"Schlaflos"-Ausstellung in Wien

Ode an die horizontale Lebensform

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Einen großen Teil seines Lebens verbringt der Mensch im Liegen. © imago / McPHOTO
Bernd Brunner im Gespräch mit Julius Stucke · 31.01.2015
Die öffentliche Wahrnehmung des Bettes und der Position in der Horizontalen verändert sich gerade. Das Liegen erfährt mehr Verständnis, statt nur noch mit dem Faulen assoziiert zu werden, freut sich der Kulturwissenschaftler Bernd Brunner.
Das Bett wird verstärkt wieder als Ort der Repräsentation, aber auch des Schaffens entdeckt, meint der Autor und Kulturhistoriker Bernd Brunner anlässlich der neuen Wiener Ausstellung über das Bett als Motiv bildender Kunst.
Das Faszinosum des Themas Bett für Ausstellungsmacher aber auch Autoren beruhe darauf, dass es sich dabei um einen zentralen Ort der menschlichen Existenz handele, der auf physiologischer Notwendigkeit beruhe: "Selbst in wärmerem Klima sind die Nächte oft sehr kühl und wir haben ja nun mal keinen Pelz und müssen es uns daher gemütlich machen", erklärte der Autor des 2012 erschienenen Buches "Die Kunst des Liegens. Handbuch der horizontalen Lebensform".
Das Bett hat Konjunktur
Die aktuelle Konjunktur des Assoziationsraumes Bett verdanke sich einerseits neuen technischen Möglichkeiten, die etwa das Arbeiten per Laptop im Liegen ermöglichten. Zudem sei die repräsentative Funktion des Bettes zuletzt wieder mehr in den Fokus geraten: "Man führt, was bis zu den 60er-Jahren überhaupt nicht üblich war, seine Gäste auch ins Schlafzimmer, und zeigt ihnen da ganz stolz, wie man das Schlafen sozusagen für sich inszeniert." Als repräsentativer Ort habe das Bett bereits in früheren Zeiten eine große Rolle gespielt: "Etwa an europäischen Höfen, wo Machthaber ihre Gäste auch am Bett empfingen." Promoted werde das Bett aber auch, weil offenbar die Matratzenindustrie "hier noch Chancen, Potenzial sieht, Umsatz zu machen."
Die Wahrnehmung verändert sich gerade zum Positiven
Bisher oft mit Stillstand, Passivität und Faulheit gleichgesetzt, sei die gesellschaftliche Akzeptanz für die Lage in der Horizontalen mittlerweile gestiegen, erklärte der Kulturwissenschaftler. "Es gibt mehr Verständnis in manchen Firmen, dass Leute eine Art Mittagsschlaf halten, einen sehr kurzen, einen Power-Nap, weil sie danach auch ganz anders wieder an die Arbeit gehen können. Ich denke, wir leben davon, dass wir unsere Position immer wieder verändern." Brunner prognostizierte eine neue, größere Flexibilität darin, " wie wir uns aufhalten, wie wir uns bewegen und liegen" und begrüßte eine veränderte Wahrnehmung des Liegens im Rahmen einer "allgemeinenTendenz zur Entschleunigung." Das Bett als Protestplattform zu nutzen, wie beim "Bed-in" von John Lennon und Yoko Ono vor über 40 Jahren, sei allerdings eine Ausnahme geblieben.
Die Ausstellung "Schlaflos. Das Bett in Geschichte und Gegenwartskunst" im Museum für zeitgenössische Kunst 21er Haus in Wien zeigt Arbeiten von 140 Künstlerinnen und Künstlern. Zu sehen gibt es bedeutende Werke zum Thema, vertreten sind unter anderen Bonnard, Courbet, Schiele, Damien Hirst und Thomas Ruff.
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Das Interview im Wortlaut:
Julius Stucke: Sie hören "Studio 9" in Deutschlandradio Kultur. Und vielleicht tun Sie das ja gerade sogar im Liegen, in Ihrem Bett? Es wäre nicht ganz unwahrscheinlich, nicht nur wegen der frühen Stunde am Samstagmorgen, sondern weil wir einen großen Teil unserer Zeit liegend verbringen, im Bett. Das ist ein wichtiger Ort unseres Lebens, oft beginnt und endet das Leben hier. Zeugung, Geburt, Tod, all das geschieht nicht selten im Bett, und noch manches mehr. Es braucht also eigentlich gar keinen besonderen, keinen aktuellen Anlass, sich dem Thema Bett zu widmen, es passt fast immer, aber passend gibt es den aktuellen Anlass dann doch gerade und zwar in Wien, wo im 21er Haus, einem Museum für zeitgenössische Kunst, gestern Abend die Ausstellung "Schlaflos. Das Bett in Geschichte und Gegenwartskunst" eröffnet hat. Grund genug also, mal grundlegend über das Bett zu reden, und wir tun das mit dem Schriftsteller Bernd Brunner, der 2012 ein Buch zum Thema geschrieben hat: "Die Kunst des Liegens. Handbuch der horizontalen Lebensform". Jetzt sitzt Bernd Brunner allerdings, und zwar in einem Studio in Istanbul. Ich grüße Sie!
Bernd Brunner: Guten Morgen, Herr Stucke, grüße Sie!
Stucke: Die Museumsmacher in Wien jetzt, die Künstler, deren Werke da zu sehen sind, und Sie als Schriftsteller, was macht denn für Sie alle das Thema Bett als Thema so faszinierend? Das ist doch eigentlich so ein ganz normaler Ort!
Brunner: Ja, ganz normal, aber wie Sie es auch schon angedeutet haben, es ist ein ganz zentraler Ort der menschlichen Existenz, wo einfach die wichtigsten Dinge des Lebens passieren im Grunde genommen. Und das Bett wiederum dann so als Brücke dieser physiologischen Notwendigkeit, wo das sozusagen ausgespielt wird, der Mensch verbringt einen großen Teil seines Lebens im Schlaf, verliert beim Schlaf sehr viel Wärme, und selbst in wärmeren Klimaten sind die Nächte oft sehr kühl, und wir haben ja nun leider keinen Pelz wie viele Tiere und müssen uns deswegen irgendwie da gemütlich machen und daraus ergibt sich einfach die Entwicklung des Bettes als Notwendigkeit sozusagen, als zentraler Moment der Existenz.
Stucke: Es muss aber auch gar nicht nur, in Anführungsstrichen, Notwendigkeit sein, es kann sogar politisch sein: Yoko Ono und John Lennon zum Beispiel, die haben ja sogar einen politischen Ort aus dem Bett gemacht, also "make love, not war".
Brunner: Richtig.
Stucke: Ist das die Ausnahme in der Geschichte oder ist das Bett häufiger ein Ort, der mehr ist als nur für den Schlaf?
Brunner: Nein, also, er ist auf jeden Fall mehr als für den Schlaf. Das war tatsächlich so was wie eine Ausnahme, also, da gibt es, glaube ich, nicht so viele Beispiele, wo das Bett als Protestplattform sozusagen benutzt wurde. Es spielte tatsächlich vor einigen Jahrhunderten noch eine größere Rolle an Höfen, an europäischen Höfen, wo Machthaber auch ihre Gäste direkt am Bett empfingen, das hatte noch einen anderen Stellenwert damals. Wobei ja auch in den letzten Jahrzehnten das Bett auch mehr in den Fokus geraten ist. Also, man führt zum Beispiel, was bis zu den 60er-Jahren überhaupt nicht üblich war, seine Gäste auch ins Schlafzimmer und zeigt ihnen also ganz stolz, wie man sich sozusagen ... wie man da sozusagen das Schlafen für sich inszeniert, das gab es früher eigentlich in der Form nicht.
Stucke: Also, unser Umgang mit dem Bett und dem Schlafzimmer und dem Liegen, der ist auch irgendwie so ein bisschen einem Wandel unterlegen. Nun kenne ich niemanden, der sagt, er liegt ungerne im Bett, oder der ein Problem mit seinem Bett hat oder sich gar dafür schämt, sich ins Bett zu legen. Sie sprechen in Ihrem Buch aber trotzdem davon, das Bett habe heutzutage in der Gesellschaft eher so ein zweifelhaftes Image. Inwiefern?
Brunner: Ja, also, meine Haltung ist eigentlich eher, dass es sich so ein bisschen verändert gerade. Zweifelhaft schon, denn es wird weiterhin assoziiert mit Faulheit, aber da verändert sich gerade etwas, glaube ich, es kommen verschiedene Dinge zusammen. Es gibt ja diesen allgemeinen Trend zur Entschleunigung, also, den Leuten wird irgendwie alles zu viel, sie sind erschöpft, sie müssen sich ausruhen und man gesteht ihnen, glaube ich, auch mehr zu, dass sie sich einfach hinlegen. Weil, liegen ist ja auch die Existenzform sozusagen, die uns am wenigsten Energie abverlangt, das muss man sich vielleicht auch nicht mehr verdeutlichen. Selbst beim Sitzen wendet man etwas mehr Energie auf und beim Liegen fällt alles von einem ab. Und es gibt verschiedene Dinge, es gibt zum Beispiel auch die Entwicklung der Laptops, man kann ganz bequem sich jetzt ins Bett setzen, ich gebe zu, ich mache das manchmal auch, dass ich meinen kleinen Laptop benutze und dann einfach im Bett schreibe und arbeite. Ein anderer Faktor ist natürlich auch noch, weshalb das Bett im Moment sehr stark promotet wird, es gibt Konferenzberichte, dass die Matratzenindustrie da durchaus eine Chance sieht, noch Potenzial –ja! –, durchaus Potenzial noch sieht, Umsatz zu machen. Kann man alles nicht so voneinander trennen. Also, es kommen verschiedene Dinge zusammen.
Stucke: Sie haben sich mit der Geschichte des Liegens und des Bettes viel für Ihr Buch beschäftigt. Nun muss man ja nicht unbedingt in einem Bett liegen und schlafen, aber wann wurde denn das Bett zum, ich sage mal, normalen Ort des Liegens und Schlafens?
Brunner: Ich denke, tendenziell erst wirklich nur zum Schlafen. Also, das kann man schon sagen. Es gab die Betten bei den Hochkulturen eigentlich auch schon in der Form, wie wir sie heute kennen, auch mit dem, dass es etwas erhöht vom Boden ist, auch um Insekten abzuwehren und so weiter, das spielt da eine gewisse Rolle seit ein paar tausend Jahren also auf jeden Fall in der Form, wie wir es kennen. Und die eigentlichen Liegemöbel, von denen wir gerne sprechen, die kommen aber dann erst im Grunde genommen auch über den Orient zu uns, etwa im 18. Jahrhundert, 19. Jahrhundert dann so richtig.
Stucke: Gibt es denn besonders spektakuläre Betten der Geschichte, über die Sie bei Ihren Recherchen gestolpert sind?
Brunner: Die gibt es tatsächlich. Also, es gab zum Beispiel eines im heutigen Pakistan bei einem Sultan, der hatte ein Bett, das wog also über eine Tonne, barg 290 Kilogramm Silber in sich sozusagen, und auf jeder Ecke des Bettes war eine nackte Skulptur sozusagen positioniert. Und wenn sich der Herr dann auf das Bett setzte, setzte nicht nur die Musik ein, sondern auch die Arme der Damen fingen an zu wedeln und ihm Luft zuzufächern. Das ist, glaube ich, so ziemlich das abgefahrenste Bett, was man sich vorstellen kann.
Stucke: Wie sieht denn Ihre Prognose für die Zukunft aus? Liegen wir bald mehr? Sie sagen ja, liegen ist auf jeden Fall eine gute Körperhaltung. Oder weniger oder anders?
Brunner: Anders auf jeden Fall, gut kann man nicht sagen generell. Also, ich denke, wir leben halt davon, dass wir unsere Position immer wieder verändern. Ich würde jetzt auch nicht dazu plädieren, da kämen mir wahrscheinlich auch die Ärzte in die Quere, dass ich jetzt sage, man soll einfach mehr liegen, das ist auch nicht der ... denke ich, darauf läuft es nicht hinaus. Aber dass wir mehr Flexibilität haben in der Art und Weise, wie wir uns aufhalten, wie wir uns bewegen und liegen. Und dieser Wechsel einfach. Und da gibt es, glaube ich, eine gewisse ... Auch mit dem Schlaf, das hängt ja damit zusammen, also, es gibt mehr Verständnis dafür auch, dass in manchen Firmen Leute zum Beispiel eine Art Mittagsschlaf halten, einen sehr kurzen, einen Power Nap, wie man das nennt, weil sie einfach dadurch danach wieder ganz anders an die Arbeit auch gehen können.
Stucke: Bernd Brunner, Autor des Buches "Die Kunst des Liegens". Herr Brunner, vielen Dank für das Gespräch und legen Sie sich ruhig wieder hin jetzt!
Brunner: Danke!
Stucke: Machen Sie's gut!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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