"Schlafen kann ich, wenn ich tot bin"

Von Gunnar König · 31.05.2005
So exzessiv wie er arbeitete, lebte er auch: Affären, Alkohol, Medikamente und Kokain gehörten dazu. Als der Regisseur Rainer Werner Fassbinder am 10. Juni 1982 in München starb, hinterließ er ein Werk, das sowohl im Umfang als auch in seiner provozierenden Qualität in Deutschland immer noch einzigartig ist. Über 50 Spielfilme in 13 Jahren, Drehbücher, Fernsehserien und Theaterstücke.
Hanna Schygulla: "Er wollte eigentlich für den Film das sein, was Freud für die Psychoanalyse war und Einstein für die Physik. Wenn er den Atem noch gehabt hätte weiterzumachen, wäre ihm noch einiges gelungen. "

... meint die Muse Fassbinders Hanna Schygulla über den Mann, dessen Leben und Werk polarisierte, wie das keines anderen Regisseurs.

Sie selbst erlebte beide Gesichter Fassbinders: das des exzentrischen Workaholics, der nicht nur von seinen Feinden als hässlich, dick, gemein und arbeitswütig beschrieben wurde. Auf der anderen Seite gab es den liebevollen, charmanten Fassbinder, der vor Kreativität sprühte, den einfühlsamen. Wenn - ja, wenn man in seiner Gunst stand.

Hanna Schygulla sagt über ihn:

"Er betrieb seine Studien am lebenden Modell. Wie weit er gehen kann, was der Mensch ist. Auch sein Forschen, was das nun ist - Liebe. Damit hat er immer Schwierigkeiten gehabt. Für ihn war Hörigkeit der letzte Liebesbeweis. "

Letztlich war es die Trennung von diesem Fassbinder-Clan, der ihm hörig war, die Hanna Schygulla das Leben rettete, sagt sie.

Die düsteren Seiten Fassbinders, dieses rast- und ruhelosen Einzelkämpfers, scheinen immer noch sein Genie und sein Können zu verdecken.

Zumindest in Deutschland, wo die Würdigung seines 60. Geburtstags erstaunlich still ausfällt: Die Veröffentlichung seiner Gedichte und Prosa von 1962 unter ihrem Originaltitel "Aus dem Land des Apfelbaums" ist hierzulande eine der wenigen Erinnerungen an diesen Tag.

Ganz anders wird Fassbinder im Ausland aufgenommen: In Frankreich veranstaltet man eine große Ausstellung zum Jubiläum, in Amerika gilt er immer noch als einer der zehn wichtigsten Filmemacher überhaupt, ist DAS Aushängeschild für den deutschen Film schlechthin.

Mit seinen Filmen: Katzelmacher, Angst essen Seele auf, die Ehe der Maria Braun, Effi Briest, die Sehnsucht der Veronika Voss war er seiner Zeit weit voraus.

Bei Fassbinder, der von den deutschen Filmhochschulen abgelehnt wurde, gab es Sozialkritik, Themen wie Abtreibung, Ausländer, die Aufarbeitung der Nazizeit lange, bevor sich andere Regisseure daran wagten. Dennoch ließ er sich auch politisch nie in eine Ecke drängen:

Fassbinder: "Ich mache die Dinge, die ich für mich für richtig halte, in vielen Dingen des Lebens gehe ich sicherlich konform mit der Ansicht der Linken, in anderen Dingen nicht. Ich hab da eine Philosophie, die ich aus der Schublade ziehen könnte, noch nicht gefunden. Hoffe auch, dass ich sie nie so finden werde, dass ich sie aus der Schublade ziehen kann. "

Begonnen hatte Fassbinder mit der Gründung eines Wirtshaustheaters in München. Die Stücke die er zunächst dort auf der Bühne inszenierte wurden dann zu Filmen. Wie zum Beispiel 1969 bei "Liebe ist kälter als der Tod". In dem Bühnenstück spielte er selbst den Zuhälter Franz, der sich versteckt halten muss.

Man kann es nachvollziehen, dass Fassbinder sein Arbeitspensum nur mit Drogen zu bewältigen im Stande war. Man kann es nachvollziehen, dass er ein wacher wilder Geist war, vor dem man sich menschlich auch in Acht nehmen musste.

Dennoch wäre es zu wünschen, wenn sich auch in Fassbinders eigenem Land der Blick dann doch mehr auf seine filmische Leistung richten würde, an seinem Geburtstag - 23 Jahre nach seinem Tod.

Hinweis: Aus Anlass des 60. Geburtstages von Rainer Werner Fassbinder zeigt die ARD einige seiner Filme, und zwar immer mittwochs nach Mitternacht. Morgen ist es um 0.35 Uhr sein Streifen "Die Ehe der Maria Braun” (1978) mit Hanna Schygulla. "Die bitteren Tränen der Petra von Kant” folgt am 8. Juni zur gleichen Zeit. Am 12. Juni um 23.30 Uhr ist dann die französische Verfilmung von Fassbinders Theaterstück "Tropfen auf heiße Steine” zu sehen und anschließend ist Fassbinder in seiner letzten Kinorolle in dem Science-Fiction-Krimi "Kamikaze 1989” zu erleben. Am 15. Juni um 0.40 Uhr folgt dann der Streifen "Warnung vor einer heiligen Nutte” mit Eddie Constantine und Hanna Schygulla. Die Reihe geht am 22. Juni mit "Warum läuft Herr R. Amok?” zu Ende.