verschaffen, wird der Presserat Mitte nächsten Jahres von Bonn nach Berlin umziehen – in unmittelbare Nähe zum Parlament.
"Viele haben das Gefühl, der Presserat hat allgemeine Regeln, knapp formuliert, davon gibt es Ausnahmen, da gibt es Spielräume, aber ob wir diese Spielräume richtig nutzen, erfahren wir erst, wenn sich jemand beschwert, und der Presserat entscheidet. Das ist unbefriedigend, und wenn da ein Bedarf ist, den der Presserat durch die Erfahrungen seiner Spruchpraxis befriedigen kann, wenn man so will in einer Art redaktioneller Weiterbildung, dann wird er das tun. Da ist er ganz in der Rolle der Serviceeinrichtung für die Presse."
Ein erster Schritt wird die Erarbeitung eines Handbuchs für Redaktionen sein. Das wichtigste Problem ist, dass die ganze Szene der Werbung so schnelllebig ist, dass Redaktionen manchmal kaum ein sicheres Gespür entwickeln, was zulässig ist, und was nicht. Und dennoch wehren sich manche Redaktionen gegen die Rügen des Presserats, wie etwa die "BILD"-Zeitung, die auch schon mal öffentlich das Gremium kritisiert. Ein Ärgernis, gibt Manfred Protze zu, das aber nicht stellvertretend für die gesamte Branche stehe:
"Wer eine Missbilligung oder eine Rüge kassiert, ist deswegen nicht glücklich mit dem Presserat, das ist naheliegend und menschlich. Wir haben natürlich eine wachsende Wehrhaftigkeit der Redaktionen und Verlage in dem Sinne, dass sie sehr hohen Aufwand betreiben, um Rügen zu vermeiden. Da gibt es aus meiner Sicht nur eine vernünftige Erklärung: Zum modernen Geschäftsmodellen im Medienbereich passen Rügen nicht."
Die "BILD"-Zeitung verweigert sich jedoch manchmal und spielt auch schon mal mit dem Presserat. Erst vor einigen Tagen erschien ein Artikel in dem Boulevardblatt, dessen Überschrift andeute, man dürfe einen Sexualstraftäter nicht "Schwein" nennen, denn der Presserat verbiete so etwas ja. Doch das ist völlig abwegig, denn das Bekenntnis zur Achtung der Wahrheit, zur Wahrung der Menschenwürde, wie der Pressekodex es vorschreibt, ist freiwillig. Auch wenn die "darf nicht"-Formulierung, die "BILD" über das Wort "Schwein" geschrieben hat, einen anderen Eindruck erweckt: Niemand hat " BILD" eine solche Berichterstattung im Vorfeld verboten. Dieser Fall ist ein neuerlicher Höhepunkt im Streit zwischen dem Massenblatt und dem Presserat.
Im nächsten Jahr dürften noch mehr Aufgaben auf den Presserat zukommen, denn ab 2009 wird das Gremium auch für Online-Medien zuständig sein – Kernbereich bleiben dabei die Portale der etablierten Zeitungen und Zeitschriften. Die bewegten Bilder, also kurze Videos, die auf den Internetportalen vieler Verlage erscheinen, will und kann der Presserat erst einmal nicht bewerten, das könne sich in einigen Jahren aber ändern. Die Internettagebücher, die "Blogs" will man nur dann überprüfen, wenn es sich dabei um professionelle, von Journalisten gemachte Internetseiten handelt. Eine Art "Internetpolizei" will der Presserat daher nicht werden, so Manfred Protze:
"Wir usurpieren diese Zuständigkeit nicht, sondern machen das sozusagen On demand im Zweifelsfall – und wenn sich dann jemand meldet, und sagt: Okay ich akzeptiere den Kodex, ich akzeptiere die Sanktionen, dann schauen wir noch mal, ob das wirklich ein veritables Medium ist, oder nur eine Eintagsfliege."
Der Presserat sieht neben der Medienkritik, die immer nur hinterher stattfinden kann, seinen zweiten Hauptaufgabenbereich in der Verteidigung der Pressefreiheit. Diese ist zunehmend bedroht durch Gesetzesinitiativen wie etwa die sogenannte Vorratsdatenspeicherung, die sechs Monate lang den Ermittlungsbehörden Zugang verschaffen soll zu Kommunikationsdaten der Journalisten und ihrer Informanten. Diese ist heute vom Bundesverfassungsgericht bis zur endgültigen Entscheidung erst einmal eingeschränkt worden. Auch das am Mittwoch dieser Woche von der Großen Koalition beratene "BKA-Gesetz" beurteilt der Vorsitzende des Presserats, Lutz Tilmanns, als höchst problematisch:
"Auch da ist es in Zukunft jetzt möglich, dass das Bundeskriminalamt in Zukunft die Möglichkeit hat, sämtliche Kommunikation inhaltlich abzuschöpfen, und auch da sind die Kontakte zwischen den Journalisten und den Informanten nicht geschützt, die sind offen. (…) Es ist der Quellenschutz, der uns da Sorge bereitet, der Quellenschutz ist da nicht genügend durch Sonderregelungen für Journalisten, wie auch für Ärzte, Anwälte, abgesichert."
Der Deutsche Presserat sieht hier noch dringenden Handlungsbedarf und appelliert deshalb an den Deutschen Bundestag, dem Regierungsentwurf zum BKA-Gesetz in diesem Punkt die Zustimmung zu verweigern.
Um sich besser Gehör in der Politik zu verschaffen, wird der Presserat Mitte nächsten Jahres von Bonn nach Berlin umziehen – in unmittelbare Nähe zum Parlament.